Predigt von Weihbischof Ludger Schepers (Essen) anlässlich des ökumenischen Gottesdienstes zum DFB-Pokalfinale

21. Mai 2022 in Berlin

Lesung: Jes 40,29–31
Evangelium: Mt 13,44–46

 

Liebe Schwestern und Brüder,

als Weihbischof im Bistum Essen ist man gut beraten, sich für Fußball zu interessieren. Mein erster Verein war in meiner Jugend Rot-Weiß Oberhausen. Er spielte von 1969 bis 1973 in der Bundesliga. Lange war ich Pfarrer in Duisburg und ich wohne in Bochum-Wattenscheid, insofern stehen der MSV Duisburg, der VfL Bochum und Wattenscheid 09 ebenfalls auf meinem Zettel. Und natürlich Schalke 04, gerade aufgestiegen.

Während meiner Studienzeit gehörte mein Interesse dem SC Freiburg. Sie verstehen, dass ich mich deshalb besonders freue, dass ich heute hier sein kann. Ich werde aber trotzdem gleich „neutral“ sein und der besseren Mannschaft den Sieg gönnen.

Es ist wunderbar, dass nach 2019 nun wieder ein Pokalfinale mit Zuschauerinnen und Zuschauern stattfinden kann. Die Freude ist groß und die Spannung steigt. Das ist in der Stadt zu spüren, rund um das Olympiastadion und auch hier in der Kirche. Fans und Fußballbegeisterte sammeln sich. Und die Mannschaften von RB Leipzig und dem FC Freiburg tun es auf ihre Weise.

Manche Menschen, die nicht so viel mit dem Sport „am Hut“ haben, sagen: Fußball ist doch nur ein Spiel. Das stimmt und stimmt nicht. Wir würden sicher alle unterschreiben: Fußball hat eine große gesellschaftliche Bedeutung. Fußball bewegt und begeistert viele Menschen, nicht nur die, die Sport treiben, sondern auch die, die als Zuschauerinnen und Zuschauer im Stadion und über die Medien dabei sind – und das sehr emotional.

Fußball verbindet über Grenzen und Kulturen und hat eine große Integrationskraft. Dafür möchte ich Ihnen an dieser Stelle auch im Namen der Deutschen Bischofskonferenz und sicher auch im Namen der Evangelischen Kirche ein herzliches Danke sagen. Mich haben der Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ und der Vielfalt-Spot des DFB „Für alle“ sehr beeindruckt. Machen Sie bitte weiter so.

Sie haben diesen Gottesdienst überschrieben mit dem Wort der BVB-Legende Alfred Preißler:

„Entscheidend ist auf’m Platz?“. Die Vorbereitenden haben ein Fragezeichen hinter diese Aussage gesetzt. Ich teile dieses Fragezeichen.

Natürlich ist entscheidend, aufzulaufen und auf dem Platz zu stehen, zu laufen und zu spielen. Ich denke aber, es kommt auf mehr an. Wie bin ich denn auf dem Platz? Viele Feinheiten sind entscheidend: Wo auf dem Platz bin ich? Wie ist meine Aufmerksamkeit für die Mitspieler? Wie nehme ich sie wahr? Und dann gehört zu einem gelingenden Spiel natürlich die Vorbereitung dazu, die körperliche und die mentale. Das betrifft dann nicht nur die Physios, die Trainer und die psychologische Abteilung. Wer auf dem Platz läuft, braucht rund ums Spiel viele Kräfte.

Damit bin ich bei der Lesung dieses Gottesdienstes. Der Prophet Jesaja verheißt: „Die aber auf den HERRN hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Flügel. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt.“ (Jes 40,31)

Er hat gut reden, der liebe Jesaja Wie oft müssen wir schmerzlich wahrnehmen, dass die Aussage nicht stimmt, dass wir müde werden und matt. Das passiert auch den Fußball-Profis. Natürlich den alten, aber auch den jungen. Jesaja weiß das. Immerhin. „Die Jungen werden müde und matt, junge Männer stolpern und stürzen.“ (Jes 40,30)

Stimmt und stimmt nicht. Ich bin hin- und hergerissen bei diesen Aussagen des Propheten Jesaja. Im Blick auf unser heutiges Zusammensein und das gleich stattfindende Spiel und die Akteure – ob auf dem Platz oder daneben – finde ich aber: Jesaja hat recht. „Die auf Gott hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Flügel.“ Wer sich aufgehoben fühlt in einem größeren Ganzen und nicht seine eigenen Kräfte absolut setzt, kann auch nach Niederlagen wieder neu beginnen. Kann neu starten auch nach überstandenen Verletzungen. Kann dem Gegner wieder die Hand reichen nach einem verlorenen Spiel. Ich meine, dass ist oft erlebte Realität – und ich wünsche es mir und uns allen für das Spiel heute und die kommenden Spiele. In welcher Liga auch immer.

Wenn Sportlerinnen und Sportler so leben und handeln, dann erfüllen sie, was wir uns doch so sehr erhoffen: dass sie eine Vorbildfunktion ausüben. Dann übermitteln sie, was wir uns auch für die Gesellschaft erhoffen: dass Werte wichtig sind – Fairness, Respekt, gegenseitige Achtung und Wertschätzung, Teamgeist und Solidarität.

Dann kann Fußball mehr sein als ein Spiel. Er erzählt vom Leben, zeigt in aller Bedrohung Freude am Spiel und Freude am Leben. Das Freundschaftsspiel zwischen dem Borussia Dortmund und Dynamo Kiew. Es tut gut, auf dem Platz und daneben Gemeinschaft und Vielfalt zu erleben, im Spiel und im Leben Flagge zu zeigen und für Werte einzustehen. So wie ich es eingangs gesagt habe. Faire Mitspielerinnen und Mitspieler legen ein Bekenntnis ab und können junge Menschen inspirieren und anstecken.

„Sein Bestes geben“ ist ein vatikanisches Dokument, in dem es um den humanen und glaubwürdigen Sport aus Sicht der katholischen Weltkirche geht (2018). In seinem Begleitschreiben äußert sich Papst Franziskus so: „Der Sport ist eine ungemein reiche Quelle von Werten und Tugenden, die uns zu besseren Menschen machen können. Wie allen trainierenden Athleten kann der Sport auch uns dazu bringen, unser Bestes zu geben, unsere Grenzen ohne Angst zu erkennen … Jeder Anlass eignet sich also, die Botschaft Christi – ‚ob gelegen oder ungelegen‘ (2 Tim 4,2) – zu verkünden. Daher ist es wichtig, die durch den Sport vermittelte Freude kundzutun und weiterzugeben, denn in ihr erschließen sich ja jene menschlichen Potenziale, die uns dazu anspornen, die Schönheit der Schöpfung und des nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen unverhüllt sichtbar werden zu lassen … Wir müssen eine enge Verbindung vertiefen, die zwischen Sport und Leben besteht. Beide können sich gegenseitig erhellen.“

Alles aufs Spiel zu setzen, um einen Schatz, eine Perle zu gewinnen, davon haben wir im Evangelium gehört. „Sein Bestes geben“ – ich bin sicher, beide Mannschaften und alle, die neben dem Platz am Spiel beteiligt sind – und ihre Vertreterinnen und Vertreter sind ja heute hier –, werden das tun.

Mir tut es gut, dass ich vor dem Spiel hier sein kann, dass ich mit Ihnen zusammen beten  darf

– und dass die Gemeinschaft sich gleich im Stadion fortsetzt. Hoffen wir, dass die Spieler und wir alle „Flügel“ wie Adler bekommen. Gott, der wie eine Adlermutter ist (Ex 19,4 und  Dtn 32,11–12), wird uns dazu seinen Segen geben.

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Gottesdienst zum DFB-Finale (Archivbild)

„Entscheidend ist auf'm Platz?“: Gottesdienst zum DFB-Pokalfinale