Kirche sein in einer globalisierten Welt

Zur Weggemeinschaft in Mission und Entwicklung. EKD-Text 125, Hrg. EKD, Oktober 2015, ISBN: 978-3-87843-040-7

4 Formen der Weggemeinschaft

4.1 Entwicklungszusammenarbeit

Das Konzept von Entwicklung hat in den letzten 50 Jahren entscheidende Veränderungen durchlaufen. In den 1960er-Jahren setzte die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern »Entwicklung« primär mit technologischem und wirtschaftlichem Aufschwung gleich. Bald zeigte sich jedoch, dass die Vorannahmen, auf denen dieses Entwicklungskonzept beruhte, keine Allgemeingültigkeit beanspruchen konnten. Zudem wurde immer deutlicher, dass ungerechte nationale und internationale Wirtschaftsstrukturen die Nachhaltigkeit der Entwicklung hemmen. So wurde das primär ökonomisch ausgerichtete Entwicklungsverständnis mehr und mehr infrage gestellt. Heute werden die Probleme der sogenannten Entwicklungsländer nicht länger auf politische und wirtschaftliche Vorgänge reduziert, sondern zunehmend als ein Komplex von Symptomen gesehen, zu dessen Erklärung naturräumliche, demografische, soziale, politische, historische und religiöse Faktoren in den Blick genommen werden müssen. Im Hinblick auf die aktuellen ökologischen und sozialen globalen Herausforderungen ist darüber hinaus deutlich geworden, dass der wirtschaftliche Entwicklungsprozess der heutigen »Industrienationen« nicht als Vorbild für die »Schwellen- und Entwicklungsländer« dienen kann.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das Konzept der »nachhaltigen Entwicklung« weitgehend durchgesetzt. Dieses Konzept versteht Entwicklung als ganzheitlichen, partizipatorischen und vernetzten Prozess, der das Wohlergehen und die Würde der Menschen wie auch der ganzen Schöpfung sowie die Förderung von Frieden und Versöhnung im Blick hat. »Nachhaltige Entwicklung« wird nicht von Experten und Expertinnen bewirkt, sondern lebt vom Engagement und dem Mitdenken vieler Menschen in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen. In weiten Teilen der kirchlichen oder auf christlichen Grundsätzen basierenden Entwicklungszusammenarbeit bildet deshalb die Verwirklichung der bürgerlichen und politischen wie der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte eine Zielbeschreibung für »Entwicklung«.[22] Als Voraussetzung für eine so verstandene menschliche Entwicklung wird in letzter Zeit immer stärker die Notwendigkeit einer großen sozialökologischen Transformation gesehen.[23] Ein derartiger Transformationsprozess muss weltweit verlaufen und darf sich nicht auf die wirtschaftlich schwachen Länder beschränken. Er nötigt dazu, das eigene Handeln und Unterlassen im Lichte weltweiter Entwicklungen zu sehen und unseren Umgang mit der Natur als Gottes Schöpfung und unsere Einstellung zu den Produkten menschlicher Arbeit neu zu bestimmen.

Die Durchführung von Projekten im kirchlichen Handlungsfeld Entwicklungszusammenarbeit stellt spezifische Anforderungen und unterliegt Kriterien, die diesen Gedanken entsprechen. So muss die Hilfe allen Notleidenden, gleich welcher Volkszugehörigkeit, Religion oder politischen Orientierung, zugutekommen und dem Grundsatz folgen, Unterstützung rein bedarfsorientiert zu leisten und nicht an eigenen politischen oder wirtschaftlichen Interessen auszurichten.

4.1.1 Akteure in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit

Im Handlungsfeld kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit sind unterschiedliche Träger tätig. Trotz verschiedener Ansätze und Schwerpunktfelder wissen sie sich grundsätzlich den oben beschriebenen Grundlagen und Zielvorstellungen verpflichtet und verstehen die Projekte und Programme als Beitrag zur Transformation der Welt hin zu mehr Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfungsverantwortung und Leben in seiner Fülle. Zu nennen sind hier u. a. das kirchliche Entwicklungswerk Brot für die Welt und solche Werke, die ohne institutionalisierte kirchliche Trägerschaft ihre Arbeit als von christlichen Werten geprägt verstehen, etwa die Kindernothilfe oder die ChristoffelBlindenmission. Außerdem gehören landeskirchliche und freikirchliche Missionswerke zu den Trägern entsprechender Vorhaben. Schließlich werden in den Landeskirchen selbst Arbeitsbereiche vorgehalten, die entwicklungspolitische Programme auflegen. Hierzu gehören die Beauftragten für den Kirchlichen Entwicklungsdienst (KED), die u. a. durch gemeindeorientierte entwicklungspolitische Bildungs-, Öffentlichkeits- und Beratungsarbeit, durch Mitwirkung in landeskirchlichen Koordinationsstrukturen für Ökumene, Mission und Entwicklung und durch entwicklungspolitische Lobbyarbeit auf landeskirchlicher Ebene wichtige Netzwerkpartner für Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst und die Missionswerke sind.

Im Rahmen des vorliegenden Papiers finden die Aktivitäten von Brot für die Welt und der Missionswerke in besonderer Weise Berücksichtigung. In den 1950er- und 1960er-Jahren wuchs in der deutschen Bevölkerung das Bewusstsein einer Verantwortung für die Überwindung der Armut in der Welt. Diese Haltung fand auch in den Kirchen Niederschlag in entsprechenden Kampagnen und schließlich in der Gründung der Aktion Brot für die Welt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Missionswerke bzw. deren Vorgänger, die Missionsgesellschaften, schon seit vielen Jahrzehnten in der Kooperation mit ihren Tochter-, Schwester- oder Partnerkirchen neben Friedensarbeit, sozialer Stärkung, der Behandlung von Landfragen, Capacity-Building-Prozessen oder der Behandlung von Menschenrechtsfragen v. a. in den Bereichen der schulischen Bildung und medizinischen Versorgung aktiv. Dadurch sollten Verbesserungen der Lebensumstände von Bedürftigen innerhalb und außerhalb von Kirchen vor Ort erreicht werden. Ähnliche Konzepte begegnen auch schon früher in den Gründungsgeschichten großer diakonischer Einrichtungen, etwa bei den Franckeschen Stiftungen in Halle oder auch in Bethel und Neuendettelsau, wo Diakonie und Mission zwei Seiten eines gemeinsamen Glaubenszeugnisses waren.[24]

Die Entscheidung, Brot für die Welt als ökumenische Diakonie zu etablieren und schließlich 1975 ins Diakonische Werk der EKD zu integrieren, sollte einen Neuanfang in sich rasch wandelnden Zeiten setzen. Dabei verortete sich Brot für die Welt als Werk der Landes- und Freikirchen bewusst im Verständnis von Ökumenischer Diakonie des ÖRK.[25] Diese Zuordnung geschah auch vor dem Hintergrund der Einschätzung, dass die Arbeit der Missionswerke durch ihre damals noch kaum aufgearbeitete Verflochtenheit in koloniale Abhängigkeiten, ihre Konzentration auf wenige Partnerkirchen und ihre vorrangige Orientierung an glaubensweckender Verkündigung einer institutionellen Ergänzung bedurfte. So kam es zu einem programmatisch-institutionellen Nebeneinander, gleichwohl gab es von Anfang an Kooperationen und das Anknüpfen an bestehende Partnerbeziehungen.

1962 wurde die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) gegründet, um Mittel des KED und Mittel, die die Bundesregierung den beiden großen Kirchen für die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellte, umzusetzen.

Es zeigte sich bald, dass alle Akteure tiefgreifende institutionelle Lernprozesse durchliefen. Für die Missionswerke äußerte sich dies vor allem im veränderten Auftreten der Partnerkirchen auf den internationalen ökumenischen Bühnen. Dort wurden postkoloniale Abhängigkeitsstrukturen beklagt und das Teilen von zwischenkirchlicher Macht zwischen Süd und Nord gefordert. Damit verbunden war ein sich neu entwickelndes Verständnis von Mission, das Zeugnis und Dienst in der einen Missio Dei zusammen sehen wollte und das mit Begriffen wie prophetisch, ganzheitlich, integral beschrieben wurde. In solchen Veränderungen waren es oft die Partnerkirchen, die an der konzeptionellen und institutionellen Untrennbarkeit von Zeugnis und Dienst festhielten. Insofern wurden entwicklungspolitische Programme der Missionswerke vor allem in Kooperation mit Partnerkirchen oder von denen aufgebauten Institutionen zum integralen Bestandteil der Arbeit der Missionswerke.

Diese mit den neuen Akzenten im Missionsverständnis verbundenen neuen Profile der Missionswerke äußern sich auch in den Strukturveränderungen der letzten Jahre:[26] Mit den Namensveränderungen gehen massive inhaltlich-strukturelle Veränderungen mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen einher. Sie folgen nicht nur veränderten Verständnissen von Mission hier und weltweit, sondern auch Handlungslogiken, die sich aus umfassenden Veränderungen einzelner Landeskirchen ergeben. Mancherorts werden nun landeskirchliche Partnerkirchenbeziehungen durch Missionswerke verantwortlich begleitet, die nicht aus früheren missionarischen Aktivitäten entstanden sind, etwa Beziehungen innerhalb von Europa oder nach Nordamerika. Die Angliederung weiterer Arbeitsbereiche, wie zum Beispiel christlich-muslimische und jüdisch-christliche Dialoge, Weltanschauungsfragen, Klimagerechtigkeit oder Zusammenarbeit mit Gemeinden anderer Sprache und Herkunft führen dazu, dass Missionswerke schrittweise zu ökumenischen Zentren einzelner oder mehrerer Landeskirchen werden. Besonders deutliche Veränderungen zeigen sich dort, wo der regionale KED mit seinen Strukturen in ein Missionswerk integriert wird, wie dies in der der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), der Bayerischen Landeskirche oder der Nordkirche der Fall ist. Lässt sich in diesen und vergleichbaren Trends eine stärkere Integration des Handelns von Missionswerken in landeskirchliche Bezüge konstatieren, so ist parallel dazu eine andere Tendenz zu beobachten: Im Zuge von Internationalisierungsprozessen wird das traditionelle Verhältnis Missionswerk - weltweite Partner in die Form einer internationalen Gemeinschaft von untereinander gleichberechtigten Mitgliedskirchen überführt (Vereinte Evangelische Mission [VEM], Norddeutsche Mission [NM] und Evangelische Mission in Solidarität [EMS]). Diese Prozesse sind tiefgreifend, verlaufen in der Regel nicht spannungsfrei, haben aber weitreichende Auswirkungen auf das Selbstverständnis und Programminhalte dieser veränderten Organisationen.[27] So werden an manchen Orten Missionswerke und KED stärker auf die Arbeit der Landeskirchen bezogen und Mission und Partnerschaftsarbeit kommen als Aufgaben der Kirchenkreise und Gemeinden wieder mehr in den Blick. An anderen Orten, z. B. in der VEM, wird mit der Einbindung von internationalen Mitgliedskirchen die weltweite Gemeinschaft von Kirchen in gleichberechtigter Teilhabe und Mitbestimmung betont.

Auch bei Brot für die Welt und der EZE veränderten sich die Ansätze und gab es Lernerfahrungen, die vor allem im Übergang von Einzelmaßnahmen zu gesellschaftstransformierenden Prozessen standen und oftmals ebenfalls von Diskussionen in der internationalen Ökumene beeinflusst waren.

Nach dem karitativen Ansatz der Anfangsjahre rückten im Laufe der 1960er-Jahre Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Entwicklungsförderung in den Vordergrund. Zugleich wurde die Notwendigkeit einer bewusstseinsbildenden Arbeit im eigenen Land als unverzichtbarer Bestandteil entwicklungsbezogenen Handelns der Kirche anerkannt. Es waren vor allem Impulse aus der weltweiten Ökumene, die eine stärkere Profilierung des kirchlichen Entwicklungshandelns angestoßen haben. Die Partnerkirchen in der Ökumene machten beispielsweise deutlich, dass Entwicklung nicht nur als Prozess wirtschaftlichen Fortschritts, sondern in erster Linie als Akt der Befreiung aus Unmündigkeit und Fremdbestimmung betrachtet werden müsse. Brot für die Welt und EZE haben daher den Schwerpunkt auf Programme gelegt, die den Selbsthilfewillen der Armen stärken und die sie darin unterstützen, ungerechte Strukturen zu verändern, die der Entfaltung der Potenziale der Menschen entgegenstehen.

Mitte der 1970er-Jahre wurde die ökologische Dimension der weltweiten Entwicklungskrise bewusst. Zum Wissen um die dramatische Ungleichverteilung von Wohlstand und Macht trat die Einsicht in die Grenzen der ökologischen Belastbarkeit des Planeten Erde hinzu. Dadurch wurde der Blick auf die Veränderungen gelenkt, die in den Industriestaaten im Interesse einer gerechten Weltentwicklung stattfinden müssen. In der Programmarbeit von Brot für die Welt und EZE nahmen in dieser Zeit bedeutsame Weichenstellungen in Richtung nachhaltiger Landwirtschaft und alternativer Energiegewinnung ihren Anfang. An die Stelle von wachstumsorientierten Konzepten traten wie z. B. in Indien alternative, partizipatorische und lokal angepasste Modelle integrierter Entwicklung. In Lateinamerika standen die Unterstützung von ländlichen Bewegungen, die Zugang zu Land beanspruchten, und die Förderung indigener Bevölkerungsgruppen im Zentrum.

Mit der Erklärung »Den Armen Gerechtigkeit«[28] definierte Brot für die Welt auch das Mandat für die Inlandsarbeit genauer. Im Zentrum stand der Befund, dass die Industriegesellschaften eine Mitverantwortung für die weltweite Ungerechtigkeit tragen. Brot für die Welt müsse sich daher verstärkt zum Anwalt seiner Partner und zu deren Sprachrohr in unserem Land machen. Im Zuge der Kampagnenarbeit rückte auch die menschenrechtliche Orientierung der Advocacy-Aktivitäten, d. h. das »anwaltschaftli- che« Handeln für benachteiligte Menschen und Menschengruppen, von Brot für die Welt weiter in den Vordergrund. Die Menschenrechte geben den Armen ein mächtiges Instrument in die Hand: Es geht nicht um Almosen, sondern um legitime Rechte - auf Wasser, Nahrung, Gesundheit etc. Auch die EZE und der ab 1999 aus der Fusion von EZE mit der Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst (AGKED), dem Ökumenischen Studienwerk (ÖSW) und dem Ökumenisch-missionarischen Weltdienst (ÖMW) hervorgegangene Evangelische Entwicklungsdienst (EED) stellten und stellen bis heute viele Millionen Euro jährlich zur Verfügung, um rund 500 Gruppen in ihrer Inlandsarbeit zur fördern. Heute sind diese Bereiche sämtlich im 2012 fusionierten Teilwerk des EWDE Brot für die Welt - Evangelischer Entiwcklungsdient vereint.

Unter den Vorzeichen globaler Krisen wie dem Klimawandel, der Verknappung der Ressourcen, der Hungerkrise und des Zusammenbruchs des Finanzsystems wird in der Arbeit von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst zunehmend deutlich, dass es heute nicht allein darum geht, dass die Wohlhabenden in der Welt den Armen helfen müssen; vielmehr stehen wir vor der Herausforderung, gemeinsam solidarische und gerechte Lösungen für Probleme zu finden, die die Integrität der Schöpfung als Ganzes gefährden, und gemeinsam nach Alternativen zu einer ungerechten und lebensbedrohlich gewordenen Weltordnung zu suchen.[29]

Einen weiteren Lernprozess durchlief Brot für die Welt auch hinsichtlich der Bedeutung kirchlicher Organisationen als Partner in der Entwicklungszusammenarbeit und der Bedeutung von Religion als Faktor im Entwicklungsprozess. Während noch in den 1980er-Jahren zum Teil grundlegende Skepsis hinsichtlich der Fähigkeit kirchlicher Partner zur wirksamen Kooperation in der Entwicklungszusammenarbeit geäußert wurde, herrscht heute die Überzeugung vor, dass Religionsgemeinschaften und in unserem Fall speziell die Kirchen und der christliche Glaube eine zentrale Rolle im Entwicklungsprozess spielen: Der christliche Glaube gibt Menschen Orientierung und befähigt sie zum Handeln. Er vermittelt die Vision und die Werte für die erhoffte und zu transformierende Welt. Um diese Funktionen wahrzunehmen, gilt es, die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften als Akteure von Entwicklung ernst zu nehmen, anzuerkennen und speziell die Kirchen darin zu stärken und zu befähigen, diese Rolle aktiv und kompetent wahrzunehmen.

4.1.2 Formen der Arbeitsteilung

Die Partnerorientierung und der Verzicht auf eigenes operationales Handeln vor Ort in Ländern des Südens verbindet Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst und Missionswerke. Das gemeinsame Ziel sowie die geschichtlichen Entwicklungen insbesondere der jüngeren Zeit erklären auch teilweise Überschneidungen hinsichtlich der Akteure und der Projekte in diesem Feld. Es gibt aber auch Unterschiede und Besonderheiten der Akteure im kirchlichen Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit, die sich aus ihren Aufgaben und Mandaten ergeben.

Das kirchliche Entwicklungswerk Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst und andere christliche Entwicklungswerke arbeiten aufgabenbezogen an Projekten zur Veränderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen mit hohem finanziellen Einsatz. Diese Projekte sollen durch Stärkung der Zivilgesellschaft (und der Kirchen als Teil der Zivilgesellschaft) einen strategischen Hebel darstellen und Transformationsprozesse im Bezug auf Gesellschaften, Länder und internationale Beziehungen auslösen. Gleichzeitig finden sich im breiten Panorama der Brot-für- die-Welt-Projekte durchaus auch Vorhaben mit regional und thematisch begrenztem Umfang, bei denen die praktische Hilfe für lokale Gemeinschaften im Vordergrund steht. Solche Vorhaben finden sich auch als entwicklungsbezogene Projekte im Bereich der Missionswerke. Sie sind eingebettet in den Kontext langfristiger, kirchenbezogener Arbeit in den Partnerländern und variieren im Blick auf Finanzvolumen und intendierte Wirkung.

Die evangelischen Missionswerke handeln im Auftrag ihrer Träger- und Mitgliedskirchen. Durch die dabei gewonnene interkulturelle Erfahrung der Mitarbeitenden kommt den Missionswerken eine besondere beratende und vermittelnde Kompetenz und Aufgabe zu. Dabei finden sie in manchen Fällen auch Unterstützung durch Freundeskreise und Initiativen, die sich für die Anliegen der Mission engagieren. Die Fürbitte für die Anliegen der Partner - hier und dort - und der Austausch über gemeinsame Erfahrungen und Herausforderungen spielen neben den finanziellen Hilfen eine große Rolle. Das gegenseitige Kennenlernen, Begegnung und Austausch sind dafür wichtige Voraussetzungen. Dazu gehören auch das gemeinsame Lesen der Bibel und das Bemühen um eine lebensnahe Auslegung im jeweiligen Kontext von Kirche und Gesellschaft. Hier ergeben sich interessante interkulturelle Lernerfahrungen, die den Umgang miteinander prägen und unter Umständen die eigenen Perspektiven infrage stellen und verändern. Wer sich kennt und sich vertraut, kann dann auch kritische Fragen ansprechen und Kritik an Haltungen und Überzeugungen aushalten.

Sowohl die Missionswerke als auch Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst arbeiten eng angelehnt an und eingebettet in die Aufträge ihrer Trägerkirchen und im Falle von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst auch in die Aufträge der Diakonischen Werke der Landeskirchen. Die Missionswerke sind dabei enger in ihre jeweiligen landeskirchlichen Partnerschaftsbeziehungen eingebunden, während Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst als Gemeinschaftswerk der Kirchen und Diakonischen Werke die Gesamtheit seiner Träger und deren Interessen im Blick behalten muss.

Kurzfristige Projektpartnerschaften zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels sind sowohl bei Missions- wie auch bei Entwicklungswerken leichter möglich, während ein »Ausstieg« aus einer in der Regel langfristigen kirchlich begründeten Partnerschaft schwierig ist. Kurzfristige Förderungen mit einem Laufzeitende nach einem bis drei Jahren werden eher bei den Entwicklungswerken anzutreffen sein. Gleichzeitig begleiten Entwicklungswerke in ihren Kooperationen manche ihrer Partner über lange Zeiträume. Sowohl Missions- als auch Entwicklungswerke können auf erfolgreiche, lang andauernde Partnerschaften und Förderungen von kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Partnern zurückblicken.

Auf Bitte der Partnerkirchen unterstützen die Missionswerke Programme und Projekte in vielen Aufgabenbereichen der Kirchen. Dazu gehören entwicklungsbezogene Projekte etwa im Bereich ländlicher Entwicklung, Förderung der Infrastruktur oder Menschenrechtsarbeit. Sie sind ausgerichtet an den Kriterien von Nachhaltigkeit, Transparenz und Professionalität. Darüber hinaus reicht die Zusammenarbeit der Missionswerke in die Felder von Verkündigung und Gottesdienst, theologische Ausbildung und Begleitung von Mitarbeitenden sowie Verwaltung und Organisation der Kirche hinein.

Das kirchliche Entwicklungswerk Brot für die Welt und andere christliche Entwicklungswerke wie Christoffel-Blindenmission oder Kindernothilfe wollen bewusst keine ausschließliche Bindung ihrer Unterstützung an Kirchen und andere religiöse Träger. Mit den ihnen anvertrauten staatlichen Mitteln sind sie oft auch an konkrete Vorgaben ihrer staatlichen Geber gebunden und dürfen keine die Wortverkündigung unterstützenden Komponenten fördern. Sofern sie Spendenmittel verwenden, sind sie in der Zweckbestimmung und Partnerorientierung frei. Ausschlaggebend sind die entwicklungspolitische Sinnhaftigkeit und Professionalität der Projektdurchführung kirchlicher wie zivilgesellschaftlicher Partner. Die Entwicklungswerke informieren die Öffentlichkeit und die Spenderinnen und Spender über die eigene Arbeit und deren Ergebnisse und legen Rechenschaft über Herkunft und Verwendung der anvertrauten Mittel ab.

Zur ziel- und wirkungsorientierten, wirtschaftlichen und zweckgebundenen Verwendung der Spenden gehören eindeutige Regeln und festgelegte Bearbeitungsstandards für den Einsatz der Gelder ebenso wie externe Prüfungsverfahren. Methoden, Standards und Verfahren, die es gestatten, die Wirkungen, die von Projekten und Programmen ausgehen, besser zu erfassen, werden, wo dies möglich ist, gemeinsam mit den Partnern entwickelt. Freilich ist dies insbesondere dort, wo Standards von externen (insbesondere staatlichen) Mittelgebern vorgegeben sind, nicht immer möglich. In jedem Fall gibt es Controlling-Systeme zur Sicherung und Weiterentwicklung der internen Organisation und der Bearbeitungsverfahren.

Diese Werke sind durch ihre Trägerschaft und ihre Unterstützer dem christlichen Wertesystem verbunden und deshalb kirchlichen Partnern gegenüber aufgeschlossen. Bei Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst ist es gar Teil der Fördervereinbarung mit dem Staat, überwiegend kirchliche Partner zu fördern. Der Staat setzt damit ausdrücklich auf die besonderen Kompetenzen der Kirchen im Bereich der Armutsbekämpfung.

Die Verbundenheit in der Weggemeinschaft sollte zukünftig noch besser genutzt werden. Brot für die Welt kann seine Expertise den Missionswerken verstärkt zur Verfügung stellen, etwa bezüglich der Qualifikation von Projekten oder der Erkenntnisse, die in der Zusammenarbeit mit Ministerien und Dienststellen der EU gewonnen wurden. Umgekehrt können die Missionswerke ihre theologische Kompetenz, die Kenntnis der Partnerkirchen und der kirchlichen Debatten intensiver in die Arbeit des kirchlichen Entwicklungswerkes einbringen.

4.2 Mission

4.2.1 Ganzheitliche Mission: Zeugnis und Dienst

Die missionstheologische Diskussion hat unterschiedliche Diskussionsstränge entwickelt, die auch für die Frage des Zusammenhangs zwischen Mission und Entwicklung von Bedeutung sind. Neben dem im Rahmen der biblisch-theologischen Reflexion berührten Motiv vom »Leben in Fülle« spielten auch die Leitbegriffe »Heil und Heilung« oder »Versöhnung und Transformation« in der missionstheologischen Diskussion der letzten Jahrzehnte eine Rolle. Gemeinsam ist all diesen Begriffen das ganzheitliche Verständnis von Mission, das Zeugnis und Dienst verbindet.[30] Die ebenfalls im Rahmen der theologischen Reflexion bereits erwähnte Reich-Gottes-Erwartung bildet die Klammer, die Zeugnis und Dienst als zwei untrennbar miteinander verbundene Aspekte von Mission zusammenhält. Im Jahr 2000 veröffentlichte der ÖRK in der Erklärung »Mission und Evangelisation in Einheit heute« richtungweisende Definitionen und Unterscheidungen von Mission und Evangelisation, in denen »Mission« in einer »ganzheitliche[n] Bedeutung« als »die Verkündigung und das Miteinanderteilen der Frohen Botschaft des Evangeliums durch Wort (kerygma), Tat (diakonia), Gebet und Gottesdienst (leiturgia) und das alltägliche Zeugnis des christlichen Lebens (martyria)« verstanden wird. Von dieser »Stärkung der Menschen in ihrer Beziehung zu Gott und zueinander und Heilung als Ganzheit und Versöhnung zu koinonia - Gemeinschaft mit Gott, Gemeinschaft mit Menschen und Gemeinschaft mit der Schöpfung als Ganzer« unterschied das Papier »Evangelisation«, die ihren »Schwerpunkt [...] auf der ausdrücklichen und absichtsvollen Bezeugung des Evangeliums, darunter der Einladung zur persönlichen Umkehr zu einem neuen Leben in Christus und zur Nachfolge« hat.[31] Legen wir diese Unterscheidung zugrunde, so besitzt bereits der Begriff der Mission dank seiner diakonischen Dimension eine unmittelbare Verbindung zur Entwicklungsarbeit.

4.2.2 Mission und Missionswerke

Die Arbeit der Missionswerke ist eingebettet in den Kontext langfristiger, kirchenbezogener Arbeit in den Partnerländern. Neben den erwähnten entwicklungsbezogenen Projekten der Partnerkirchen unterstützen die Missionswerke auch die Durchführung von Kirchenkonferenzen und -konsultationen zu theologisch relevanten Themen und gesellschaftlichen Herausforderungen. In der Regel werden diese gemeinsam geplant.

Besonders in Ländern Westeuropas, die sich kritisch mit ihrer eigenen Kolonialvergangenheit auseinandergesetzt haben, ist der Begriff der Mission auch aufgrund gewalttätiger Missionsgeschichte oftmals negativ konnotiert. »Mission« wird hier vielfach mit kolonialen Bildern und Denkmustern von Abhängigkeiten gleichgesetzt. Ein auf der Grundlage der Missio Dei erfolgender selbstkritischer Blick wird auch heute noch vorhandene Phänomene wie Entwicklungsbemühungen, die die Partner nicht zu selbstständigem Handeln ermächtigen, theologisch-intellektuelles Superioritäts- gebaren oder Versuche zur Zementierung postkolonialer Abhängigkeiten und Machtverhältnisse nicht ignorieren. Gleichwohl haben veränderte Verständnisse von Partnerschaft in der Mission zu praktischen Veränderungen geführt. Insbesondere im Gespräch mit den internationalen Partnern kann eine positivere Sichtweise der Mission in Geschichte und Gegenwart gewonnen werden. Zudem ist es für die Partnerkirchen in Minderheitssituationen von hoher Bedeutung, dass deutsche Partnerkirchen über ihre Missionswerke Hilfen zur Stärkung der eigenen Identität und zur Stabilisierung anbieten können. Gegenseitig laden sich die Partnerkirchen zu Besuchen, Begegnungen und Gesprächen ein und pflegen den Austausch. Die Präsenz von Vertretern der jeweiligen Partnerkirchen bei Amtseinführungen und besonderen Gottesdiensten und Anlässen ist ein gutes Beispiel für das gelebte Miteinander. Dies gilt auch für Partnerkonsultationen, durch die die gemeinsame Verantwortung für Fragen der Mission und der Partnerschaft und auch Themen des konziliaren Prozesses deutlich werden. Schließlich sind die Kontakte auch für Fragen einer interkulturellen Theologie und für die Begegnung mit Vertretern anderer Religionen im interreligiösen Dialog von Belang.

4.2.3 Mission und interreligiöser Dialog

Das Missionsverständnis der Missio Dei verändert auch den Blick auf die Gesprächspartner im interreligiösen Dialog. Weltweit stehen die Kirchen in unterschiedlichem Maß im Dialog mit Menschen anderer Glaubensrichtungen und Weltanschauungen. Lebenssituationen und Kontexte bestimmen die Zielvorstellungen der dialogischen Bemühungen mit. Für Kirchen in Konflikt- und Bedrängungssituationen stellt der interreligiöse Dialog eine besondere Herausforderung dar. Mission im Sinne der Missio Dei und interreligiöser Dialog können den Frieden und den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern, wie das Dokument des Lutherischen Weltbundes (LWB) »Mission im Kontext« hervorgehoben hat:

»Der interreligiöse Dialog als Streben nach Frieden und Zusammenhalt in der Gesellschaft, nach gegenseitigem Verstehen und nach der Wahrheit, ist integraler Bestandteil der kirchlichen Mission. Da die Kirche berufen und gesandt ist, Verwandlung, Heilung und Versöhnung in die Gesellschaft zu bringen, gehört die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Gruppen im Blick auf Frieden und Gerechtigkeit zur Mission der Kirche. So ist der interreligiöse Dialog ein wirksames Mittel, um religiöse Spannungen zu entschärfen und Wege zu finden, wie in einem multireligiösen Umfeld den Problembereichen Armut, Diskriminierung, Gewalt und Unterentwicklung begegnet werden kann.«[32]

In der Weltchristenheit lassen sich derzeit mannigfaltige missionarische Aufbrüche erkennen, die vielerorts zu Konflikten führen. Der interreligiöse Dialog und mit ihm der Beitrag zu gesellschaftlichem Frieden und Gerechtigkeit, zu dem die Kirchen gerufen sind, steht hier vor großen Herausforderungen. In den Bereich ethischer Leitlinien der Mission gehört auch die Entwicklung einer interreligiösen Sensibilität. Die Missionswerke unterstützen Bemühungen der Partner, durch interreligiöse Dialoge sowie durch die Förderung von Toleranz und Religionsfreiheit zu einem friedlichen Zusammenleben der Religionen beizutragen. Dies geschieht in bi- oder multilateralen Gesprächen ebenso wie in Konferenzen, Studienkursen und Fortbildungsangeboten (z. B. Programm für christlich-muslimische Beziehungen in Afrika PROCMURA). In der Friedens- und Versöhnungsarbeit zum Wohl aller Menschen verbinden sich wichtige Anliegen der Missions- und Entwicklungsarbeit.

4.3 Gemeinsame Arbeitsfelder

4.3.1 Partnerschaften

Partnerschaften zwischen Kirchen, Gemeinden, Werken und Organisationen im Süden und Norden sind wichtige ökumenische Handlungsfelder und zugleich Räume, in denen sich die weltweite Weggemeinschaft bewähren muss.[33] Denn eine an den weltweiten Partnern und ihren Erwartungen orientierte ökumenische Arbeit verbindet Landeskirchen mit Entwicklungs- und Missionswerken und lässt zugleich Unterschiede im jeweiligen Verständnis erkennen.[34]

Die Begriffe »Partner« und »Partnerschaft« bezeichnen Beziehungen, die sich von anderen Formen der Begegnung oder punktueller Zusammenarbeit unterscheiden. Sie stehen im Kontext der weltweiten communio der Kirchen, verwirklichen diese exemplarisch und erweitern den ökumenischen Horizont von Kirchen, Gemeinden und
Werken. Damit wirken sie einer innerkirchlichen Provinzialisierung entgegen und fördern die weltweite Solidarität. Zu ihren Kennzeichen zählen »eine mehrjährige Perspektive der Beziehung, ein ganzheitliches Konzept [...], die Einbindung in oder Anbindung an offizielle Strukturen auf allen beteiligten Seiten«[35].

Von Partnerschaft wird seit der Weltmissionskonferenz in Whitby 1947 gesprochen.[36] Unter der Überschrift »Partnerschaft« wurden zunächst einzelne Bereiche der Zusammenarbeit wie Personalaustausch, Finanzhilfe oder Unterstützung in Bereichen von Verwaltung behandelt. Im Kontext einer »Theologie der Partnerschaft« gewannen jedoch zunehmend Aspekte »partnerschaftlicher Haltungen« an Bedeutung. Besonders betont wurde und wird die Bereitschaft zu ökumenischem Lernen, d. h. andere kulturelle Traditionen wertschätzend und achtsam wahrzunehmen und dabei die Begegnung mit denen auszuhalten, die uns fremd bleiben. Zu einem gleichberechtigten Dialog gehört es, sich selbst infrage stellen zu lassen sowie eine ökumenische Spiritualität zu entwickeln.[37] Von wachsender Bedeutung ist ein Verständnis, wonach eine gegenseitige, geregelte Rechenschaftspflicht (accountability) über gemeinsame Angelegenheiten zum verantwortungsvollen Umgang zwischen Partnern gehören soll.

Missionswerke und Kirchen haben aus langen Erfahrungen heraus Richtlinien für ihre Partnerschaftsarbeit entwickelt.[38] Sie sind an Langzeitbeziehungen ausgerichtet »und damit gewachsenen, geschwisterlichen Beziehungen ähnlich. Communio (fellowship) wird verstanden als langjährige Weggemeinschaft, als gestaltete, vertrauensvolle Gemeinschaft im geteilten Glauben, die sich auch in Krisenzeiten bewährt.«[39] Die Zahl der Partner ist eher klein, das Spektrum beidseitig interessierender Themen umfassend, gesammelte Erfahrungen rufen zum Dialog. Fragen der theologischen Begründung der Geschwisterschaft, von Zeugnis und Dienst und die gegenseitige Fürbitte stehen im Mittelpunkt. Bei konkreten Vorhaben werden Standards, Ziele und Zeiträume zur Umsetzung meist gemeinsam erarbeitet.

Auch für die Arbeit der Werke der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit ist Partnerschaft ein Schlüsselbegriff.[40] Ausgehend von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen und dem Einsatz für die geringsten Schwestern und Brüder wird die grund I egende Überzeugung abgeleitet, »dass ausgegrenzte und arme Menschen selbst aktiv werden können, um ihre Marginalisierung zu überwinden.«[41] Im Zentrum stehen Programme und Projekte mit konkreten Zielen, die in festgelegten Zeiträumen erreicht werden sollen. Die Vorhaben werden im Vorfeld geplant, im Verlauf konstant begleitet und nach der Beendigung ausgewertet. Dabei sollen möglichst hohe Professionalitätsstandards zur Anwendung kommen, um Qualität und Transparenz in Durchführung, Berichterstattung und Rechnungslegung zu erreichen. Auch zivilgesellschaftliche Gruppen, die außerhalb eines christlichen Rahmens agieren, gehören zu den Partnern;[42] in das ausgefächerte Partner-Spektrum werden konstant neue Organisationen aufgenommen. Eindeutige Differenzen über die Perspektiven einer Kooperation lösen problemorientierte Lernprozesse aus. Stellen sich die Unterschiede als unüberwindbar heraus, so ist die vorzeitige Beendigung einer (Projekt-)Partnerschaft möglich. Veränderungen der regionalen Kontexte der jeweiligen Partner führen dazu, die Partnerschaftsverständnisse gemeinsam kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Die in diesem Text genannten Akteure streben in ihrer Arbeit eine Partnerorientierung an. Denn es geht darum, die lokalen Gegenüber zu stärken, sie bei der Implementierung von Vorhaben und Programmen zu unterstützen und damit zu befähigen, ihren jeweiligen Auftrag zu erfüllen. Als Teile der weltweiten Christenheit agieren sie zum gegenseitigen Wohl, orientieren sich an wachsender Gleichberechtigung, um sich gegenseitig als ökumenisch Lernende zu stärken.

Partnerschaften sind deshalb auch wichtige Orte zivilgesellschaftlichen Engagements. In der Basisarbeit von Gemeinden und Gruppen tragen entsprechende Lernerfahrungen häufig zu einem verbindlichen Engagement bei, das vielfach in andere Bereiche kirchlichen Lebens hineinreicht.[43] Partnerschaftliche Weggemeinschaft verbindet die an ihr Beteiligten in der Sehnsucht danach, Menschen, Gemeinschaften und die Welt so zu verändern, dass Zeichen des Reiches Gottes und seiner Gerechtigkeit erkennbar werden.

Die Partnerschaftserfahrungen von Gemeinde- und Partnerschaftsgruppen sichern die Präsenz von ökumenischem und entwicklungspolitischem Engagement vor Ort. Sie fördern entwicklungspolitische Bewusstseinsbildung und interkulturelle Kompetenz. Gemeinsam gelebte Spiritualität bietet auch bei bleibender Verschiedenheit in den Ausdrucksformen des gemeinsamen Glaubens Möglichkeiten für eine tragende Partnerschaft. Nicht nur wegen der komplexen Aufgaben interkultureller Verständigung ist es nötig, Gemeindepartnerschafts-, Aktionsgruppen und andere entwicklungspolitische Akteure in ihrer Arbeit zu beraten und zu fördern. Zur Qualifizierung ihrer Aktivitäten halten sowohl Brot für die Welt wie die meisten Missionswerke Stellen und Arbeitsbereiche vor, um Möglichkeiten für vertieften Austausch zu bieten. Denn ohne Verbindlichkeit und Langfristigkeit, die ein ehrliches und offenes Miteinander begründen, das auch Fragen des wirtschaftlichen, sozialen, politischen oder kulturellen Gefälles in Gesellschaften und zwischen Partnern thematisiert, wird Weggemeinschaft oberflächlich bleiben. Eine-Welt-Arbeit und ökumenisch-missionarisches Engagement gehen deshalb einher mit politischer Bewusstseinsbildung.[44]

Ein weiteres Instrument partnerschaftlicher Zusammenarbeit ist die zwischenkirchliche Hilfe, der geschwisterliche Beistand für schwache, unterdrückte und vertriebene Schwesterkirchen im Programm Kirchen helfen Kirchen. Zwischenkirchliche Hilfe reagiert weltweit auf akute und strukturelle Nöte.

Manche Ungewissheiten liegen über den kommenden Entwicklungen der kirchlichen Partnerschaftsarbeit. So dünnt die Verantwortungsübernahme für diese Beziehungen durch die jüngere Generation aus, mitunter sind Abbrüche zu beobachten. Insgesamt gibt es einen Trend von langfristigen Beziehungen zu kurzfristigen thematischen Projekten. Der interkulturelle und spirituelle Austausch steht deutlich im Vordergrund. Es besteht die Sorge, dass bilaterale Länderbezüge weiter zurückgehen, denn die Herausforderungen sind für viele Partnerschaftsgruppen ähnlich, unabhängig davon, in welche Weltregion sich ihre Beziehungen erstrecken. Aktuelle individual- und sozialethische Themen und deren sehr unterschiedliche Beurteilung sorgen für Irritationen (z. B. Korruption oder der Umgang mit der Frage von Homosexualität und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Kirche und Gesellschaft). Bei vielen Partnern rückt der christlich-missionarische bzw. evangelisierende Auftrag unmittelbar in den Vordergrund. Unterschiedliche theologische Verständnisse auf diesem Feld sind nun deutlicher wahrnehmbar. Auch vor diesem Hintergrund ist der Trend zu begrüßen, dass Partnerschaften zunehmend auch zwischen mehreren Partnern gestaltet werden. Solche Offenheit schützt vor Exklusivität. Es bleibt eine wichtige Aufgabe der Partnerschaftsqualifizierungsprogramme von Missionswerken oder kirchlichen und anderen Entwicklungswerken, zu Partnerschaften zu ermutigen, zum Blick über den Tellerrand herauszufordern, Foren für den Austausch zu schaffen. Das Potenzial der Partnerschaftsgruppen ist weiterhin hoch und institutionalisierte Kooperation ist unerlässlich. Kirchliche Werke und Landeskirchen müssen durch ihre materielle oder ideelle Unterstützung der Partnerschaftsgruppen deutlich machen, dass alle ein gemeinsames Anliegen haben und daran jeder mit seinen spezifischen Gaben und Möglichkeiten arbeitet.

Eine große Herausforderung bleibt der Umgang mit Ungleichgewichten in der Partnerschaft: Akteure aus dem Norden erwarten von Partnern im Süden nicht selten institutionelle Reformen, um partnerschaftsfähig zu werden oder zu bleiben. Umgekehrt ist Vergleichbares nicht im Blick. Foren zur gemeinsamen Reflexion sollten ausgebaut werden, auch um zu klären, was ein communio-Verständnis von Partnerschaften im Blick auf die Überwindung der »Wir-Sie-Bipolaritäten« leisten kann. Als Selbstläufer ist partnerschaftliches Miteinander auf keiner Ebene denkbar.

Die Folgen der Globalisierung wirken sich im Süden und Norden unterschiedlich aus.[45] Auf den Foren weltweiter Kirchenbünde und Entwicklungszusammenschlüsse sind Rufe nach radikalen Veränderungen des Weltsystems ebenso zu hören wie wechselseitige Vorwürfe realitätsblinder Radikalität bzw. selbstzufriedener Veränderungsunwilligkeit. Es bleibt eine Herausforderung für Partner, diese unterschiedlichen Positionen auszuhalten, wenn Zerstörungen von Lebensgrundlagen in bestimmten Regionen der Erde ungebrochen voranschreiten.

Wenn aus dem Süden gefragt wird, was zur Überwindung unserer Nöte beigetragen werden könnte, treten nicht selten Formulierungsschwierigkeiten auf.[46] Mitunter wird auf »Spiritualität« oder »missionarische Begeisterung« verwiesen, die - anders als Geld - jedoch kaum in andere Kontexte zu transferieren sind. Es gehört zu den spannenden Fragen künftiger Gestaltung von Partnerschaften, ob es gelingen kann, einem seltsamen Verkehrsmodell entgegenzutreten: dass neben der wohl bleibenden materiellen Einbahnstraße gen Süden nun ergänzend Vorstellungen von einem immateriell-spirituellen Gegenverkehr nordwärts etabliert werden.[47]

Mögen sich mit dem Partnerschaftsbegriff auch unterschiedliche Konnotationen verbinden, so bleibt doch der über die unmittelbare Hilfe hinausgehende Ertrag der partnerschaftlichen Zusammenarbeit klar erkennbar: Partnerschaften sind »Einübung in den ökumenischen Welthorizont« und »Befreiung des christlichen Gewissens aus der parochialen Begrenzung«[48].

4.3.2 Projektarbeit im Rahmen von Partnerschaften

Wie bereits erwähnt, sind die Partnerorientierung und der Verzicht auf eigenes operationales Handeln vor Ort verbindende Elemente von Brot für die Welt und Missionswerken. Das gemeinsame Ziel sowie die geschichtlichen Entwicklungen insbesondere der jüngeren Zeit erklären auch teilweise Überschneidungen hinsichtlich der Projekte und Akteure in diesem Feld. Dabei sind Programme, umfassende Projekte und Einzelprojekte in den Blick zu nehmen, die auf unterschiedlichen Wegen finanziert werden können. Auch eine gemeinsame Förderung von Projekten ist grundsätzlich möglich. Zahlreiche Projekte und Programme dokumentieren gewachsene Arbeitsteilung und konkrete Kooperation in der Projektzusammenarbeit. Eine Auswahl soll hier exemplarisch vorgestellt werden:

  • Eine Kooperation im Bereich der Projektzusammenarbeit bestand seit 2001 zwischen EED und dem EMW in Bezug auf überregionale Partnerorganisationen und wird von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst fortgeführt. Die Förderung beinhaltet jedoch keine Bezuschussung des EMW selbst, sondern das EMW führt praktisch die Förderung der folgenden Programme durch: Afrikanischer Kirchenrat (All African Conference of Churches, AACC), Lateinamerikanischer Kirchenrat (Consejo Latinoamericano de Iglesias, CLAI), sowie die sogenannte Förderung ökumenischer Institutionen und Programme der theologischen Ausbildung.
  • In Bezug auf Afrika organisiert das EMW eine regelmäßige Abstimmungsrunde, in der die Missionswerke und Brot für die Welt vertreten sind. Es gibt Berührungen von Brot für die Welt und VEM in Zentralafrika, wo gleiche Kirchen als Partner bestehen, aber getrennte Projekte und regelmäßige Absprachen.[49] Im Blick auf die Organisation of African Instituted Churches fördert das EMW theologische Programmkomponenten, während Brot für die Welt Vorhaben der Ernährungssicherung unterstützt.
  • Auch in der Advocacy-Arbeit gibt es Kooperationen: So sind im Ökumenischen Netz Zentralafrika neben der VEM und Brot für die Welt noch Misereor und Missio sowie Pax Christi Mitglieder.
  • Ebenfalls eine Kooperation in der Advocacy-Arbeit ist die gemeinsame Förderung der Plattform Dalit-Solidarität in Deutschland (DSiD) durch derzeit acht Entwicklungsorganisationen und Missionswerke.
  • In Asien kann folgendes Beispiel die Projektzusammenarbeit veranschaulichen: Die inhaltliche Begleitung und finanzielle Förderung von Projekten der Amity Foundation (Sozialprojekte, Freiwilligenprogramme) in China ist gekennzeichnet von einer transparenten und engen Zusammenarbeit von Brot für die Welt und den Missionswerken.
  • Im Pazifik lassen sich exemplarisch folgende Projekte benennen: Bei PCC (Pacific Conference of Churches) und PTC (Pacific Theological Center) stellen Brot für die Welt Berater für OE-Prozesse und finanzieren gesellschaftsrelevante Themen (Klima, Migration etc.), während EMW und Missionswerke sich auf die Förderung der spezifisch ökumenisch-missionarischen Programme (z. B. Kommission Mission und Theologie im PCC) konzentrieren. Projektanträge werden von jeder Seite gegengelesen und dementsprechend Empfehlungen ausgesprochen.
  • Eine gute Kooperation zwischen Brot für die Welt und Missionswerken besteht bei einer ganzen Reihe von gemeinsamen Projekten im südlichen Pazifik, die vor allem durch die Verbindungsstelle in Papua-Neuguinea und die in der Region tätigen Missionswerke (MEW, LMW, ZMÖ) gemeinsam begleitet werden.
  • Die Evangelical Lutheran Church (ELC) von Papua-Neuguinea durchläuft seit zwei Jahren einen intensiven Organisationsentwicklungsprozess, der von externen Beratern, finanziert durch Brot für die Welt, intensiv begleitet wird. Im Vordergrund stehen die Themen Personalentwicklung, Finanzmanagement, Gesundheitsdienste und Landwirtschaftliche Projekte. Alle Projekte werden traditionell von den Missionswerken, organisiert mit der ELCA und der LCA im Lutheran Overseas Partners Committee, teilfinanziert und durch Fachpersonal vor Ort begleitet. Es gibt eine rege und transparente Kommunikation zwischen VeSt, Beratern und Missionswerken.
  • Exemplarisch für die Region des Mittleren Ostens kann die Arbeit der Talitha Kumi Secondary School in Beit Jala, einer angesehenen christlichen Schule, die in der Trägerschaft des Berliner Missionswerks (BMW) steht und von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst gefördert wird, genannt werden.
  • Bei den Johann-Ludwig-Schneller-Schulen in Jordanien und Libanon handelt es sich um Schulen und berufsbildende Einrichtungen der anglikanischen bzw. evangelischen Kirche mit angeschlossenem Internat und Werkstätten.
  • Auch im Bereich Kirchen helfen Kirchen (KhK) bestehen z. T. parallele Förderungen von Projekten. Dies gilt auch für die Förderbereich des LWB. Derzeit fördert KhK beispielsweise ein einjähriges Projekt der EMS in Syrien. Auch in Kuba plant KhK eine einmalige Förderung des Centro de Reflexion y Dialogo in Cardenas (CCRD) im Bereich theologischer Fortbildung. Das Berliner Missionswerk (BMW) übernimmt bei diesem Träger eine regelmäßige Förderung von kleineren Projekten. Brot für die Welt versucht derzeit mit den UEK-Kirchen als Hauptgebern, gemeinsam das Programm weiterzuentwickeln, sodass KhK als zusätzliches Instrument der Landeskirchen wahrgenommen und genutzt wird. Parallel dazu fördern die Mitgliedskirchen des LWB vergleichbare Projekte im weltweiten Kontext.
  • Das Team »Kirchlich-Theologische Stipendien« von Brot für die Welt hat beispielsweise mit dem EMS direkte Kooperationsprojekte: EMS finanziert bis heute einen Teil der Stipendien im ÖRK-Stipendienprogramm. Als »Gegenleistung« schickt EMS über Brot für die Welt Stipendiatinnen und Stipendiaten nach Beirut und Kyoto. Mit den Lutherischen Missionswerken bestehen im Bereich der Stipendienvergabe vergleichbare Verbindungen über das DNK/LWB.
  • Auch in der Inlandsförderung von Brot für die Welt profitieren die Missionswerke von der Kooperation. Darunter fallen beispielsweise sogenannte ÖDD-Stellen (Ökumenische Dienste in Deutschland), u. a. derzeit bei der Norddeutschen Mission, oder die Förderung von Langzeitfortbildungen im Bereich Ökumene für Nachwuchskräfte bei der VEM. Auch mit dem LMW findet punktuelle Zusammenarbeit bei den Partnerschaftsseminaren in Tansania statt.

Dieser Überblick zeigt ein weites Spektrum etablierter und erfolgreicher Kooperationsformen im institutionellen Rahmen. Diese Kooperationen sind auch für Gemeinden und Kirchenkreise von wachsender Bedeutung. Gleichwohl ist kirchliche und damit partnerschaftliche Projektarbeit nicht unkompliziert. Denn um Spendenmittel einzuwerben, muss in der Regel auf bestimmte Erwartungen von Spendern und Spenderinnen Rücksicht genommen werden. Zugleich sollte angemessene Informationsarbeit in der Partnerschaft so gestaltet werden, dass ungerechte Strukturen verstanden und eine respektvolle Haltung den Partnern gegenüber eingeübt wird.
Mit spendenbezogener Projektarbeit können ungewollt Haltungen zementiert werden, die durch Bildungsarbeit gerade verändert werden sollen. Um diese und andere Spannungen bearbeiten zu können, haben Brot für die Welt und Missionswerke verschiedene Instrumentarien entwickelt. So zielen z. B. unterstützende Fonds wie beispielsweise der Partnerschaftsprojektefonds von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst in unterschiedlicher Akzentuierung darauf, dass die Unterstützergruppen ihre Kooperation mit den Partnern im Süden auf eine tragfähige konzeptionelle Basis stellen, sofern dies noch nicht der Fall ist, und ihre Partnerschaft kritisch reflektieren und gegebenenfalls neu ausrichten. Für jedes Projekt wird von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst eine transparente Projektplanung und eine Abwicklung erwartet, die den Regeln einer deutschen kirchlichen Haushaltsordnung entsprechen. Beide Seiten einer Partnerschaft müssen definieren, welches Vorhaben sie gemeinsam angehen wollen, müssen ermitteln, wer was in das gemeinsame Projekt einbringen muss, damit es erfolgreich ist. Das schärft den Blick für die Möglichkeiten des Gegenübers, wechselseitige Überraschungen werden vorhersehbar. Das Ziel aller Beteiligten ist, dass die Spenden, die zum Teil mit viel Mühe akquiriert werden, professionell und effektiv eingesetzt werden.

4.3.3 Humanitäre Hilfe

Humanitäre Hilfe ist ein hoch spezialisiertes Handlungsfeld mit einer von der Entwicklungszusammenarbeit sehr unterschiedlichen Professionalität sowie einem sehr schnellen Reaktions- und hohen internationalen Abstimmungsbedarf. Zu Recht wird von der Öffentlichkeit ein höheres Maß an Koordination und von der Politik eine Limitierung der Akteure der humanitären Hilfe erwartet. Die weltweite Christenheit hat auf den Koordinierungsbedarf in den 1980er-Jahren mit der Gründung von Action by Churches Together (ACT) International als Instrument der ökumenischen Abstimmung und bedarfsgerechten Steuerung der Hilfsmittel und -maßnahmen reagiert. Die Diakonie Katastrophenhilfe (DKH) hat ACT mitgegründet und ist Mitglied bei ACT. Einzelne Missionswerke haben Beobachterstatus. Die meisten Partnerkirchen deutscher Missionswerke sind Mitglieder von ACT und können über ACT Finanzmittel erhalten, sofern sie in der Lage sind, der betroffenen Bevölkerung effektive Hilfe zu leisten.

Seit über 60 Jahren ist die DKH das Instrument der evangelischen Kirchen für die Bewältigung von Krisensituationen. Die DKH ist als eine spezialisierte professionelle Fachorganisation in der allgemeinen Öffentlichkeit, bei kirchlichen und politischen Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene gut eingeführt. Als Mitglied der ACT Alliance ist sie international vernetzt und leistet ihre Unterstützung in Abstimmung mit der weltweiten kirchlichen Gemeinschaft, auch für die Partnerkirchen der Kirchen in Deutschland, sofern sie anerkannte humanitäre Akteure sind. Die DKH informiert im Katastrophenfall Landeskirchen, Landesverbände der Diakonie und Missionswerke. Auf dem Spendenmarkt wirbt sie durch ein professionelles Fundraising Mittel für die Katastrophenhilfe der evangelischen Kirchen ein. Zugleich legen die Missionswerke und Landeskirchen Wert darauf, in Notsituationen selbst für die Partner aktiv zu werden; also nicht nur Spenden zu sammeln, sondern auch in Zusammenarbeit mit den Partnern konkrete Hilfe anzubieten.[50]

Es versteht sich von selbst, dass Alleingänge bei besonderen Notsituationen zu vermeiden sind. Aus diesem Grund ist es aus Sicht der DKH sinnvoll, dass ökumenische Unterstützung in Not- und Krisensituationen auch zukünftig generell über die DKH zentral organisiert wird. In der Regel sind viele Landeskirchen und diakonischen Werke dazu bereit, über ihre Informationswege für die Anliegen der DKH zu werben und diese zu unterstützen. Im Gegenzug unterstützt die DKH die Partner der Landeskirchen und Missionswerke in dem Maße, wie sie bedarfsgerechte Hilfe für die Betroffenen leisten. Auch in Zukunft wird in konkreten Notsituationen eine Klärung der Hilfsmaßnahmen zwischen den unterschiedlichen Akteuren im Raum der EKD notwendig sein, um Stärken zu nutzen und Dopplungen zu vermeiden.

4.3.4 Advocacy / Kampagnenarbeit

Das neue Werk Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst hat, abgeleitet aus seinem Mandat und den Grundlagendokumenten, auch den Auftrag zum anwalt- schaftlichen Handeln und zur Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse auf nationaler und internationaler Ebene. Der advokatorische Charakter (»Advocacy«) der Lobbyarbeit ist mit dem Charakter des Werkes vorgegeben. Lobbyarbeit erfolgt dabei nicht nur in der Aufnahme von konkreten Anliegen von Partnern aus aller Welt, sondern auch als Konsequenz aus der Beteiligung des Werkes an entwicklungsbezogenen kirchlichen, gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Prozessen sowie im eigenen institutionellen Interesse. Im neuen Werk wird darum die Verknüpfung zwischen internationaler Programmarbeit, der Lobby- und Advocacy-Arbeit in Deutschland und international sowie der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit gestärkt. Zugleich wird die Unterstützung der eigenen Lobbymaßnahmen der Partner in der finanziellen Förderung wichtiger. Darüber hinaus wird auch die Kooperation von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst und Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband innerhalb des EWDE zu Themen von globaler sozialpolitischer Bedeutung (z. B. Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, soziale Sicherheit, Migration) an Bedeutung gewinnen.

In der Kampagnen- und Lobbyarbeit der Missionswerke manifestiert sich christliche Solidarität als integraler Bestandteil von Mission. Im kontinuierlichen Gespräch mit Partnerkirchen und -Organisationen werden gemeinsam Themen identifiziert, die in ihrer Brisanz und Aktualität kirchliche, politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit und ein internationales Handeln verlangen. In Kooperation mit Aktionsbündnissen und Hilfswerken koordinieren die Missionswerke und ihre Partner nationale und internationale Kampagnen und Lobbyarbeit. Zu unterscheiden ist zwischen befristeten Aktionen (Ernährungskampagne, Landrechtkampagne etc.) und institutionalisierten Kampagnen (Klima-Allianz, Menschenrechte, Aktionsbündnis gegen AIDS etc.). Die inhaltliche Begleitung geschieht durch Partnerschaftskonsultationen und internationale Konferenzen. Unterstützt durch ein weites Netzwerk von kirchlichen Partnerschafts- und Solidaritätsgruppen transportieren Missionswerke die Themen auf unterschiedlichen kirchlichen und nichtkirchlichen Ebenen. Die Aufarbeitung (Informationsbroschüren, Gottesdienstentwürfe, pädagogisches Begleitmaterial etc.) erweist die Kampagnen- und Lobbyarbeit der Missionswerke als dezidierte Bildungsarbeit.

Gerade in der Kampagnenarbeit zeigen sich in den letzten Jahren Parallelen zwischen Missions- und Entwicklungsorganisationen sowohl hinsichtlich der Instrumente als auch in der Themenauswahl.[51] Wo die Ziele ähnlich sind, wäre es wünschenswert, wenn künftig die themenorientierte Kampagnenarbeit beider Organisationsstränge stärker aufeinander bezogen werden und engere Zusammenarbeit an thematischen Schnittstellen entstehen könnte.[52] Dabei fokussiert Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst vor allem bundesweite Kampagnen zusammen mit anderen Nichtregierungsorganisationen. Demgegenüber sind die Missionswerke stärker mit ihren internationalen Partner- oder Mitgliedskirchen aktiv, in Deutschland sind die Kampagnen schwerpunktmäßig auf die Regionen ihrer Trägerkirchen bezogen. Die gegenseitige Unterstützung in den fachlichen, personellen und auch finanziellen Möglichkeiten wird sich zu einer wichtigen Ressourcenfrage der Zukunft entwickeln. In der Bündelung von Ideen, Erfahrungen und unterschiedlichen Kompetenzen gerade in der Kampagnenarbeit könnte hohes Gewinnpotenzial für beide kirchlichen Arbeitsbereiche stecken.

Den Standortvorteil von Brot für die Welt durch die personelle Präsenz in Berlin und Brüssel und durch die fachliche Expertise des relativ großen, auf Lobby-Advocacy- Arbeit spezialisierten Stabs einerseits und der Missionswerke mit ihrer regionalen Verortung in den föderalen Bezügen andererseits gilt es hierbei fruchtbar für die Zusammenarbeit in unterschiedlichen Themenfeldern von gemeinsamem Interesse zu machen.

4.3.5 Bildungsarbeit

Die Weggemeinschaft der Kirchen in einer globalisierten Welt kann ohne die Bereitschaft, miteinander und voneinander zu lernen, nicht gelingen. Die neuzeitliche Missionsbewegung hat daher durch die Gründung von Schulen zur Bildung des ganzen Volkes Gottes beigetragen. Der hohe Rang der Schule entspricht nicht allein dem reformatorischen Erbe, sondern ergibt sich auch aus dem umfassenden Verständnis von Mission als einer Dimension des Kirche-Seins und aus dem Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit als einem Einsatz für die Weiterentwicklung von Kirchen und Zivilgesellschaften.

Die ökumenische Bewegung hat in ihren jüngeren Debatten daher nachdrücklich betont, dass der ökumenischen theologischen Bildungsarbeit für die Zukunft der Weltchristenheit eine Schlüsselrolle zukommt, wenn die Gemeinschaft der Kirchen die Aufgaben konsequent angehen will, die sich in Mission und Entwicklungszusammenarbeit stellen.[53] Wenn Kirchen mit den Entwicklungen in den sich rasch verändernden Informations- und Wissensgesellschaften kompetent, advokatorisch und transforma- torisch Schritt halten wollen, bedarf es verstärkter Bemühungen um Bildung, theologische Kompetenz und Weltwissen für ihre Geistlichen ebenso wie für Laien.

Die Studien- und Weiterbildungsprogramme von Kirchen, regionalen Kirchenräten, konfessionellen Weltbünden und dem ÖRK tragen daher nicht nur zur Qualifizierung für den kirchlichen und diatonischen Dienst bei. Sie stärken Kompetenz und Reflexionsfähigkeit im Blick auf die öffentliche Verantwortung der Kirchen und ihren Beitrag zu Entwicklung, Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung.[54] Dabei lassen sich die missionarische wie auch die entwicklungsbezogene Kompetenz der Kirchen nicht auseinanderdividieren. Aus diesem Grund bedarf es einer intensivierten Kooperation von Kirchen, Missions- und Entwicklungswerken im Bereich Leadership Training und Nachwuchsförderung.

Bildung befruchtet alle Ebenen kirchlichen Handelns: das Engagement jeder Kirche in ihrer Gesellschaft, die internationale Partnerschaftsarbeit von Gemeinden und Kirchenkreisen sowie die Zusammenarbeit von Missions- und Entwicklungswerken mit Kirchen, Aus- und Fortbildungsstätten von Partnern oder Nichtregierungsorganisationen in anderen Ländern. Partnerkirchen leisten durch Schulen und Fortbildungsangebote einen wichtigen Beitrag für die Zivilgesellschaft, und einige ihrer Ausbildungsstätten übernehmen solche Aufgaben für ganze Regionen. Missions- und Entwicklungswerke arbeiten eng mit entsprechenden Einrichtungen für eine Entwicklung ihrer Infrastruktur und ihrer Ausbildungsprogramme zusammen, damit sie den Anforderungen in einer Region entsprechend in der Lage sind, ökumenische Anliegen in ihre Curricula aufzunehmen.

4.3.6 Ökumenisches und globales Lernen

Ökumenisches Lernen berücksichtigt die kulturellen, kirchlich-konfessionellen, religiösen, politischen und wirtschaftlichen Kontexte, die Menschen bestimmen und trägt so zur Überwindung von Vorurteilen und Ausgrenzungsprozessen bei. Globales Lernen bedenkt die Verknüpfung von lokalen Kontexten und globalen Herausforderungen und bearbeitet die sozialen, ökologischen und ökonomischen Überlebensfragen der Menschheit, die im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung artikuliert worden sind. Um solches Lernen zu ermöglichen, werden aktuelle theologische und politische Herausforderungen mit internationalen Partnern diskutiert. Neue Methoden und das digitale Teilen von Wissensressourcen[55] reagieren auf veränderte Anforderungen wie das sich schnell wandelnde Wissen, die Notwendigkeit lebenslangen Lernens und die Ermöglichung des Zugangs zu Bildung für möglichst viele Menschen.

Eine der Lernerfahrungen auf diesem Feld betrifft das Verhältnis von Mission und Entwicklung bzw. grundsätzlicher formuliert: die Relation von Glaube, Verkündigung und Handeln. In den Dialogen mit den Partnern zeigt sich, wie stark kontextverhaftet die Zuordnungen sind, die jede Seite vornimmt. Über gemeinsame Reflexion zu verantwortetem Handeln zu gelangen, ist eine zentrale Kooperationsaufgabe der ökumenischen Bildung.

4.3.7 Akteure in ihren Profilen

Ein ökumenisches und global orientiertes Verständnis von Mission und Entwicklung umfasst notwendig entwicklungsbezogene Bildungsarbeit in Deutschland. Ehrenamtliche Mitarbeitende in Gemeinden, Pfarrer und Pfarrerinnen werden durch unterschiedliche Veranstaltungsformen von kirchlichen Stellen, Akademien, Missionswerken und den Entwicklungswerken fortgebildet. In den Missionswerken gibt es länderund themenspezifische Bildungsangebote für Gemeinden und Gruppen, um Kenntnisse über die jeweilige Partnerkirche bzw. das Partnerland zu vertiefen und das Bewusstsein für globale Zusammenhänge zu schärfen. In den ökumenischen Werkstätten haben nicht nur Konfirmanden und Jugendgruppen Gelegenheit, die Besonderheiten einer weltweit vernetzten Kirche zu entdecken. Der KED hat seinerseits verschiedene Instrumente für umfassende Bildungsprozesse etabliert.

Brot für die Welt unterstützt bildungsrelevante Aktivitäten von Initiativen, Gruppen und Gemeinden. Die Beratung von Eine-Welt-Läden, Anbietern von internationalen Kulturveranstaltungen und ökumenischen Thementagen und die Qualifizierung und Unterstützung von Multiplikatoren sind bewährte Instrumente, um diese Formen der Bildungsarbeit ständig zu verbessern und den jeweils gegebenen Herausforderungen anzupassen. Dies gilt natürlich genauso für den Medienbereich (Printmedien, Radio, Film) und die neuen Möglichkeiten in den sozialen Netzwerken. Lokal geschieht dies oft in Kooperation mit anderen Akteuren wie den Missionswerken oder Arbeitsstellen des KED.

Missionswerke ebenso wie Brot für die Welt bieten Bildungsmaterialien für Gemeinden und Schulen zu unterschiedlichen entwicklungsbezogenen Themen an. Das EMW macht durch seine Publikationen Einsichten und Debatten aus anderen Kontexten und Kirchen für hiesige Gemeinden und Kirchen zugänglich. Diese Materialien umfassen entwicklungspolitische Themen, greifen aber auch Einsichten aus der theologischen oder auf Spiritualität bezogenen Arbeit auf.

4.3.8 Ökumenisches Lernen global

Sowohl Kirchen als auch Missions-, Diaspora- und Entwicklungswerke bieten Stipendien an, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, im internationalen Kontext Erfahrungen zu sammeln und zu lernen. So kommen in jedem Jahr Studierende aus unseren Partnerkirchen und darüber hinaus nach Deutschland und deutsche Studierende verbringen Studienzeiten im internationalen Kontext.

Angebote für »Rückkehrende« aus den zahlreichen Freiwilligendiensten im Ausland befinden sich im Aufbau. Hier besteht die Aufgabe darin, junge Leute, die internationale Erfahrungen gesammelt haben, weiterhin zu begleiten und für ein Engagement im ökumenischen Horizont zu gewinnen.

Das Lernen an gemeinsamen Themen und die unmittelbare Begegnung mit anderen Glaubensdialekten verändern das Bewusstsein und stärken die Sensibilität für verantwortliches Handeln im weltweiten Kontext. Die Gegenwart von Menschen aus unterschiedlichen Ländern in Deutschland bietet Chancen und Herausforderungen für den eigenen Glauben, ein Lernen miteinander und für die ökumenische Gemeinschaft.[56]

Ein gutes Beispiel für eine entwicklungspolitische Bildungsarbeit in diesem Umfeld ist das Studienbegleitprogramm für ausländische Studierende (STuBe). Studierende aus aller Welt nutzen seit vielen Jahren das Angebot der Wochenendseminare, um Themen der Entwicklungszusammenarbeit zu bearbeiten und sich zu weiter zu vernetzen. Dabei zeigt sich, dass entwicklungspolitische Fragen oft in enger Weise mit Fragen kultureller Identität und religiöser Bindung oder dem eigenen Glaubensverständnis verknüpft sind.

Ökumene und entwicklungsbezogene Bildungsarbeit geschehen nicht nur mit Partnern in anderen Ländern, sondern auch mit Gemeinden anderer Sprache und Herkunft in Deutschland. Weltchristenheit beginnt vor der Haustür. Das gemeinsame theologische, spirituelle und entwicklungsbezogene Lernen etwa mit Leitern von solchen Gemeinden verzeichnet eine kontinuierliche Nachfrage.[57] In einigen Kirchen werden junge Erwachsene aus diesen Gemeinden in die Fortbildung für junge Menschen eingeladen.

Mit Sorge ist dagegen zu beobachten, dass Ökumene- und Missionskurse sowie entwicklungsbezogene Bildungsangebote im Kontext der universitären Ausbildung nach wie vor lediglich als ein »zusätzliches« Angebot zum eigentlich theologischen Kerncurriculum verstanden werden. Während die Kirchen im Bereich von weltmissionarischer Zusammenarbeit und entwicklungsorientiertem Engagement viele Ressourcen einsetzen, sind sie in den Bereichen von Vikarsausbildung und pastoraler Fortbildung, von Ausnahmen abgesehen, in einigen Landeskirchen aufgrund des Rückgangs von Mitteln, Kandidatinnen und Kanditaten oder der verdichteten Arbeitszeiten zum Teil bedenklich zurückgegangen.[58] In dem 2005 von der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft gemeinsam mit der Fachgruppe Missions- und Religionswissenschaft in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie veröffentlichten Grundsatzpapier »Missionswissenschaft als Interkulturelle Theologie und ihr Verhältnis zur Religionswissenschaft« wurde nicht nur die Assoziierung von Missionswissenschaft (MW) und Interkultureller Theologie (IT) gefestigt. Man trug ebenso »der Einsicht Rechnung, dass der Missionswissenschaft [...] vielfältige Aufgaben für das Ganze der Theologie zugewachsen« sind. Aufgrunddessen forderten die beiden akademischen Gremien eine Stärkung des Faches IT/MW als »eigenständige theologische Disziplin« in der ersten theologischen Ausbildungsphase. In einem erfreulichen ersten Schritt hat die EKD mit einem Ratsbeschluss 2012 die Argumentationslinie dieses Grundsatzpapiers und eines entsprechenden Beschlusses des Evangelisch-theologischen Fakultätentages aufgenommen, wonach »Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie« als »Nebenfach« fester Gegenstand des grundständigen Theologiestudiums für Pfarrer und Pfarrerinnen werden soll. Schließlich hat der Rat der EKD den Landeskirchen empfohlen, die Prüfungsordnungen dahingehend zu ändern, dass mindestens ein benoteter Schein zu einem interkulturell-theologischen Thema erworben werden muss und eine Themenstellung aus dem Gebiet der Ökumenik in kirchen- und theologiegeschichtlichen schriftlichen Prüfungen garantiert wird.[59] Eine entsprechende Umsetzung des Anliegens durch die Gemischte Kommission zur Reform des Theologiestudiums erscheint angesichts der wesentlichen Verknüpfungen kirchlichen Lebens und theologischer Ausbildung in Europa mit ihren weltweiten Analogformen höchst empfehlenswert, wenn nicht überfällig.

In diesem Zusammenhang sollte nicht zuletzt auch die Herausforderung gesehen werden, dass die Ausbildung für das Pfarramt an den deutschen Universitäten sich
bisher als eine sehr hohe Schwelle für Menschen mit Migrationshintergrund erwies. Dass ihnen der Zugang zum Pfarramt unserer Kirchen schwerfiel, hatte verschiedene Gründe: Zunächst wirkten sich die für die formale theologische Ausbildung sehr auf das deutsche Bildungssystem abgestimmten Eingangsvoraussetzungen hindernd auf ihr Zugehen zur Pfarrerausbildung aus.[60] Grundsätzlich aber schien auch eine lange und akademisch geprägte Ausbildung nicht ihrem Interesse an einer theologischen Ausbildung für die Leiter und Leiterinnen ihrer eigenen Kirchen bzw. Gemeinden zu entsprechen. Dies jedoch hat sich zu ändern begonnen, auch wenn solche Veränderungen noch reichlicher Brückenschläge im Bereich akademisch-theologischer Ausbildung für pastorale und andere kirchliche Dienste bedürfen. So besuchten in der jüngeren Vergangenheit bisweilen die angehenden oder schon bewährten Leitenden von Migrationsgemeinden eine der zahlreichen freien Ausbildungsstätten, vielfach mit evangelikaler oder pfingstcharismatischer Prägung, die in jüngerer Zeit akkreditiert wurden. Seit 2012 interessieren sie sich zunehmend für die Fachhochschule für Interkulturelle Theologie (FIT) Hermannsburg. Diese staatlich akkreditierte und von Landeskirchen getragene Fachhochschule bietet eine Ausbildung an, welche die Tradition kritischer protestantischer Theologien in einen Dialog mit pentekostalen und charismatischen Bewegungen bringt, da sie konsequent an einer Schnittstelle zwischen der Ausbildung an den evangelischen Fakultäten und den unterschiedlich geprägten Theologien Afrikas, Asiens und Lateinamerikas arbeitet und einen eigenständigen inhaltlichen und methodologischen Beitrag zur interkulturellen Begegnung und zur Integration leistet.

Die Vielfalt der theologischen Ausbildungsprogramme und die Unterschiede in deren Struktur machen jedenfalls eine enge Abstimmung notwendig, damit Aufgaben zugeordnet werden und Synergien möglich sind. So ist es im Bereich der Stipendienarbeit gelungen, unterschiedliche Programme sinnvoll aufeinander zu beziehen. Die internationale Vernetzung von ökumenischer theologischer Ausbildung im Dialog mit anderen Trägern und Anbietern anderer Kirchen und Werke weltweit muss aber weiter verbessert werden.[61]

4.3.9 Personaldienste Freiwilligenprogramme

Die internationalen Freiwilligendienste im evangelischen Raum bieten mit ihren unterschiedlichen Lernausrichtungen (entwicklungspolitisch, ökumenisch, diakonisch etc.) jungen Leuten Gelegenheiten, Erfahrungen in einem fremden Land, einer fremden Sprache und Kultur zu sammeln. Die meisten kehren reich an Erfahrungen und Einsichten zurück und können diese im Laufe ihres weiteren Lebensweges nutzen.

Brot für die Welt und die Missionswerke beteiligen sich - im Zusammenschluss eFeF - als Entsendeorganisationen am weltwärts-Freiwilligenprogrammm, dem entwicklungspolitischen Lernprogramm für junge Menschen. Partnerkirchen und -organisationen mit Einsatzfeldern unterschiedlicher thematischer Ausrichtung (z. B. Sozialprojekte im Kinder- und Jugendbereich, Umweltprojekte, Menschenrechtsprogramme) werden mit dem zeitlich befristeten Einsatz von Freiwilligen unterstützt. Insbesondere der Aspekt des gegenseitigen interkulturellen Lernens steht dabei im Vordergrund.

Leider ist die Zahl der jungen Leute, die aus den Partnerkirchen und -organisationen nach Deutschland kommen, noch deutlich geringer. Schon bestehende Süd-NordProgramme sollten deshalb ausgebaut werden. In den ersten Bemühungen dazu wird jedoch deutlich, dass für die Betreuung der aus Partnerkirchen und Ländern des sogenannten Globalen Südens nach Deutschland kommenden jungen Menschen eine qualifizierte Begleitung vorgesehen sein muss. Die Chance des interkulturellen Lernens, die in dem Freiwilligenjahr liegt, wird sinnvoll nur dann genutzt, wenn die interkulturellen Erfahrungen reflektiert und eingeordnet werden können.

Ökumenische Mitarbeitende

In vielen Landes- und Freikirchen sowie Missionswerken werden ökumenische Mitarbeitende eingeladen, um zeitlich befristet in deutschen Gemeinden zu leben und zu arbeiten. Meist handelt es sich um Vikare und Vikarinnen bzw. Pastoren und Pastorinnen, die im Gemeindedienst oder in ökumenischen Werkstätten und Bildungseinrichtungen tätig sein sollen. Vermehrt werden aber auch Personalstellen in Werken und Einrichtungen mit Mitarbeitenden aus den Partnerkirchen besetzt. Die Internationalisierung der Mitarbeiterschaft ermöglicht beidseitig interkulturelles Lernen sowie neue Formen kollegialer Beziehungen. Die Partnerkirche gewinnt dadurch ein Gesicht und neue Formen der Beschäftigung mit weltweiten Themen werden möglich. Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst fördert im Rahmen seiner Inlandsförderung Stellen des ÖDD.

Auf Antrag einer Partnerkirche entsenden Missionswerke und Landeskirchen ökumenische Mitarbeitende mit einem besonderen Auftrag. Dies gilt für Theologen und Theologinnen, die z. B. in der theologischen Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden. Ärzte und Ärztinnen sowie medizinisches Personal mit besonderen Kompetenzen werden dort gebraucht, wo Partnerkirchen im Rahmen eines ganzheitlichen Dienstes Gesundheitsdienste vorhalten. Hierbei gibt es regelmäßige Kooperationen mit Brot für die Welt. Mitarbeitende mit professioneller Kompetenz in entwicklungsbezogenen Diensten werden in der Beratung und Begleitung lokaler Aktivitäten eingesetzt. Der Entsendung geht eine intensive und individuelle Vorbereitungszeit durch die Missionswerke voraus. Brot für die Welt und die DKH entsenden darüber hinaus Mitarbeitende in regionale Büros.

Mit Gründung von Dienste in Übersee vor über 50 Jahren engagieren sich die Kirchen stark für die personelle Unterstützung von Partnerorganisationen im Globalen Süden. Dieser Personaldienst ist nun in Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst übergegangen. Auf Antrag von Partnerorganisationen sucht er qualifiziertes Fachpersonal, wählt es aus und bereitet es individuell auf den Einsatz vor. Als einer von sieben anerkannten Trägern des Entwicklungsdienstes kann Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst über seine Tochtergesellschaft Dienste in Übersee gemeinnützige GmbH das Entwicklungshelfergesetz anwenden und dadurch die aus der EU stammenden Fachkräfte und ihre Familien ausreichend absichern. Davon profitieren im Amtshilfeverfahren auch die Missionswerke und andere Kooperationspartner. Die Personalvermittlung ist heute längst nicht mehr auf Personen aus Deutschland und Europa begrenzt. Im Rahmen eines Süd-Süd-Austausches kann geeignetes Personal in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden.

Die Erfahrungen zeigen, dass es keineswegs leicht ist, sich in einer fremden Kultur zu verwurzeln. Das gilt sowohl im Süden als auch im Norden. Die Schwierigkeiten beim Erlernen fremder Sprachen, interkulturelle Missverständnisse und enttäuschte Erwartungen gehören zum Wagnischarakter dieser Aufenthalte im jeweils fremden Kontext. Deshalb sind alle Anstrengungen darauf zu richten, in der Vorbereitung, während des Aufenthalts und nach der Rückkehr Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Zuwachs an ökumenischer und interkultureller Kompetenz ermöglichen und nach der Rückkehr sichern.

Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst bietet mit seinem Re-Integrati- onsprogramm auch den Alumni eine gute Unterstützung, die nach einem Studien- und Arbeitsaufenthalt in Deutschland ihre erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in entwicklungsbezogene Projekte in ihren Heimatländern einbringen möchten. Neben finanziellen und versicherungstechnischen Leistungen ist auch hier die individuelle Vorbereitung und damit auch die persönliche Auswertung ihrer Zeit in Deutschland ein wichtiger Programmbaustein.

Die EKD entsendet Pastoren und Pastorinnen in deutschsprachige Gemeinden im Ausland. Hier bringen sie sich in die jeweilige Partnerkirche im Gastland und in die ökumenischen Netzwerke (z. B. Nationale Kirchenräte) vor Ort ein. Sie üben häufig eine Brückenfunktion zwischen der EKD und dem kirchlichen Kontext des jeweiligen Gastlandes aus.

Die Mitarbeitenden eignen sich während der Entsendungszeit im Ausland ökumenische Kompetenzen an, die später den Landeskirchen zugutekommen können. Dazu bedarf es allerdings einer gut abgestimmten Personalpolitik und der Profilierung von Stellen auch im Raum der Landeskirchen.

Mitarbeitende von Missionswerken und Brot für die Welt im In- und Ausland brauchen neben der professionellen eine besondere Kompetenz in religiösen, kulturellen und entwicklungspolitischen Fragen. Sie sind mit kirchlichen Partnern im weltweiten Kontext im Gespräch, repräsentieren Kirche, Diakonie und Mission und treffen weitreichende Entscheidungen. Eine solche Qualifizierung für den kirchlichen Kontext wird von Theologen und Theologinnen und anders qualifizierten Fachkräften bei Brot für die Welt verantwortet. Das Kirchenamt der EKD und die entsendenden Missionswerke bieten ihrerseits entsprechende Fortbildungen und Vorbereitungskurse an. Die Missionswerke haben besondere Erfahrungen in den Bereichen theologischer Aus- und Weiterbildung und kennen kirchliche Strukturen und Netzwerke; in Fragen des interreligiösen Dialogs bringen sie ebenfalls zunehmend Erfahrungen mit.

Auf diese Weise könnten vorhandene Kompetenzen genutzt werden und gemeinsame Fragestellungen und Herausforderungen bearbeitet werden. Diese Aufgaben könnten zukünftig in Zusammenarbeit zwischen EMW/Missionswerken und Brot für die Welt organisiert werden.

EKD-Text 125 (pdf)

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