Evangelische Kirchen warnen vor "Kampf der Kulturen"

Denkschrift will "Räume der Begegnung" für Dialog öffnen

Berlin (epd). Die evangelischen Kirchen haben vor einem "Kampf  der Kulturen" gewarnt und für einen friedlichen Dialog in der multireligiösen Gesellschaft geworben. Kulturelle Differenzen  könnten "zur Ursache mannigfaltiger Konflikte bis hin zu Kriegen werden", heißt es in der am Montag in Berlin veröffentlichen Denkschrift "Räume der Begegnung - Religion und Kultur in  evangelischer Perspektive". Der Umgang mit diesen Differenzen sei "eine der entscheidenden Fragen für das gegenwärtige und zukünftige Zusammenleben".

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Vereinigung evangelischer Freikirchen warnen davor, kulturellen Minderheiten die Überzeugungen der Mehrheit aufzuzwingen. "Die Forderung nach Assimilation verliert spätestens dann ihre Legitimität, wenn einer Person oder einer Gruppe ihre Eigenart nur deshalb bestritten wird, weil sie anders ist als unsere", heißt es in der Denkschrift, die nach einem dreijährigen Konsultationsprozess zum Thema "Protestantismus und Kultur" vorgelegt wurde.

Die Kirchen treten für eine "Kultur der Differenzen" ein, in der kulturelle Unterschiede nicht verwischt werden. "Es gibt keine Identität, wenn man sich nicht unterscheidet", wird in der Denkschrift hervorgehoben. Notwendig sei eine interkulturelle Praxis, "die den Streit zwischen den Kulturen nicht verhindert, sondern zivilisiert".

Eine Verengung des Kulturbegriffs auf eine "Nationalkultur" wird abgelehnt. Nicht akzeptabel sei es auch, "kulturelle Vielfalt nach dem Schema 'Wir/Fremde' zu sortieren". "Wenn die 'Welt ein Dorf' wird, rückt auch die fremde Kultur in die eigene Nachbarschaft; das exotische Leben ferner Welten spielt sich vor dem eigenen Küchenfenster ab", heißt es in der Denkschrift. Die Verfasser wollen einen neuen Dialog über christlichen Glauben und Kultur initiieren. Die Kirchengebäude müssten zu "Orten der Begegnung" mit der bildenden Kunst und anderen kulturellen Ausdrucksformen werden, sagte der Berliner Bischof Wolfgang Huber dem epd. Huber, der auch Mitglied des Rates der EKD ist, hat die Denkschrift mit verfasst und auch den Vorbereitungsprozess als Vorsitzender einer Arbeitsgruppe begleitet.

Dabei gehe es nicht nur um die anerkannte "historisch gewachsene Kultur", sondern auch um die manchmal umstrittene Kultur der Gegenwart sowie die Trivialkultur, so der Berliner Bischof. Damit könnten in kirchlichen Räumen neue Zugangsmöglichkeiten auch für Menschen eröffnet werden, die der Kirche und dem Glauben fern stehen.

"Die Kirchenräume sollten für gemeinsame Projekte mit Galerien, Theatern oder Kinos vor Ort geöffnet werden", heißt es in der Denkschrift. Der Kontakt zu Künstlern könne die kirchliche Arbeit beleben und zu einem wichtigen Baustein für den Gemeindeaufbau werden.

Hinweis: Die Denkschrift "Räume der Begegnung" ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen und für 7,95 Euro im Buchhandel erhältlich. (07861/2.9.02)