Gott in der Stadt

Perspektiven evangelischer Kirche in der Stadt, EKD-Texte 93, 2007

Einführung

„Kirche und Stadt“, das ist die Beschreibung einer Beziehung. Das Christentum ist durch zwei Jahrtausende eng mit der Entwicklung von Städten verknüpft. Die Ausbreitung des Evangeliums wird seit der Gründung der ersten christlichen Gemeinden in den Stadtgesellschaften forciert und schon die Mitglieder dieser Gemeinden nutzten urbane Bedingungen, um von der verwandelnden Kraft des Glaubens an Jesus Christus zu erzählen. Sie nahmen Charakterzüge städtischer Gesellschaften positiv auf, die bis heute gleich geblieben sind. Städtische Orte sind gekennzeichnet von einem Pluralismus der Lebensformen und Werthaltungen auf engstem Raum, verbunden mit einem großen Maß an individueller Freiheit. Diese Voraussetzungen dienen bis heute allen Religionsgemeinschaften, um für die je eigenen Überzeugungen zu werben. Das Christentum stellt darin keine Ausnahme dar.

Die enge Verbindung zwischen einer städtischen Umgebung und der Ausbreitung des Christentums, die mit zum Erfolg der ersten missionarischen Konzepte in der Antike beigetragen hat, hält bis in unsere Zeit an. Missionarische Bewegungen der Kirchen, ob in China oder Afrika, in den urbanen Ballungsräumen der ehemaligen GUS-Staaten oder in Westeuropa suchen sich städtische Kontexte, um Menschen in größerer Anzahl zu erreichen.

Die folgenden Überlegungen „Kirche und Stadt“ wollen deshalb keine historische Studie zum Verhältnis von Kirche und Stadt sein und auch nicht nur den Status quo kirchlicher Arbeit in städtischen Kontexten skizzieren. Sie wollen vor allem die Chancen der evangelischen Kirche in sich verändernden Stadtgesellschaften in Deutschland ausloten.

Die Verfasser gehen dabei von einer neuen Aufmerksamkeit aus, die alle drei historischen Größen Stadt - Religion - Kirche seit einigen Jahren erhalten. Die Gründe für diese „neue Aufmerksamkeit“ sind unterschiedlich, genauso wie ihre jeweiligen Beurteilungen. Aber dass die Phänomene Religion, Kirche und Stadt sich seit einigen Jahren intensiverer Beobachtung erfreuen, scheint außer Zweifel. Aus dieser Aufmerksamkeit versucht der Text Funken zu schlagen, um theologische Kriterien und praktische Handlungsvorschläge für die Arbeit der evangelischen Kirche in der Stadt zu gewinnen.

Der Ausgangspunkt einer dreifachen neuen Aufmerksamkeit übersieht nicht die bisher geleistete Arbeit im Bereich Kirche und Stadt. Die Entdeckung der Stadt als eigenständiges Feld kirchlicher Arbeit hat einen der innovativsten kirchlichen Handlungsräume in den vergangenen 25 Jahren entwickelt. Dafür musste allerdings erst eine lange Tradition christlicher Stadtkritik überwunden werden, die über Jahrhunderte mit der Verteuflung der Stadt ein Klischee bediente. Inzwischen haben sich die Entwicklung der Citykirchenarbeit mit besonderen Profilbildungen an Innenstadtkirchen, die Einrichtung von Kirchencafés, die kirchenpädagogische Arbeit und zahlreiche weitere Ansätze als neue kirchliche Arbeitsformen in der Stadt bewährt und sind längst über die Stadtgrenzen hinaus als Modelle kirchlicher Arbeit aufgenommen worden [1].

Dieser Text will die evangelische Kirche zu neuen Konzepten in der Stadt ermutigen. Dabei bilden die vielfältigen, unterschiedlichsten Voraussetzungen deutscher Städte – mit einer gesonderten Perspektive Ost-West – eine besondere Herausforderung. Der Entwicklung der Städte in Deutschland gilt es in den nächsten Jahren besondere Aufmerksamkeit zu schenken. In ihnen können wir lernen, wie der Auftrag der Kirche in unserer Gesellschaft auch zukünftig zeitgemäß zu formulieren ist.

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