Obdachlosenhilfe bittet Bürger um Unterstützung

Bedürftige nehmen Winterspeisungen in verschiedenen Städten in Anspruch  

Frankfurt a.M./Berlin (epd). Die Evangelische Obdachlosenhilfe bittet Bürger darum, Hilfseinrichtungen über Wohnungslose zu informieren, die trotz der aktuellen Kälte noch im Freien übernachten. "Wenn es vor Ort keine Anlaufstellen für Obdachlose gibt oder diese den Bürgen nicht bekannt sind, können auch Polizei und Feuerwehr informiert werden", sagte Hermann Pfahler von der Obdachlosenhilfe dem epd am Dienstag. Zudem bat er darum, Schlafsäcke und Winterkleidung zu spenden. Die Evangelische Obdachlosenhilfe ist unter dem Dach des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) organisiert.

Aufgrund der niedrigen Temperaturen seien die Notunterkünfte für Obdachlose aktuell stark gefüllt, sagte Pfahler weiter. Vor allem in Großstädten gebe es solche speziellen Angebote der Kältehilfe. Schwieriger sei aber die Situation in ländlichen Gebieten, in denen Anlaufstellen für Obdachlose häufig fehlten. Landkreise und Kommunen müssten sicherstellen, dass auch auf dem Land für Wohnungslose gesorgt werde, forderte Pfahler. Der Staat müsse seiner Fürsorgepflicht nachkommen.

In mehreren Städten sind inzwischen auch die sogenannten Winterspeisungen angelaufen. In der Katharinenkirche in Frankfurt am Main können sich Obdachlose seit Montag aufwärmen und eine Mahlzeit zu sich nehmen. Am ersten Tag hätten bereits 150 Obdachlose das Angebot angenommen, sagte Kirchenvorstand Bernhard Klinzing dem epd am Dienstag. In den kommenden Tagen werde mit mindestens 250 Gästen am Tag gerechnet. Im Vergleich zu vergangenen Jahren sei die Zahl der Hilfsbedürftigen weiter gestiegen.

Die Evangelische Sozialberatung Bottrop hat ihre Winterspeisung "Kolüsch" bereits am 9. Dezember eröffnet. Wie in den vergangenen Jahren würden etwa 100 Obdachlose täglich versorgt, sagte Wolfgang Kutta von der Sozialberatung dem epd. In den vergangenen Tagen sei die Nachfrage jedoch leicht zurückgegangen. Viele Obdachlose hätten Notunterkünfte aufgesucht und würden die Suppenküche daher aktuell nicht in Anspruch nehmen.

06. Januar 2009


Kirchen werden zu Restaurants - Zahlreiche Gemeinden bieten Winterspeisungen für Arme und Obdachlose an 

Von Christine Vaternahm (epd)

Frankfurt a. M (epd). Mitten in der Innenstadt steht die Frankfurter Katharinenkirche, umgeben von Kaufhäusern, Sportgeschäften, Kinos, Cafés und Bistros. Wenn nachts die Gitter vor den Geschäften heruntergelassen werden, liegen in freien Winkeln dazwischen oft eingemummte Gestalten. Obdachlose Menschen, die versuchen, einen Windschutz zu finden, um einigermaßen schlafen zu können, ohne allzu sehr zu frieren.

"Die Not liegt buchstäblich vor der Tür der Katharinenkirche", sagt Bernhard Klinzing. Seit gut 20 Jahren engagieren sich der Vorsitzende des Kirchenvorstands und seine Frau Doris Klinzing für Wohnungslose. Jedes Jahr in der kalten Jahreszeit verwandeln sie für einen Monat zusammen mit ganzen Scharen von ehrenamtlichen Helfern die Katharinenkirche in ein Restaurant. In diesem Jahr kamen bereits am ersten Tag 150 Obdachlose in die Katharinenkirche, um eine warme Mahlzeit - einen Eintopf - zu sich zu nehmen. Klinzing erwartet aber noch mehr Besucher. "Wenn sich herumgesprochen hat, dass wir geöffnet haben, kommen mindestens 250 Bedürftige täglich."

Im Februar ist dann die Weißfrauenkirche in der Nähe des Hauptbahnhofs der Kommunikations-, Wärme- und Essensort für Bedürftige in Frankfurt. "Im Winter sind Kirchen die Wohnstuben der Obdachlosen und Armen", sagt Pfarrer Johannes Herrmann von der Hoffnungsgemeinde, die die Winterspeisung in der Weißfrauenkirche organisiert. Das ist auch in anderen Städten so. Vesperkirche heißt die Einrichtung in Mannheim. Zwischen 450 und 500 Menschen nutzen täglich das Angebot in der Citykirche Konkordien. "Am Anfang kamen viele Obdachlose. Das hat sich geändert. Inzwischen sind vor allem Familien mit Kindern und Hartz-IV-Empfänger unsere Gäste", sagt Kirsten de Vos, Pressesprecherin der evangelischen Kirche in Mannheim. Auch in Stuttgart gibt es Vesperkirchen.

Bei der evangelischen Kirche in Bottrop heißt die Winterspeisung "Kolüsch - Die Suppenküche". Die Idee geht zurück auf den inzwischen verstorbenen Komiker Michel Coluche, der Mitte der 80er Jahre in Frankreich die "Restaurants du Coeur" - die "Restaurants des Herzens" - gegründet hatte. Zurzeit nutzen aber weniger Obdachlose als sonst das Angebot. "Weil es so kalt sind, sind viele Obdachlose in Notunterkünfte gegangen und werden dort versorgt", sagt Wolfgang Kutta von der Evangelischen Sozialberatung Bottrop. Vor allem in Großstädten gibt es solche Unterkünfte. Schlechter sei aber die Versorgung auf dem flachen Land, sagt Hermann Pfahler von der Evangelischen Obachlosenhilfe. "Landkreise und Gemeinden müssen deshalb dringend tätig werden und sicherstellen, dass es Hilfe für Wohnungslose gibt."

Die Winterspeisung in Frankfurt geht zurück auf den Winter 1987. Damals erfroren bei eisigen Temperaturen mehrere Obdachlose auf Parkbänken in der Stadt. Kirchenmitglieder und der damalige Vorstand der Katharinengemeinde entschlossen sich, die Innenstadtkirche zu öffnen, damit sich die Wohnungslosen aufwärmen konnten.

"Als ich damals in die Gemeinde kam, hab ich das Angebot milde belächelt", sagt Pfarrer Herrmann. Ganz vom "68er-Geist beseelt" sei er gewesen: "Besser als eine Winteraktion ist, die Axt an die Wurzel des Übels zu legen und die Verhältnisse zu ändern." Einige Jahre später war er überzeugt: "Da kann man mit Marx- und Engelszungen reden - es ändert sich doch nichts." Deshalb habe er es besser gefunden, "Leuten konkret zu helfen, als politisch doch nichts zu erreichen".

Eine gewisse Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse hat der Theologe inzwischen ausgemacht. Obdachlose seien eher akzeptiert als früher, sagt er. In Frankfurt sei die offensichtliche Wohnungslosigkeit zurückgegangen, weil es bessere und mehr Heime gebe. Gleichzeitig sei die Akzeptanz gewachsen, "weil viele gemerkt haben, dass fast jeder in eine solche Lage kommen kann". Noch in den 90er Jahren sei es ein Skandal gewesen, als die Gemeinde zehn Obdachlose fünf Jahre lang auf der Orgelempore habe wohnen lassen. Gar eine Bürgerinitiative sei gegründet worden, als sie Wohnwagen für weitere Wohnungslose vor einer Frankfurter Kapelle aufstellen ließ. Heute, sagt Johannes Herrmann, würde kein Hahn mehr danach krähen.

06. Januar 2009