Ansprache im Kapitelsaal des Augustinerklosters zu Erfurt anlässlich des Besuches von Papst Benedikt XVI.

Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

Eure Heiligkeit, Papst Benedikt XVI.,
lieber Bruder in Christus!
Sehr geehrter Vorsitzender des Rates der EKD,
lieber Bruder Präses!
Sehr verehrte Eminenzen und Exzellenzen,
liebe Brüder im Bischofsamt und Präsidenten,
sehr geehrte Professorinnen und Professoren,
liebe Schwestern  und Brüder!

Sehr herzlich heiße ich Sie im Namen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland hier im Kapitelsaal des Evang. Augustinerklosters zu Erfurt willkommen!

Es ist für unsere Kirche eine große Ehre und eine noch größere Freude, Ihnen mit unserem Haus und der Klosterkirche für diese Begegnung und den Gottesdienst dienen zu können.

"Historisch" nennen viele diese Begegnung. In dieser Bezeichnung kommt die hohe politische und gesellschaftliche Bedeutung zum Ausdruck, die von der Öffentlichkeit dieser Begegnung beigelegt wird.

Ich möchte diese Begegnung als eine geschichtlich bedeutsame verstehen. Und zwar in dem Sinn, wie wir es von unseren jüdischen Glaubensgeschwistern wissen und von unseren Gottesdiensten her verstehen: Geschichte liegt vor uns. Auch wenn es um Geschehen und Ereignisse in der Vergangenheit  geht, so sind wir eingeladen und aufgefordert, die Geschichte in unsere Gegenwart aufzunehmen und uns so in diese Geschichte hineinzubegeben.

Dies gilt für die jährliche Feier des Passamahles wie für die Feier der Eucharistie und des Abendmahls. In Jesu Einsetzungsworten "...solches tut zu meinem Gedächtnis" ruft er uns: Nehmt diese Geschichte in Eure Gegenwart auf. In diesem Mahl bin ich mitten unter Euch.

Bei allem, was uns an einer gemeinsamen Feier dieses Mahls hindert, dies eine verbindet uns gewiss: wir feiern dieses Mahl im Gedenken an unseren Herrn Jesus Christus und seinen großen Versöhnungsdienst an uns so, dass wir uns von ihm einladen lassen und stärken als solche, die zu seiner Geschichte gehören. Wir sollen und dürfen ein Teil dieser Geschichte werden. Wir sollen und dürfen Anteil an dieser Geschichte bekommen – dass wir mit ihr unsere Gegenwart und Zukunft gestalten.

Und das hat eine Wirkung auf unsere Geschichte, die wir gemeinsam haben und auf die Geschichte unserer Verschiedenheit und Trennung. Auch diese Geschichte ist nicht abgeschlossen und vorbei, schon gar nicht so, dass wir auf sie festgelegt werden. Auch diese z. T. überaus schmerzhafte Geschichte liegt so vor uns, dass wir in der Gegenwart, heute, in sie hineingehen und Gemeinschaft suchen im Gespräch miteinander und im Hören auf Gottes Wort.

In diesem Sinn ist die Begegnung heute geschichtlich bedeutsam. Welche Führung und Entscheidung, dass wir an diesem Ort zusammengekommen sind, an diesem Ort, der uns anspricht, der mit seiner Geschichte zu uns heute spricht.

Gottes Heiliger Geist lasse uns segensreiche Schritte in diese Geschichte hineingehen.