Orthodoxes Netz - Die russische Kirche erobert das Internet

Von Karsten Packeiser

Moskau (epd). Die russisch-orthodoxe Kirche hat ihre anfängliche Skepsis gegenüber den neuen Medien überwunden und nutzt zunehmend die Möglichkeiten des Internets. Mit dem Segen des Moskauer Patriarchen Alexij II. schießen im so genannten Runet, dem russischsprachigen Sektor des Internets, orthodoxe Web-Seiten wie Pilze aus dem Boden.

Liberale wie monarchistisch-nationalistische Kirchenkreise betreiben inzwischen ihre eigenen Internetmedien. Die wieder aufgebaute Moskauer Christerlöser-Kathedrale überträgt ihre Festgottesdienste inzwischen an Feiertagen in Echtzeit im Internet. Auf der Webseite des Moskauer Sretenski-Klosters, einer der meistbesuchten im gesamten Runet, antworten Mönche auf Fragen virtueller Besucher.

Selbst für so kuriose Bitten, wie die, zu erklären, warum das Tote Meer tot ist, nehmen sie sich Zeit. Die Webadministratoren weisen lediglich darauf hin, dass der Gemeindepriester bei Fragen zum Thema Eheleben ein besserer Ratgeber sei als die Mönche des Klosters.

Nach wie vor sind im russischen religiösen Internet private Seiten oft wesentlich populärer als die kirchlicher Stellen. Die offizielle Webseite des Moskauer Patriarchats mit ihrem Design aus der Steinzeit des Internet verbucht im Schnitt nur 1.000 Besucher am Tag, wenn auch die Zahl immer dann deutlich ansteigt, sobald ein kirchliches Ereignis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt. «Die offiziellen Seiten belehren, interessieren sich aber nicht für die Reaktion der Nutzer», meint der orthodoxe Publizist Andrej Kurajew.

Seit mehreren Jahren betreibt Kurajew ein religiöses Forum, in dem er ursprünglich lediglich auf Fragen seiner Leser antworten wollte. Inzwischen diskutieren Tausende registrierter Besucher aller nur denkbaren Konfessionen über Probleme des orthodoxen Kirchenrechts, aufdringliche Hausbesuche der «Zeugen Jehovas» oder darüber, ob Lenin endlich beerdigt werden sollte.  Kurajew, ein rundlicher Mann mit traditionellem Kinnbart, der zu den konservativen orthodoxen Vordenkern zählt, kann nur noch mit Mühe das Geschehen in seinem Forum kontrollieren. «Wenn ich heute alle neuen Einträge auch nur lesen wollte, bräuchte ich den ganzen Tag dafür», sagt er.

Weil der Publizist von der «absoluten Wahrheit» der orthodoxen Lehre überzeugt ist, hat er keine Angst vor der Diskussion mit Andersgläubigen. Kurajew schätzt das Internet inzwischen als ideales Mittel der Mission, das die orthodoxe Kirche auf keinen Fall den Sekten überlassen dürfe. Bevor er auf einen Beitrag antworte, könne er seine Privatbibliothek zu Rate ziehen. Das fördere das Niveau der Diskussion erheblich. «Dank der verschiedenen religiösen Foren werden die halb vergessenen Traditionen des religiösen Streitgesprächs wieder belebt», schrieb bereits die Zeitung «Nesawissimaja Gaseta».

Auch die anderen Religionen in Russland setzen inzwischen vermehrt auf das Internet. So können bei http://www.islam.ru/ alle Internetsurfer zum Islam übertreten, ohne dafür auch nur vom Schreibtisch aufstehen zu müssen. Wer laut das muslimische Glaubensbekenntnis gesprochen hat, darf mit der Maus auf einen Button mit der Aufschrift «Ich trete zum Islam über» klicken. Konvertit Jewgenij schreibt im Gästebuch: «Ich beginne ein neues Leben! Allah akbar!»

Surf-Tipps im Internet (Links öffnen jeweils neue Fenster): Offizielle Webseite des Moskauer Patriarchats: http://www.russian-orthodox-church.org.ru/ (RUS, E); Webseite der Moskauer Christerlöser-Kathedrale: http://www.xxc.ru/ (RUS, E); Webseite des Valaam-Klosters im Ladoga-See: http://www.valaam.ru/ (RUS, E); Forum von Diakon Andrej Kurajew: http://www.kuraev.ru/forum/ (RUS); Prawoslawie.ru - Informationsportal des Moskauer Sretenski-Klosters: http://www.pravoslavie.ru/