Perspektiven für diakonisch- gemeindepädagogische Ausbildungs- und Berufsprofile

Tätigkeiten – Kompetenzmodell – Studium, Hrg. EKD-Texte 118, 2014

2 Gegenwart und Zukunft diakonisch- gemeindepädagogischer Dienste und Berufe

2.1 Kommunikation des Evangeliums als Aufgabe verschiedener kirchlicher Berufe

Der gemeinsame Dienst am Evangelium von Jesus Christus verbindet die diakonisch-gemeindepädagogischen Berufe mit den anderen Berufen in der Kirche. So beschreibt Christian Grethlein die Kommunikation des Evangeliums in den Modi des Lernens und Lehrens, des Unterstützens und des gemeinschaftlichen gottesdienstlichen Feierns als Gesamtaufgabe der kirchlichen Beruflichkeiten.[8]

Diese Aufgabe erfüllen beruflich Tätige im Kontext der Kirche und ihrer Diakonie mit je anderen professionellen Kompetenzen und mit je anderen Schwerpunkten innerhalb ihrer Tätigkeitsfelder.

Im Bereich der diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen überschneiden sich die kirchlichen Arbeitsfelder markant mit solchen anderer sozialer Bezugssysteme (zum Beispiel von Schule oder kommunaler Jugendund Seniorenarbeit), aus denen sich weitere Mandate für das berufliche Handeln ergeben. Auch wenn dies ähnlich für weitere kirchliche und diakonische Berufe gilt (zum Beispiel für das Lehramt), ergibt sich daraus für die diakonisch-gemeindepädagogischen Dienste doch eine spezifische Leistung für je verschiedene Zielgruppen und Aufgabenfelder. Diese Kompetenz ist in der sich weiterentwickelnden und an Bedarfen orientierten Berufslandschaft der Kirche mit ihrer Diakonie für eine menschennahe Verkündigung, ein lebensrelevantes religiöses Lernen und die Erfahrung gelebter Nächstenliebe unverzichtbar. Die diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen bringen diese Fähigkeiten in die Umsetzung von Gemeindekonzepten und diakonischen Zielen ein.

Der Leitgedanke der Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst verbindet die Hauptamtlichen in der Kirche untereinander und mit den Ehrenamtlichen in dem einen gemeinsamen Auftrag. Im Zentrum steht dabei die Verbundenheit aller Mitarbeitenden, ja aller Getauften, in der Gestaltung der Welt im Licht des Evangeliums.

Von daher qualifiziert dieser theologische Leitgedanke auch die Bedingungen beruflichen Handelns in Kirche und Diakonie.

Paulus verwendet das Sprachbild des einen Leibes mit den vielen Gliedern, der der  Schaffung eines evangeliumsgemäßen Kommunikations- und  Gemeinschaftsraums dient, in dem jeder Einzelne im Christsein „auferbaut“ wird (1Kor 14,26)[9] und selbst mit seinen Gaben der „Auferbauung“ dient. Das Bild vom Leib bietet einen Deutungsraum für die evangelische Zeugnis- und Dienstgemeinschaft: Sie entsteht aus der sakramentalen Erfahrung, im Abendmahl mit Christus verbunden zu sein und von Gott beschenkt das eine Brot zu teilen (1Kor
10,17). Der christliche Dienst in der Welt, für den das gemeinschaftliche Feiern und die hier erlebte Kommunikation des Evangeliums stärkt, wird unter anderem erkennbar in der Erfüllung des Taufbefehls (Mt 28,19 – 20). Der Dienst in der Kommunikation des Evangeliums gilt allen Menschen und ist der ganzen Gemeinde anvertraut. Dabei können einzelne Getaufte entsprechend ihrer Gaben besondere Aufgaben wahrnehmen (1Kor 10,17; Mt 28,19 – 20; 1Kor 12).

Die reformatorische Tauflehre vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen (1Petr 2,9) betonte die Berufung jedes Getauften in den Dienst am Evangelium. Damit wuchs die Verantwortung der Kirche dafür, Getaufte zu diesem Dienst zuzurüsten und darin zu begleiten.

Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 hebt hervor, dass die Kirche sowohl durch ihre Botschaft als auch durch ihre Ordnung der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus dient. Außerdem formuliert sie, dass in der Kirche nicht einer über den anderen herrscht, sondern alle gemeinsam zum Dienst berufen sind.[10] Für eine gelingende Kommunikation des Evangeliums sind alle professionellen Dienste auf die Ergänzung ihres Teildienstes durch die in den anderen Berufsprofilen Tätigen und durch den Dienst aller Christinnen und Christen angewiesen. Um der Auferbauung und damit letztlich um der einzelnen Menschen als von Gott Angesprochenen willen bildete die Kirche professionelle Dienste zur Kommunikation des Evangeliums in verschiedenen Aufgabenfeldern aus. Der Pfarrdienst, die diakonisch-gemeindepädagogischen Dienste, der Dienst im Religionsunterricht, in der Diakonie, in Schulen und Kindertagesstätten in evangelischer Trägerschaft sowie in der Kirchenmusik erfüllen den Auftrag am Wort Gottes in je spezifischer Weise.

Den steigenden Erwartungen, den immer vielfältigeren Herausforderungen kann die Volkskirche dann nachkommen, wenn Beruflichkeiten mit unterschiedlicher Kompetenz einander ergänzen und bereichern.[11] So entsteht innovative kirchliche und diakonische Arbeit in neuen und traditionellen Organisations- und Gemeindeformen sowie Aufgabenfeldern. Jeder Dienst von beruflich Tätigen in der Kirche und ihrer Diakonie bezieht sich und gründet sich auf das Wort Gottes als Auftrag, Gegenstand, Urteil und Ereignis, in dem Verkündigung zur wirklichen Verkündigung wird.[12] Professionelles Handeln bedeutet in der Kirche daher immer auch, um die Grenzen der eigenen Wirkungsmöglichkeiten in der Kommunikation des Evangeliums zu wissen und sich im Fragment der eigenen Arbeit von Gott und anderen Menschen in Beruf und Ehrenamt ergänzen zu lassen. In der Kommunikation des Evangeliums hat also jede kirchliche Beruflichkeit ihren besonderen Tätigkeitsbereich.

Profilprägend für den Pfarrdienst ist das Amt der öffentlichen Wortverkündigung und der Darreichung der Sakramente. Die dafür notwendige theologische Kompetenz dient der Orientierung im Binnenraum der Gemeinde genauso wie bei Anlässen, in denen Pfarrerinnen und Pfarrer die Kirche nach außen vertreten.

Profilprägend für die religiöse Bildungsarbeit im Kontext kirchlicher Bildungsverantwortung oder Bildungsmitverantwortung ist der Modus des Lehrens und Lernens, den die Unterrichtenden in Kirche und Schule gestalten im Wissen um die Bedeutung der Selbstbildungsprozesse Lernender.

Das spezifische Profil der diakonisch-gemeindepädagogischen  Dienste in der Kirche und ihrer Diakonie liegt in der interprofessionell gestalteten Orientierung an Zielgruppen, die auf diese Dienste im Bereich des Bildens und des Unterstützens sowie in der Gestaltung von Verkündigung und Feier besonders angewiesen sind. Diese Zielgruppen und zu bearbeitenden Aufgabenfelder sind im Zusammenhang mit dem kirchlichen und gesellschaftlichen Wandel immer wieder neu zu bestimmen. Dadurch waren in der Geschichte und Gegenwart diakonisch-gemeindepädagogisch Tätige oft in innovativen kirchlichen oder diakonischen Aufgabenfeldern tätig. Innovation ist ein unverzichtbares Element diakonisch-gemeindepädagogischer Tätigkeit. Die Modi der Kommunikation des Evangeliums durch Lehren und Lernen und durch Hilfe zum Leben spielen in der beruflichen  Tätigkeit der  diakonisch-gemeindepädagogischen Mitarbeitenden eine besondere Rolle. Damit stellen sich aus dem beruflichen Tätigkeitsfeld heraus besondere Anforderungen an die Entwicklung einer Professionalität, die den spezifischen Bedarfen im Aufgabenfeld gerecht wird.

Für die Erfassung des beruflichen Handelns der diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen erweist sich der Anschluss an die Diskussion in den Erziehungswissenschaften als hilfreich. Denn aus dieser heraus zeigt sich, dass die diakonisch-gemeindepädagogische Beruflichkeit von den konkreten Herausforderungen in den Handlungsfeldern her beschrieben werden muss, die jeweils professionell und kompetent zu bewältigen sind. Der für die Beschreibung der Dienste hilfreiche Begriff der Professionalität eignet sich, um sowohl die Qualität der personenbezogenen diakonischen und gemeindepädagogischen Arbeit zu beschreiben als auch die besondere Befähigung und Kompetenz derer, die damit beauftragt sind. Dabei ist bei einer kirchlichen Verwendung des Professionalitätsbegriffs die Dimension des Auftrags zum Zeugnis, wie er im für die diakonisch-gemeindepädagogischen Dienste wenig geeigneten Professionsbegriff angelegt ist, mit im Blick.[13]

Das Kompetenzmodell, das im Folgenden ausführlich vorgestellt wird, beschreibt daher, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten Diakoninnen und Diakone / Gemeindepädagoginnen und -pädagogen benötigen, um die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen.

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