In der evangelischen Kirche dauert die Reformphase an

Vor wichtigen Weichenstellungen Von Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Für die evangelische Kirche war das abgelaufene Jahr von vielerlei Veränderungen geprägt. Und auch 2009 dürfte die Reformphase andauern. In fünf der 23 Landeskirchen wurden neue Bischöfe und Kirchenpräsidenten gewählt, und auch im neuen Jahr stehen weitere Personalentscheidungen an. Bei alldem, sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, gehe es der Kirche nicht in erster Linie um die eigenen Sorgen, sondern darum, den Menschen das Evangelium zu bringen.

Bei den Kontakten zur Politik griff die Kirche häufig ethische Grundsatzfragen auf und äußerte sich zum sozialen Zusammenhalt, Schutz von Flüchtlingen, Klimaschutz und zur Finanzkrise. In der Debatte über die Forschung mit embryonalen Stammzellen befürwortete die EKD-Spitze - anders als die katholische Kirche und einzelne evangelische Bischöfe - eine einmalige Verschiebung des Stichtags. Gerade bei Lebensschutz-Themen wie Patientenverfügung, Spätabtreibung oder Sterbehilfe fanden die kirchlichen Positionen in der Politik Beachtung.

Die EKD stellte überdies klar, dass sie sich zu politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen einmischen will. In einem Grundsatzpapier "Das rechte Wort zur rechten Zeit" fand ein Klärungsprozess Abschluss über die Frage, wann, wer, wo und wozu für die Kirche spricht. Durch Verkündigung und ethische Orientierung nehme Kirche ihre Mitverantwortung für das Gemeinwesen wahr, argumentieren die Autoren.

Bei der Orientierungshilfe zur Taufe stand kirchliche Selbstvergewisserung im Vordergrund. Wie bei die Schrift zum Abendmahl ging diesem Text eine ökumenische Abstimmung voraus. Gemeinsam unterstützen evangelische und katholische Kirche das Volksbegehren für ein Wahlpflichtfach Religionsunterricht an Berliner Schulen.

Verbindlicher verabredet wurde der Abstimmungsprozess von Landeskirchen und EKD. Der Austausch untereinander sei viel besser geworden, registriert der Thüringer Landesbischof und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Christoph Kähler: "Die kleinen Königreiche bekommen offenere Grenzen." Und Bischof Huber sieht die EKD unterwegs zur "Reformgemeinschaft". Bei allen Unterschieden der Frömmigkeitsformen und Profile sei in den Landeskirchen ein "gemeinsamer Reformgeist und ein gemeinsamer Reformwille" vorhanden.

Um die Reformanstrengungen voranzutreiben, werden in der evangelischen Kirche drei Zentren errichtet: Sie sollen die Qualität der Gottesdienste steigern, die evangelische Predigtkultur fördern und missionarische Bemühungen in den Regionen verzahnen. Eine Zukunftswerkstatt soll im September 2009 in Kassel zur Fachmesse für innovative Reformansätze in den Gemeinden, Einrichtungen und Landeskirchen werden. Die Kirche müsse aus biblischen, theologischen und geistlichen Gründen ihre Organisationsfähigkeit verbessern, skizziert Thies Gundlach vom EKD-Kirchenamt den Handlungsbedarf.

Auch die strukturellen Reformen gingen weiter. Die Fusion der Thüringer Landeskirche und der Kirchenprovinz Sachsen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland wird am 1. Januar wirksam, die Zahl der Landeskirchen verringert sich damit auf 22. Die Vereinigung ist nach Ansicht der Bischöfe beider Kirchen kein kopierbares Modell für andere Zusammenschlüsse. Aber der lang angelegte Fusionsprozess mache vielleicht anderen Mut, sich den Realitäten zu stellen, solange sich noch Spielräume bieten, findet Landesbischof Kähler. Für die "Nordkirche" schlägt im März die "Stunde der Wahrheit". Dann müssen die drei Landessynoden von Mecklenburg, Nordelbien und Pommern über den Fusionsvertrag entscheiden.

In den nächsten zwölf Monaten stehen weitere wichtige Weichenstellungen an. Im Mai kommt erstmals die neue EKD-Synode zusammen, im Oktober wird das Kirchenparlament über die Zusammensetzung des neuen Rates und den nächsten Ratsvorsitzenden entscheiden. Die Personalspekulationen zur Huber-Nachfolge sind bereits im Gang. Neu Bischöfe werden in der neu formierten Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz gewählt. Zudem findet im Mai in Bremen der nächste evangelische Kirchentag statt. Mit zahlreichen Events will die evangelische Kirche zum 500. Geburtstag des Reformators Johannes Calvin (1509-1564) an die aktuelle und historische Bedeutung des reformierten Bekenntnisstranges im deutschen Protestantismus erinnern.

22. Dezember 2008