Scharfe Kritik an Zeitungsinterview mit Magnus Gäfgen

Berlin (epd). Der Opferschutzverband «Weisser Ring» hat das Interview mit dem wegen Mordes verurteilten Magnus Gäfgen im Berliner «Tagesspiegel» vom Donnerstag scharf kritisiert. Dies sei ein «herber Schlag ins Gesicht von Gewaltopfern und ihrer Angehörigen», sagte Sprecher Helmut Rüster dem epd in Berlin. Es sei ihm unverständlich, wie man einem Menschen, der eine solche schwere Straftat begangen und so viel Leid über eine Familie gebracht hat, «eine Plattform gibt, sich zu äußern und seine Gefühle darzulegen».

Der Deutsche Presserat wollte sich zu dem Interview unter dem Titel «Der Hass ist massiv geschürt worden» vorerst nicht äußern. Allerdings verwies er auf die entsprechende Richtlinie des Standeskodex. Danach sollten Redaktionen Verbrechern keine Gelegenheit geben, Straftaten nachträglich zu rechtfertigen oder zu relativieren. Auch dürfen Opfer nicht «unangemessen belastet und durch eine detaillierte Schilderung eines Verbrechens lediglich Sensationsbedürfnisse befriedigt werden». Dieser Passus gelte allerdings in erster Linie für Verbrecher-Memoiren.

Der 28-jährige Gäfgen war in der vergangenen Woche wegen Entführung und Ermordung des elfjährigen Bankierssohns Jakob von Metzler vom Landgericht Frankfurt am Main zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Prozess war schon vor Beginn überschattet von den Folterandrohungen der Polizei gegenüber Gäfgen kurz nach seiner Festnahme. Der «Tagesspiegel» hatte unter Verweis auf den Anwalt des Tatverdächtigen als erste deutsche Zeitung darüber berichtet.

Im Vorspann zu dem nun veröffentlichten Wortlaut-Interview betont die Redaktion, dass hierfür weder Gäfgen noch seine Familie ein Honorar erhalten haben. Korrekturen am vollen Wortlaut und «spontane Einwände» auf die Antworten seien aber wegen der vom Gericht angeordneten Schriftform nicht möglich gewesen.

Sollte sich herausstellen, dass das Interview eine Art «Dankesgabe» für vorab gelieferte Exklusivinformationen sei, «wäre dies ein Skandal», betonte Rüster. Mit Schwerverbrechern dürften keine «Geschäfte zu Lasten der Hinterbliebenen und letztlich des Opfers» gemacht werden. «Es ist noch einmal ein Beweis dafür, dass in dieser Gesellschaft nach wie vor der Täter scheinbar im Vordergrund steht.» Selbst wenn sich Gäfgen zu der Tat geäußert und seine Reue bekundet hätte, wäre das Interview «nicht hinnehmbar».