Drei ehemalige Zwangsarbeiter besuchen württemb. Landeskirche

Stuttgart (ps). Drei ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in der Zeit des Nationalsozialismus in diakonischen Einrichtungen arbeiten mussten, sind zurzeit auf Einladung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und des Diakonischen Werks Württemberg zu Gast im Südwesten. Landesbischof Gerhard Maier erklärte anlässlich einer Pressekonferenz am Dienstag, 21. Mai: „An der Schuld, die damals aufgehäuft wurde, tragen auch die evangelische Kirche und ihre Diakonie in Württemberg mit.“ Durch die persönliche Begegnung und eine finanzielle Zuwendung wolle man einen Schritt der Versöhnung gehen, betonte der Bischof. Er dankte den Opfern, dass sie der Einladung trotz ihres Alters und gesundheitlicher Risiken gefolgt wären. Wie schon zuvor im persönlichen Gespräch sagte Maier: „Als Bischof dieser Kirche bitte ich Sie um Vergebung.“

Elena Tschewtschik aus Weißrussland war mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern von 1944 bis 1945 in der Augustenhilfe in Ebingen zur Zwangsarbeit verpflichtet gewesen. Auf einem Bauernhof, der damals zur Augustenhilfe gehörte und der für deren Versorgung mit Lebensmitteln unverzichtbar war, musste sie schon als Elfjährige Kinder hüten, Hühner versorgen und Milchkannen transportieren. Zwar sei sie gut behandelt worden und habe genügend zu essen bekommen, doch habe sie trotz des erklärten Willens ihrer Mutter keine Schule besuchen dürfen.

Helena Zalewska aus Polen musste von 1942 bis 1944 im Ulmer Neutor-Hospiz, einem diakonischen Übernachtungshaus, arbeiten. Sie habe zunächst nichts verstanden, doch sei ihr beim Anblick der vielen Schlüssel an ihrer Arbeitsstelle sofort klar geworden: „Ich bin in einem Hotel. Hier werde ich nicht hungern müssen.“ Die zwangsweise Trennung von Familie und Heimat sei aber schmerzhaft für sie gewesen: „Als der erste Brief von zu Hause kam, habe ich geweint. Meine Chefin hat das aber verstanden und mich an diesem Tag von der Arbeit freigestellt.“

Wasil Spak aus der Ukraine war von 1943 bis 1945 ebenfalls in der Landwirtschaft einer diakonischen Einrichtung auf der Erlacher Höhe eingesetzt worden. Da er nur knapp der Zwangsverpflichtung zum Kohlenbergbau entgangen war, erschien ihm die Tätigkeit als Erntehelfer und Pfleger von acht Kühen noch eher zumutbar. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) habe darauf gedrungen, den so genannten Fremdarbeitern nicht die gleichen Rechte und den gleichen Lohn zu geben wie den Deutschen. In der Erlacher Höhe seien beide Personengruppen aber absolut gleich und gerecht behandelt worden, betonte Spak. So habe er auch mit seinem Arbeitslohn von 25 Reichsmark sonntags ins Wirtshaus gehen können.
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg und das Diakonische Werk Württemberg hatten sich bereits am Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft mit knapp 1,2 Millionen Mark (etwa 600.000 Euro) beteiligt. Um darüber hinaus den persönlichen Kontakt zu suchen und möglicherweise Betroffene zu finden, die von der Bundesstiftung nicht entschädigt werden, wurde eine „Kommission zur Untersuchung der Beschäftigung von Zwangsarbeitern im Bereich der Württembergischen Landeskirche und ihrer Diakonie“ eingesetzt. Gleichzeitig hat die Landeskirche die Historikerin Inga von Häfen eingestellt und mit der Suche nach ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern beauftragt. Bislang konnten so insgesamt 420 Beschäftigungsverhältnisse ermittelt werden, davon 330 mit den Namen der Betroffenen. Nach den bisherigen Ergebnissen des Kirchlichen Suchdienstes in Osteuropa sind davon bisher 40 Personen als verstorben bekannt, während bislang 13 Überlebende gefunden werden konnten. Diese und alle weiteren, die noch ermittelt werden sollen, erhalten – unabhängig von einer Entschädigung durch die Bundesstiftung – von der Landeskirche und ihrer Diakonie eine finanzielle Hilfeleistung in Höhe von je 2.500 Euro sowie die Einladung nach Württemberg, der jetzt die ersten drei Personen gefolgt sind. Eine weitere Besuchergruppe erwarten Kirche und Diakonie im Oktober.

Peter Steinle