Holocaust-Mahnmal: Labyrinth der Erinnerung

In Berlin werden die ersten Stelen für das Holocaust-Mahnmal aufgestellt

Von Jürgen Heilig

Berlin (epd). Es war die hässlichste Brache im Zentrum Berlins. Erst eine Wunde des Krieges, dann des Baus der Mauer. Zwischen Brandenburger Tor, Tiergarten, Potsdamer Platz und dem ehemaligen «Führerbunker» von Hitlers Reichskanzlei liegt das knapp drei Fußballfelder große Gelände des künftigen Holocaust-Mahnmals, auf dem in diesen Tagen die ersten zehn Stelen aufgestellt werden. In zehn Monaten sollen dann 2.700 Pfeilerblöcke stehen, alle aus Beton und in unterschiedlicher Länge, die einen nur 30 Zentimeter, die anderen bis zu vier Meter hoch.

So zügig das beinahe 28 Millionen Euro teure Mahnmal errichtet werden soll, so quälend war die nunmehr 15-jährige Diskussion im Vorfeld. Bis zur Entscheidung im Jahr 1999 sorgte das «Denkmal für die ermordeten Juden Europas» immer wieder für Schlagzeilen. Das Veto des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) etwa führte 1995 dazu, dass ein erster preisgekrönter Entwurf im Papierkorb landete. Eine Jury unter Vorsitz von Walter Jens hatte sich für eine riesige Betonplatte mit den eingemeißelten Namen der ermordeten Juden Europas ausgesprochen.

Der Eingriff des Bundeskanzlers und die Monumentalität entfachte hitzige Debatten, erst recht, als sich 1997 nach zwei weiteren Wettbewerben der erste, noch monumentalere Entwurf von US-Architekt Peter Eisenman durchsetzte. Es sah ein Labyrinth von 4.000 bis zu 7,50 Meter hohen Pfeilerblöcken vor, die beim Besucher bewusst ein Gefühl der Enge und Ausweglosigkeit hervorrufen sollten.

Der spätere Kulturstaatsminister von Kanzler Gerhard Schröder (SPD), Michael Naumann, sprach gar von «Albert-Speer-hafter Monumentalität». Auch hielt er die vorhandenen, aber vielfach vernachlässigten KZ-Gedenkstätten für authentischere Gedenkorte. Der Theologe und SPD-Politiker Richard Schröder plädierte lediglich für eine Inschrift mit den Worten «Du sollst nicht morden». Immer mehr wurde zudem die Frage gestellt, warum es für ermordete Juden ein Denkmal geben sollte, nicht aber für andere Opfer wie Homosexuelle oder Sinti und Roma.

Eine solche «Schieflage» in der Erinnerung lehnt auch Paul Spiegel ab. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland steht dem Denkmal ohnehin recht distanziert gegenüber. «Wir Juden brauchen als Opfer ein solches Mahnmal nicht», sagt er nüchtern. Es sei zwar «unzweifelhaft notwendig», aber für die «historische Bewusstseinsbildung» nur von geringem Nutzen.

Um so wichtiger ist Andreas Nachama, dem früheren Vorsitzenden der Berliner Jüdischen Gemeinde, der unterirdisch geplante «Ort der Information». Dies sei das «Salz in der Suppe». Trotz der erstaunlichen Erfahrungen mit dem Jüdischen Museum, das sich schon im Leerzustand als wahrer Besuchermagnet erwies, will er lieber auf die «Macht des Wortes» vertrauen als nur auf die Architektur. Ein solch «abstraktes Denkmal erschließt sich nicht jedem von selbst».

Im Gegensatz zum Libeskind-Museum ist das Holocaust-Mahnmal von den Bürgern noch lange nicht angenommen. Das weiß auch Nachama. Wenn es nicht zu einer «Neuen Wache» der Berliner Republik werden soll, die nur für Kranzniederlegungen bei Staatsbesuchen dient, muss es den Besucher berühren, ohne zu traumatisieren. Die endlosen Diskussionen, aber auch die Feindseligkeit, mit der etwa der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) das Mahnmal bekämpfte, dürften darüber hinaus die Vorbehalte eher gefördert haben.

Hinzu kommt, dass die Erinnerung an die Opfer des Völkermords in Deutschland noch keine lange Tradition hat. Bis in die 80-er Jahre hinein gab es hierzulande praktisch keine Holocaust-Forschung. Vielen Deutschen wurde das Schicksal der ermordeten Juden gar erst durch die 1979 ausgestrahlte Hollywood-Serie nahegebracht.

Um den Zugang zu erleichtern, soll das Mahnmal im Gegensatz zu anderen jüdischen Einrichtungen - weder eingezäunt noch mit Kameras oder Polizeikräften überwacht werden. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) setzt vielmehr auf die «soziale Kontrolle» der Besucher - allen rechtsextremistischen Aufmärschen und antisemitischen Straftaten der letzten Monate zum Trotz. Ob dieses Konzept aufgeht, wird sich sehr schnell nach der offiziellen Einweihung am 8. Mai 2005, dem 60. Jahrestag des Kriegsendes, erweisen.