Einverständnis mit der Schöpfung

Anhang: 1. Orientierung über den Sachstand

Die nachstehende Aufarbeitung der biowissenschaftlichen Voraussetzungen knüpft an die "Orientierung über den Sachstand" von 1991 (s.o. S. 15-28) an. Daher werden vordringlich wissenschaftliche und technische Entwicklungen behandelt, die seit 1991 stattgefunden haben.

Um eine bessere Anschlußmöglichkeit für die Behandlung der "policy"-Felder Kennzeichnung neuartiger Lebensmittel, Patentierung biotechnologischer Erfindungen und Biologische Sicherheit zu gewährleisten, wird dieses Kapitel nicht nach Gegenstandsbereichen (Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere), sondern nach "Grundlagen", "Methoden", "Anwendungen" und "Probleme" gegliedert.

1.1 Grundlagen

Wie die klassische Biotechnologie zielt auch die Gentechnik, eine zunächst an Mikroorganismen entwickelte, aus der Biochemie am Erbgut, der Molekularbiologie, hervorgegangenen Sparte der Biotechnologie, auf die gerichtete Veränderung und Anwendung lebender Organismen, Organismusteile sowie biogener Wirkstoffe, um bestimmte Leistungen oder Materialien hervorzubringen. Wie diese wird sie daher zur Produktsynthese und -zersetzung, Rohstoffgewinnung, Qualitätsverbesserung sowie zur Lösung pharmazeutischer, medizinischer und agrarischer Probleme eingesetzt. Im Gegensatz zu den formalen (klassisch) genetischen Verfahren fußt die Gentechnik auf den molekularen Grundlagen des Erbgutes, der DNA. Die Gentechnik gestattet es nun, nicht nur ganze Genome, sondern auch ganz bestimmte Eigenschaften, losgelöst vom Restgenom, zu verwenden und sogar aus einer Spezies in eine andere zu übertragen. Mit ihrer Hilfe, aber nicht nur durch sie allein, lassen sich neben diesem die Artgrenzen überschreitenden Genaustausch auch Beschränkungen für genetische Neukombinationen weitgehend aufheben. Dies ermöglicht es, Organismen mit Fähigkeiten auszustatten, die sie vorher nicht hatten, d.h. vererbbare Information zu entwerfen, ohne daß ältere, verwandte Vorläufer vorhanden gewesen sein müssen. Gentechnik erlaubt damit, ingenieursmäßig zu arbeiten. Da sich die Entwicklung dieser Technologie erst in den Anfängen befindet, sind die Perspektiven, die sich daraus ergeben, derzeit nicht in allen Konsequenzen zu überschauen. Sie betreffen nicht nur produzierende Wirtschaftszweige und das Gesundheitswesen, sondern beispielsweise auch den Umweltschutz. Auch bei zurückhaltender Einschätzung darf heute jedoch davon ausgegangen werden, daß die Gentechnik eine markante Wirkung in diesen Bereichen hervorrufen wird.

Der Weg von den Grundlagen der Molekularbiologie zur Anwendung in der Gentechnik war gekoppelt an die Entwicklung leistungsfähiger biochemischer, physikalischer und biophysikalischer Methoden, einschließlich eines hohen Grades an Automatisation. Im Verlaufe der vergangenen zwei Jahrzehnte wurde eine für alle Organismengruppen weitgehend einheitliche Methodik so weit entwickelt, daß man sich stärker praxisorientierten Problemstellungen zuwenden konnte. Die Handhabung der DNA bereitet heute kaum noch Schwierigkeiten. Dies betrifft ihre Isolation selbst, aber auch die Isolation und Wiedereinführung von definierten - natürlichen oder geänderten - Erbanlagen in andere Organismen. Die Sequenzierung ganzer Genome, das angestrebte Ziel der Genomanalyse, gestattet die Erfassung genetischer Gesamtpotentiale von Organismen. Sie ist Voraussetzung für ihre ganzheitliche funktionelle Analyse. Sequenzen ganzer Genome sind heute in der Größenordnung von bis zu 3 Millionen Bausteinen (Nukleotide) von mehreren Bakterien, aber auch von der Hefe (13,6 Millionen Nukleotide) bekannt. Unter den zahlreichen Hilfsmitteln, die die molekulare Bearbeitung des Erbgutes ermöglichen, sind vorrangig Restriktionsenzyme und Ligasen zu nennen, die die DNA im Reagenzglas an definierten, wiederholt vorkommenden Sequenzmotiven zu schneiden und damit gezielt zu zerlegen bzw. geeignete DNA-Stücke zu verknüpfen vermögen. Das entscheidend Neue dabei ist die Möglichkeit, daß DNA-Stücke auch völlig unterschiedlicher Organismen in vitro vereint (um- oder rekombiniert) und diese genetischen Informationen wieder in Organismen eingebracht werden können, um gewünschte Eigenschaften hervorzubringen.

Mit Hilfe des verfügbaren methodischen Repertoires ist es heute im Prinzip möglich, aus jedem Organismus

  • jede beliebige Erbanlage zu isolieren,
  • sie rein darzustellen,
  • zu charakterisieren,
  • gezielt zu zerlegen,
  • neue Kombinationen (neukombinierte Nukleinsäuren) zu bilden,
  • Nukleinsäure in vitro zu mutieren,
  • Erbanlagen, auch neukombinierte, wieder in Empfängerorganismen einzubringen (s.u. S. 108) und zwar vererbbar, ggf. in neuer, nicht natürlicher Umgebung (Artbarriere),
  • sie dort zu vermehren (molekulare Klonierung, s.u. S. 108f.),
  • zur Funktion zu bringen und
  • ihre Expression zu analysieren.

1.2 Methoden

Die zahlreichen molekulargenetischen Methoden zur Genomanalyse bieten ein weites Anwendungsspektrum von Mikroben über pflanzliche und tierische Organismen bis in den Humanbereich. Dabei werden gentechnische Verfahren entweder zur Identifizierung von Erbanlagen oder zur Veränderung der bestehenden Genausstattung eingesetzt.

1.2.1 Molekulare Marker- und Megabasentechniken

Bei der molekularen Gendiagnostik werden vorrangig Genome oder Genomteile charakterisiert und auf vorteilhafte wie nachteilige Genvarianten hin analysiert. Durch die Basenfolge der DNA, die DNA-Sequenz, ist bekanntlich die genetische Information eines jeden Organismus festgelegt. Diese Basenfolge ist nicht nur verschieden zwischen Angehörigen verschiedener Arten, sondern in der Regel auch zwischen Individuen der gleichen Art. Gentechnische Verfahren sind in der Lage, solche minimalen Unterschiede nachzuweisen. Man spricht auch vom "genetic fingerprinting", also einer Art Fingerabdruck im Genom eines Individuums. Zu diesen Verfahren gehört die Analyse des Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus (RFLP). Es ist inzwischen ein Routineverfahren bei Untersuchungen von genetischen Fragestellungen bei Pflanzen, Tieren und Menschen. Es kann aber auch zur Identifizierung von Bakterien eingesetzt werden. Die Methode beruht auf der Eigenschaft der Restriktionsenzyme, die DNA eines Gesamtgenoms in eine große Anzahl definierter Stücke zu zerlegen. Die lokal im Genom verschiedener Individuen vorkommenden Sequenzveränderungen verändern die Schnittstellen von Restriktionsenzymen und damit die DNA-Fragmentgröße.

Da diese Fragmentvarianz vererbbar ist, kann sie in einem Kreuzungsexperiment im Genom kartiert und mit einer Erbanlage genetisch gekoppelt werden. Von den meisten Nutzorganismen existieren bereits hochauflösende Markerkarten, d.h. Marker für praktisch jeden Bereich eines Genoms. Die Markertechnik dient weiterhin zur Lokalisation von Genen in Genomen und zu deren Isolation. Mit ihrer Hilfe wurde es erstmals auch möglich, komplexe Entwicklungsprozesse in einzelne Gene zu zerlegen und ihr jeweiliges Ausmaß auf die Ausprägung eines Merkmals, sogar in Abhängigkeit von Umweltbedingungen zu erfassen ("quantitative trait loci": QTL-Analyse). Dieses Verfahren spielt bei der Untersuchung leistungswichtiger Merkmale bei Pflanzen und Tieren eine ausschlaggebende Rolle. Die molekulare Markertechnik zeichnet sich durch eine außerordentlich hohe Verläßlichkeit aus.

Im Verlaufe des letzten Jahrzehnts wurden weitere Verfahren wie die sog. Megabasentechniken entwickelt, durch die sehr große, mechanisch allerdings sehr fragile DNA-Stücke (bis zu einer Million Nukleotide und mehr) handhabbar wurden und die daher umfassenden Zugang selbst zu den größten und daher am schwierigsten zugänglichen Genomen höherer Organismen gewähren. Sie bilden eine wesentliche Voraussetzung für eine umfassende molekulare Analyse von Genomen, für deren Sequenzierung, Bestimmung des Gesamtgengehalts und komplexe Expressionsmuster.

1.2.2 Gentransfer, Transformation

Als 'Gentransfer' wird die Übertragung von in vitro rekombinierter DNA in Zellen bezeichnet. Auf diese Weise wird erreicht, daß Zellen bzw. Individuen das "Transgen" (meist) in erblicher Form enthalten.

Es gibt mittlerweile ein recht umfangreiches Repertoire an Methoden, Gene in Organismen zu übertragen und Organismen damit gentechnisch zu verändern, d.h. zu transformieren. Gängig sind Verfahren, die die Aufnahme der DNA durch Störung der Hüllmembranen der Zellen entweder aufgrund von Salzbehandlung, Behandlung mit fettartigen Stoffen oder Depolarisation im elektrischen Feld ermöglichen, aber auch Verfahren, durch die DNA-Stücke (Gene) über Mikroinjektion mit feinen Glaskapillaren direkt in die Zellen gebracht bzw. durch mit DNA beladenen Gold- oder Wolframpartikeln in die Zellen eingeschossen werden ("particle gun"-Technik). Eine Transformation kann mit oder ohne Vektor durchgeführt werden. Als 'Vektor' bezeichnet man ein DNA-Stück (Plasmid oder Teil eines Virus), das im "Wirt" mit Hilfe von dessen Enzymen für seine eigene Vermehrung (Replikation) sorgt. Ein Vektor kann mit üblicher Technik mit einem zu transferierenden DNA-Stück (Gen) verknüpft und sozusagen als "Lokomotive" für den Gentransfer benutzt werden. Ein Transgen kann entweder in das Genom des Wirtes integriert werden oder als separates Element (z.B. Plasmid) vorliegen.

1.2.3 Das Klonieren

Der Begriff des Klonierens oder Klonens wird in der Biologie auf zweierlei Weise gebraucht. Man unterscheidet das molekulare Klonieren vom Klonieren von Organismen. Unter einem 'Klon' versteht man in beiden Fällen genetisch identische Produkte, im ersten Fall ein genetisch identisches DNA-Molekül, im zweiten einen genomidentischen, d.h. erbgleichen Organismus. Bei Mikroorganismen, Pflanzen und einigen Tieren ist eine Klonierung als vegetative, d.h. ungeschlechtliche Vermehrung möglich. Höhere Pflanzen besitzen die Fähigkeit, aus einem abgetrennten Gewebeteil oder selbst aus einer einzelnen Körperzelle wieder einen ganzen Organismus zu regenerieren. Zellen oder Gewebeteile, die sich zu einem intakten Organismus entwickeln können, werden toti- oder omnipotent genannt.

Bei der Klonierung von Säugetieren handelt es sich um ein zellbiologisches Verfahren. Bei der Methode des Embryonensplittings (s.o. S. 25) gelingt es, Embryonen bis zum 32-64-Zell-Stadium zu teilen und so identische Tiere zu erzeugen. Darüber hinaus kann auch eine Kerntransplantation durchgeführt werden. Hierbei werden aus Embryonen der Größe bis etwa zum 32-Zell-Stadium mikrochirurgisch einzelne Zellen entnommen und deren Kerne in Eizellen eingebracht. Aufsehen errregte Anfang 1997 der Bericht über die Übertragung eines Zellkerns aus einer Euterzelle eines Schafes in eine entkernte Eizelle eines anderen Schafes, aus der sich "Schaf Dolly" entwickelte. Bisher war man davon ausgegangen, daß ausdifferenzierte Körperzellen nicht in totipotente Zellen umgewandelt werden können. Sollte dies mit Hilfe dieser neuen Methode möglich werden, so böte eine Kombination aus Kerntransplantation und der gentechnischen Veränderung von Säugetieren neue Perspektiven für die Herstellung transgener Tiere.

Klone sind wegen ihrer Reinerbigkeit von großer Bedeutung für die Grundlagenforschung und die Pflanzenzüchtung. Während bei Pflanzen die technischen Voraussetzungen für eine praktische Anwendung ausreichen, sind bei Tieren noch weitere methodische Entwicklungen erforderlich.

1.3 Anwendungen

Nachfolgend werden wichtige Anwendungsgebiete gentechnischer Verfahren genannt. Dabei wird auf die Darstellung der mit der Anwendung solcher Verfahren stets verbundenen Probleme an dieser Stelle verzichtet. Auf diese wird in dem Abschnitt 1.4 sowie in den Kapiteln 3, 4 und 5 eingegangen.

1.3.1 Molekulare Gendiagnostik

Der Besitz einer individuellen DNA-Sequenz kennzeichnet einen Mikroorganismus, ein Tier oder eine Pflanze und erlaubt deren Unterscheidung gegenüber anderen Individuen. Daher können die auf Fragmentvarianz beruhenden Markertechniken mittlerweile in großem Maßstab als diagnostisches Mittel in Züchtung, Medizin und im Lebensmittelsektor genutzt werden. So ist z.B. eine Kontrolle der unzulässigen Verwendung von rechtlich geschützten Mikroorganismen oder Pflanzen möglich. Im Bereich der Tierzucht gestattet die Genomcharakterisierung (z.B. "genetic fingerprinting") eine Prüfung der Rassen- und Artzugehörigkeit sowie z.B. die Kontrolle eines Viehdiebstahls.

Für Schweine kann eine Genvariante in der DNA nachgewiesen werden, die sehr verbreitet war und als Defekt bei den betroffenen Tieren maßgeblich zur Streßempfindlichkeit und zu Fleischqualitätsmängeln führt. Analog dazu ließ sich der zunächst symptomlose Befall von Kartoffelsaatgut mit Viren erfassen und die Durchseuchung beheben.

Marker dienen in der Lebensmittelüberwachung als Nachweis dafür, von welchen Tierarten die Rohstoffe in den angebotenen Wurstwaren stammen oder welche Pflanzen in Lebensmitteln oder Drogen verarbeitet worden waren. Bei Menschen können Markertechniken ebenfalls eingesetzt werden, z.B. Verwandtschaftsanalyse und forensische Medizin.

1.3.2 Verwendung transgener Pflanzen und Tiere

Bei Pflanzen liegen die Eingriffe überwiegend bei Herbizidresistenzen (s.o. S. 24f.); weiterhin erfolgt der Einbau von Resistenzgenen gegen Schaderreger (Viren, Bakterien und Pilze) und Fraßschädlinge. Relevante Gene werden aus natürlichen Quellen gewonnen. Als solche Quelle kann die Wildart, eine Variante, Linie oder Rasse des gleichen Organismus, dienen, aber auch ein artfremder Organismus, dessen zu übertragende Erbanlage dann der neuen genetischen Umgebung (gentechnisch) angepaßt werden muß.

Erforscht werden außerdem Möglichkeiten zur Erzielung einer besseren Qualität (Reifezeitpunkt, Stabilität, Stoß- oder Druckfestigkeit).

Bei der sog. "Flavr Savr"-Tomate wurde gentechnisch ein Gen blockiert, dessen Genprodukt für den Abbau der Zellwände und damit für das Weichwerden der Früchte verantwortlich ist. Die Tomaten sollen länger am Strauch reifen und daher ein besseres Aroma besitzen. Die Tomate wurde 1994 in den USA zum Verzehr freigegeben, konnte sich jedoch am Markt nicht durchsetzen.

Noch im Bereich der Grundlagenforschung befindet sich die mögliche Anpassung von Pflanzen an Umwelteinflüsse (z.B. Trockenheit und Kälte). Ein weiteres mögliches Anwendungsfeld stellt die Produktion nachwachsender Rohstoffe mit Hilfe transgener Pflanzen dar.

Beispiele, die Pflanze als "Bioreaktor" zu nutzen, finden sich in "maßgeschneiderten" Inhaltsstoffen mit einer geänderten Fettzusammensetzung beim sog. Industrieraps, in Kartoffelsorten mit genetisch kontrolliert unterschiedlicher Stärkezusammensetzung für die verarbeitende Industrie oder in der Verbesserung der Reserveproteine von Getreiden und Leguminosen.

Das Beispiel einer transgenen Sojabohne, in die ein Gen für ein Protein aus der Paranuß eingefügt wurde, das Allergien auslöste, illustriert, daß selbst auf den ersten Blick unbedenklich erscheinende Produkte von Transgenen zu erheblichen Auswirkungen führen können. Auch ein anderes Beispiel belegt die Notwendigkeit eingehender Untersuchungen und Risikoanalysen hinsichtlich der Auswirkungen auf Gesundheit, Natur und Umwelt, vollends wenn es an Erfahrungswissen mangelt. Bei der Herstellung von Tryptophan für medizinische Zwecke wurde das mikrobiologische Produktionsverfahren auf einen gentechnisch veränderten Organismus umgestellt. Dies führte zwar zu höherer Tryptophanausbeute, aber auch zur Anreicherung geringer Mengen an Verunreinigung mit gravierenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Patienten.

Transgene Tiere finden hauptsächlich in der medizinischen Grundlagenforschung Anwendung (z.B. Krankheitsmodelle, s.o. S. 26f.). Forschungen zur Erzeugung transgener Nutztiere konzentrieren sich auf drei Hauptbereiche: die Erhöhung der Produktivität durch Wachstumsbeschleunigung und/oder effektivere Futterverwertung, die Stabilisierung der Tiergesundheit durch zusätzliche Resistenzgene und die Gewinnung pharmazeutisch wirksamer Proteine über die Milch transgener Tiere. Letzteres wird auch als 'Gene-', 'Molecular-' oder 'Drug-Pharming' bezeichnet und ist am weitesten fortgeschritten.

So befinden sich der menschliche Blutfaktor Antithrombin III aus der Milch transgener Ziegen und der Stoff alpha-1-Antitrypsin aus der Milch von Schafen in verschiedenen Stufen der medizinischen Prüfung.

Ein Beispiel transgener Tiere für den Einsatz in der Humanmedizin sind Schweine mit menschlichen Genen, die es ermöglichen sollen, daß Organe von Schweinen auf Menschen übertragen werden können. Diese sog. Xenotransplantation befindet sich noch im Stadium der Grundlagenforschung. Neben den Problemen, die das komplexe Immunsystem des Menschen darstellt, sind die Risiken einer Krankheitsübertragung vom Tier auf den Menschen noch nicht genügend erforscht.

1.3.3 Verbesserung der Tiergesundheit

Tierkrankheiten können für Bevölkerungsgruppen, die im wesentlichen von der Viehhaltung leben, wirtschaftliche Härten bedeuten. Sie verursachen aber auch Schmerzen und Leiden für die Tiere. Daneben besteht ein Risiko für die menschliche Gesundheit, wenn Krankheiten von Tieren auf Menschen übertragbar sind, tierische Produkte mit krankmachenden Organismen oder Viren behaftet sind sowie Rückstände aus der Krankheitsbehandlung oder den Krankheitsprozessen vorkommen. Die Bovine Spongiforme Encephalopathie (BSE) liefert ein gutes Beispiel für die unvorhersehbaren Gefahren. Biotechnische Verfahren werden sowohl bei der Bekämpfung von Tierkrankheiten als auch zur Überwachung der Tiergesundheit eingesetzt.

Bei der Produktion von Diagnostika, wie hochspezifischen Antikörpern und DNA-Sonden, spielt der sichere und differenzierte Nachweis kleinster Mengen infizierenden Materials in den betroffenen Tieren oder deren Ausscheidungen eine entscheidende Rolle. Derartige hochempfindliche Verfahren können vor allem mit den neuen Methoden der Gentechnik bereitgestellt werden, wie bereits viele Beispiele im Tierbereich beweisen. So gewinnt die Analyse der Nukleinsäure-Sequenzen von Viren für den Nachweis von Seuchen eine zentrale Bedeutung.

Ein weiterer Bereich für den Einsatz biotechnischer Methoden besteht in der Herstellung neuer Impfstoffe für die Krankheitsvorbeugung.

Gentechnisch ist es möglich, sehr gezielt wirksame Untereinheiten der krankmachenden Mikroben für die Herstellung von Impfstoffen zu verwenden, die zwar die Immunabwehr der Tiere stärken, aber nicht mehr krankmachend sind. Ein erster Untereinheiten-Impfstoff wurde in Deutschland 1993 gegen die Aujeszkische Krankheit beim Schwein in den Verkehr gebracht.

Inzwischen gibt es mehrere gentechnisch hergestellte Impfstoffe zur Bekämpfung von Tierkrankheiten. Dazu gehören auch die neuartigen Möglichkeiten der Biotechnologie, Impfstoffe mit gezielter Wirkung gegen Infektionsstadien von Parasiten herstellen zu können. Weitere Entwicklungen betreffen die Injektion von DNA-Fragmenten, die dann im Tier zur Expression von Proteinen der krankmachenden Organismen führen und auf diese Weise eine Immunisierung bewirken (Gen- oder DNA-Immunisierung).

Ein dritter Anwendungsbereich der Gentechnik für die Tiergesundheit ist die gentechnische Veränderung von Mikroorganismen zur Herstellung therapeutischer Wirkstoffe.

So ist zu erwarten, daß zusätzliche Antibiotika gegen Bakterien entwickelt werden. Beispielsweise gelang es mit gentechnischen Verfahren bereits, wirksame Mittel zur Behandlung äußerer und innerer Parasiten bei Haustieren zu erzeugen. Zur Behandlung der Kälberruhr stehen spezifische Antikörper zur Verfügung, und man arbeitet mit ähnlichen Mitteln gegen Milchdrüsenerkrankungen bei Rindern.

1.3.4 Herstellung leistungsfördernder Substanzen

Außerhalb des Tierkörpers hergestellte "Leistungsförderer" umfassen sehr verschiedene Substanzen wie Hormone und Antibiotika. Ein Beispiel dafür ist das Wachstumshormon, das in gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wird. Nach Verabreichung an Nutztiere sollen u.a. die Milchleistung und Schlachtkörperzusammensetzung verbessert werden. Behandlungen mit gentechnisch hergestelltem Rinderwachstumshormon, dem bovinen Somatotropin (bST), führten bei einigen Kühen zu erhöhter Milchleistung. Es traten aber auch vermehrte Gesundheitsprobleme, insbesondere Eutererkrankungen, auf. Der Einsatz von bovinem Somatotropin ist in Westeuropa bisher nicht erlaubt.

Die Ausgaben für Futtermittel sind ein wesentlicher Kostenfaktor für die Erzeugung tierischer Produkte. Daher gewinnt die Biotechnologie für die Erstellung von Futterzusätzen wie Vitaminen, Enzymen und Aminosäuren an Bedeutung. Auch die Mikroorganismen des Magen-Darm-Kanals sind im Zusammenhang mit der Tierernährung ein wichtiges Ziel biotechnischer Forschungen geworden.

So werden die Mikroorganismen des Pansens eingehend mit dem Ziel untersucht, Bakterien mit günstigen Genen für die Aminosäuresynthese, eine reduzierte Methanproduktion sowie eine verbesserte Stickstoffoxidierung auszustatten. Eine weitere Möglichkeit zur Beeinflussung der Verdauungstätigkeit könnte der Zusatz von speziell ausgewählten, lebensfähigen Mikroben darstellen, um den Anteil erwünschter Mikroorganismen im Magen-Darm-Kanal zu vergrößern.

1.3.5 Nachweis von transgenem Material

Alle Nachweise, ob gentechnisch erzeugtes oder verändertes Material verwendet wurde, fußen auf dem Unterschied, der aus dem gentechnischen (molekularbiologischen) Eingriff resultiert. Sie werden entweder (a) direkt am Erbgut (der DNA) selbst geführt oder (b) an dessen Produkten (Protein, Stoffwechselprodukte, Eigenschaften). Die Verfahren besitzen im allgemeinen hohe Sensitivität, doch sind sie auch anfällig. Für den direkten Nachweis von Transgenen beruhen sie auf der sog. PCR-Reaktion ("polymerase chain reaction": Polymerase-Kettenreaktion), durch die eine Zielsequenz (der geänderte Bereich im Erbgut) im Reagenzglas mit Hilfe von einfach herzustellenden Startermolekülen für die Kettenreaktion (sog. "primern") vervielfältigt wird. Die PCR-Technik kann mit dem Schlagwort einer leistungsfähigen "Kopiermaschine für Gene" charakterisiert werden. Im zweiten, seltener benutzten Fall werden vornehmlich serologische, andere biochemische, chromatographische oder elektrophoretische Verfahren eingesetzt. In der Praxis gibt es wenig Alternativen zum PCR-Verfahren. Es wird heute schon im Lebensmittelsektor vielfältig und außerordentlich erfolgreich verwendet, beispielsweise um verunreinigende pathogene Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) oder gezielt verwendete Mikroben (z.B. Milchsäurebakterien in Rohwurst oder Hefen in Bierrückständen) in Produkten nachzuweisen. Voraussetzung für den Nachweis ist jedoch, daß das Transgen bzw. dessen Produkt(e) im zu untersuchenden Präparat noch in ausreichender Qualität vorhanden ist.

Nach heutiger Kenntnis läßt sich in Rohstoffen - wie etwa bei der "Antimatsch-Tomate" ("Flavr Savr") und der gegen Kartoffelkäfer resistent gemachten Kartoffel - oder wenig behandelten Lebens- und Futtermitteln (Reis, Mais, Soja, Rohsäfte, kalt gepreßte Öle wie Sojalecithin, Maische, Trebe oder andere Preßrückstände) die Verwendung transgenen Materials meist gut nachweisen, sofern nicht durch die Gewebezerkleinerung (Mazerierung, Breiherstellung etc.) materialeigene Enzyme freigesetzt oder nicht-materialeigene Enzyme (z.B. Nukleasen, Proteasen) zugesetzt werden, die die DNA bzw. das Produkt eines Transgens zerstören. Vor allem bei pflanzlichem Material sind darüber hinaus noch mögliche Einflüsse durch zelluläre Inhaltsstoffe (organische Säuren, Aroma-, Gerb- und andere Hemmstoffe etc.) zu beachten, falls sie durch eine Veränderung des Milieus die enzymatische PCR-Reaktion nachteilig beeinflussen. Solche Stoffe können u.U. erst während der Lebensmittelherstellung angereichert werden. Analoges gilt für Lebensmittelzusätze. In hochraffinierten Produkten hingegen (z.B. heiß gepreßten Ölen) oder Chymosin im Käse versagen die Verfahren häufig, da dort das Erbgut ganz zerstört sein kann. Die Verwendung von gentechnisch modifiziertem Material ist dann nicht mehr nachweisbar, und auch eine Positivkennzeichnung wird schwierig oder unmöglich. Generell gilt: Je reiner ein Produkt ist, desto schwieriger kann sich die Analyse gestalten. Bei einer auf ein Genprodukt bezogenen Analyse gelingt der Nachweis selbst im Rohmaterial in der Regel nicht, wenn das Produkt des Transgens im verwendeten Zielgewebe nicht synthetisiert wird, wenn z.B. das Transgen durch gewebespezifische Steuerelemente (Promotoren) dort nicht exprimiert wird (beim Raps etwa ein Herbizidresistenzgen im Blatt, nicht aber im genutzten Samen).

1.4 Probleme

Der erhebliche Zuwachs an Leistungen in der Pflanzenzüchtung beruht im wesentlichen auf Hochertragssorten, die allerdings nur bei technisierten Formen der Landwirtschaft, d.h. bei intensiver Bewirtschaftung und standardisierten Bedingungen, Spitzenerträge bringen. Bei der großflächigen Anwendung von Chemikalien (z.B. Herbiziden oder Insektiziden) ist nicht nur die Wirkung des Primärprodukts, sondern auch die Möglichkeit, daß durch den Abbau in der Pflanze oder durch Mikroorganismen im Boden oder in Gewässern in großem Maßstab Produkte mit unerwünschten Nebenwirkungen gebildet werden, zu berücksichtigen. Solche Produkte können allergieauslösendes, hormonähnliches, toxisches und krebserregendes Potential mit Auswirkung auf den Menschen und Biotope besitzen. Häufig verstreichen dabei längere Zeiträume, bis etwaige Auswirkungen erkennbar werden. Ob die Züchtung transgener Pflanzensorten sich als ökonomischer Vorteil erweist, wird heute auch von der Industrie zurückhaltender beurteilt: So dauert die Entwicklung einer Sorte ähnlich lang wie die Züchtung konventioneller Hochleistungssorten und ist zudem erheblich teurer als erwartet.

Nachdem die ersten insektenresistenten Pflanzen großflächig angebaut worden waren, zeigten sich bereits erste Anzeichen für eine Überwindung der eingebauten Resistenzen. Auch fand eine Übertragung der Herbizidresistenz von Raps auf verwandte Wildpflanzen statt. Ein erster Fall einer Rückrufaktion für gentechnisch verändertes Saatgut wurde bekannt: Limagrain Canada hatte Saatgut ausgeliefert, in das ein falsches Gen eingebaut war. Saatgut für eine Fläche von etwa 250.000 Hektar war betroffen.

Während die Herstellung transgener Pflanzen inzwischen recht gut gelingt, ist die Erzeugung transgener Tiere mit zahlreichen Problemen behaftet. Sie ist sehr arbeits-, zeit- und kostenintensiv. Die Erfolgsquote ist sehr gering, die transgenen Merkmale werden häufig nicht weitervererbt. Die Genregulation ist unzureichend erforscht und wird noch nicht ausreichend beherrscht.

Die Einführung fremder Wachstumshormone bei Schweinen und Fischen führte zu einem erhöhten Wachstum. Allerdings war die Gesundheit der transgenen Tiere häufig beeinträchtigt.

In der Tierzucht lassen sich Leistungssteigerungen, Kostensenkungen oder neue Produkte nicht beliebig und nicht gleichmäßig erzielen. Dies gilt auch beim Einsatz biotechnischer Verfahren, wobei die begrenzenden Bedingungen auf dem Niveau der Individuen von denen in Rassen zu unterscheiden sind. So bildet das Genom, d.h. die Gesamtheit der Erbanlagen eines Tieres, in sich ein komplexes biologisches System, für dessen Informationswert und Reaktionsmöglichkeiten sehr viele DNA-Sequenzen wichtig sind. Bedingt hierdurch stehen Merkmale eines Individuums miteinander in komplexer Wechselwirkung. Diese Wechselwirkungen können sich bei Nutztieren mit zunehmender Leistungshöhe verstärken und schließlich kombinierte Züchtungsziele begrenzen. Daraus folgt, daß sich bei gleichmäßiger Selektion die weitere Steigerung bislang berücksichtigter Selektionsmerkmale von Generation zu Generation im allgemeinen abschwächt. Gleichzeitig kommt es zu ungünstigen Auswirkungen auf Anpassungsfähigkeit, Gesundheit und Fruchtbarkeit der Tiere. Solche "züchterischen Nebeneffekte" sind auch zu beachten, wenn beispielsweise durch gentechnische Verfahren einzelne vorteilhafte Gene in eine Population eingeführt oder in der Frequenz stark verändert werden.

Die Erbanlagen bei den verschiedenen Tieren einer Rasse bilden einen gemeinsamen Genpool. Ein solcher Genpool verfügt in der Regel über ein hohes Maß an Heterogenität und Anpassungsfähigkeit. Dadurch besitzen Tierrassen die Möglichkeit, sich auf züchterische Einwirkungen hin ändern zu können - auch in Verbindung mit neu eingeführten Genvarianten. Das Ausmaß der Änderungsmöglichkeiten hängt in starkem Maße von der Vielfalt an Genen im Genpool ab und diese wiederum von der Zahl der Tiere in einer Rasse. Der Einsatz vieler biotechnischer Verfahren wie der künstlichen Besamung oder der In-vitro-Fertilisation bewirkt jedoch eine verringerte Zahl an Zuchttieren, die sich an der Nachkommenproduktion beteiligen. Dadurch entstehen auf Dauer genetisch zunehmend gleichförmiger werdende Rassen, in denen ein konstanter züchterischer Aufwand zu abnehmenden Selektionserfolgen führen wird. Ein solcher Verlust an genetischer Vielfalt bezieht sich nicht nur auf die genetische Änderung bestehender Rassen, sondern auch auf die Abnahme der Rassenzahl, z.B. durch Zusammenfassung und Vereinheitlichung ehemals getrennter Rassen. Da bei der Herstellung transgener Tiere lediglich einzelne Gene hinzugefügt werden, nimmt die Vielfalt der Gene noch schneller ab. Eine breite Anwendung der neuen Klonierungstechniken in der Tierzucht würde diesen Effekt noch verstärken.

Ein großes Problem ist, daß sich die genannten nachteiligen Auswirkungen einer intensiven Tierzucht erst nach längerer Zeit zeigen. Zweckentsprechende Maßnahmen, die bekannt sind, wirken jedoch nur bei rechtzeitigem Einsatz und erfordern überbetriebliche Aufwendungen sowie angepaßte rechtliche Schutzbestimmungen.

Besondere Probleme werfen die gentechnischen Neuerungen dadurch auf, daß sie in qualitativ neuer Weise auf Tiere einwirken. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Beeinflussung von Säugetieren, die eine enge genetische Verwandtschaft zu den Menschen aufweisen. Hieran läßt sich ablesen, daß in jedem einzelnen Fall eine sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken, Nutzen und Kosten erforderlich ist. Dabei sind zu berücksichtigen, zu gewichten und in ihrer Verknüpfung gegeneinander abzuwägen:

  • die Belange der Tiere (Gesichtspunkte des Tierschutzes, Leidensfähigkeit der Tiere etc.);
  • die Belange des Schutzes genetischer Vielfalt hinsichtlich von Rassen;
  • die Belange der Umwelt wie Ressourcenverbrauch (Umweltschutz) und ökologische Risiken (Umweltsicherheit) und
  • die Belange der Menschen, z.B. Sicherung der menschlichen Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Wohlergehen.

In die Abschätzung dieser Folgen fließen neben ökonomischen und ökologischen auch ästhetische, vordringlich aber ethische Bewertungen ein.

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