Christenverfolgung im Land der Ur-Christen

Entführungen und Bombenangriffe auf Kirchen im Irak


Von Bettina Gabbe (epd)

Rom (epd). Bis zum Sturz von Ex-Diktator Saddam Hussein vor fünf Jahren genossen Christen im Irak mehr Religionsfreiheit als in anderen Ländern der Region. Seitdem das Regime unter den britisch-amerikanischen Bombardierungen zusammenbrach, ist die ursprünglich drei Prozent der Bevölkerung zählende christliche Minderheit einer wachsenden Verfolgung durch Islamisten ausgesetzt.

Während Deutschland und die Europäische Union über die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Land diskutieren, reiste der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki nach Berlin und kommt am Freitag nach Italien. Dort will er mit Papst Benedikt XVI. über den Schutz der nach der Massenflucht vor der Gewalt im Land verbliebenen Christen beraten.  

Sein Vorgänger Papst Johannes Paul II. musste eine geplante Reise zu den Ur-Christen im Irak im Heiligen Jahr 2000 aus Sicherheitsgründen absagen. In den darauf folgenden Jahren entwickelte der Vatikan beispiellose diplomatische Bemühungen, um einen neuen Irak-Krieg zu verhindern. Hintergrund ist die bis in die Zeit des Apostels Paulus reichende christliche Tradition des Landes, in dem die biblische Schöpfungsgeschichte das Paradies und die Heimat von Abraham ansiedelt.  

Johannes Paul II. schickte vergeblich einen Sondergesandten zu Verhandlungen nach Washington und empfing Regierungschefs aus aller Welt, um 2003 die Militärschläge gegen den Irak zu verhindern. Zu seinen Gesprächspartnern gehörte auch der irakische Außenminister Tarik Aziz, Mitglied der mit Rom unierten chaldäischen Kirche.  

Waren Christen wie der mittlerweile inhaftierte Ex-Außenminister unter Hussein an der Regierung beteiligt, so befinden sie sich seit dem Irak-Krieg auf der Flucht. Etwa die Hälfte der irakischen Christen, die mehrheitlich der chaldäischen Kirche angehören, floh mittlerweile vor Übergriffen von Islamisten in den kurdischen Norden des Landes sowie nach Jordanien, Syrien, in die Türkei oder den Libanon.  

Selbst im bislang als relativ sicher geltenden Norden fühlen sich die irakischen Christen nicht mehr sicher. Dort wurde in diesem Frühjahr der chaldäische Bischof von Mosul, Paulos Faraj Rahho, entführt und während der Verhandlungen um hohe Lösegelder getötet. Um die christliche Minderheit im Irak vor Angriffen zu schützen, hatten die USA die Gründung einer christlichen Enklave in der Mosul umgebenden Ninive-Ebene vorgeschlagen.

Die chaldäische Kirche wehrte sich aber gegen die Gründung eines solchen "Christenghettos" mit dem Argument, die Christen des Landes fühlten sich als Iraker. "Als Experten für ein Zusammenleben mit den muslimischen Konfessionen und allen Volksgruppen im Irak können Christen eine Garantie für Versöhnung sein", meint der chaldäische Bischof der syrischen Stadt Aleppo. Da Christen über Jahrhunderte gut in ihr Umfeld integriert waren, könnten sie im gesamten Irak aber nicht auf eine Region beschränkt als "Brücke zwischen dem Islam und der modernen Welt" fungieren.  

Tatsächlich flüchtete ein Großteil der im Irak verbliebenen Christen sich in die als Enklave vorgeschlagene Region im Norden. Zu gefährlich war nicht nur der Besuch von Kirchen geworden, die Ziel von Bombenanschlägen sind. Islamisten entführen immer wieder Priester und fordern eine Sondersteuer für Andersgläubige.  

Spätestens seit der Ermordung des chaldäischen Bischofs von Mosul durch seine Entführer im Frühjahr mehren sich internationale Solidaritätsbekundungen mit den Christen im Irak. In der aktuellen Flüchtlingsdebatte sind deutsche Politiker in der Frage gespalten, ob nur Christen oder auch Muslimen die Einreise in die EU gewährt werden sollte. Kirchenvertreter im Irak prangern angesichts solcher Debatten mangelnden politischen Willen der internationalen Gemeinschaft zu konkreten Hilfsmaßnahmen an.


24. Juli 2008