Weltkirchenrat ruft zur Integration Behinderter auf

Genf (epd). Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hat zur besseren Integration von Behinderten aufgerufen. «Behinderte Menschen erhalten in der Gesellschaft nicht den ihnen gebührenden Platz», erklärte der zurzeit in Genf tagende Zentralausschuss des Weltkirchenrates am Donnerstag. Sie störten die gesellschaftlichen Ideale von Vollkommenheit und Erfolg und würden daher oft ausgegrenzt.

Auch die Kirchen in aller Welt kümmerten sich zu wenig um Blinde, Gehörlose sowie physisch und geistig eingeschränkte Menschen. «Wir brauchen kein Mitleid, auch kein Erbarmen, sondern mitfühlendes Verständnis und Chancen, damit wir unsere Berufung, unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten entfalten können», heißt es in der Erklärung «Kirche aller». Der Text wurde von Behinderten und ihren Angehörigen verfasst.

Behinderung werde zunehmend unter dem Aspekt der dadurch entstehenden Kosten betrachtet, kritisierte der evangelische Bischof Martin Hein(Kassel) im Zentralausschuss. Auch Eltern, die sich entscheiden, einbehindertes Kind zur Welt zu bringen, müssten dies mittlerweilerechtfertigen. Hein forderte die Kirchen auf, noch mehr als bisher für die Würde jedes Menschen einzutreten, vom Anfang des Lebens bis zu seinem Ende.

Kernstück christlicher Theologie sei «die Kritik an Erfolg, Macht und Perfektion, ist Achtung vor Schwachheit, Gebrochenheit und Verletzlichkeit», so der ÖRK-Text. Alles Leben sei eine Gabe Gottes, auch Leben mit Behinderung. So bezeichne Gott in der Bibel seine Schöpfung als «sehr gut» und nicht als «vollkommen». In der Bibel gebe es viele Menschen mit Behinderungen, die Gottes Wort verkünden. Behinderung sei daher weder eine Strafe für Sünde noch Ausdruck einerdämonischen Kraft, wie es die Kirchen früher zum Teil lehrten.

In allen großen Städten der Welt lebten Männer und Frauen jeden Alters, ethnischer Herkunft, Kultur und Religion wegen ihrer Behinderung in Armut, Hunger und Abhängigkeit. Allerdings bestehe zwischen der materiellen Lage eines behinderten Menschen in den nördlichen und einem nichtbehinderten Menschen in den südlichen Ländern ein «erhebliches Gefälle», so der ÖRK. Behinderte im Norden seien oft besser gestellt als Nicht-Behinderte im Süden.

Der ÖRK hatte 1998 das Netzwerk der ökumenischen Anwaltschaft fürbehinderte Menschen «EDAN» gegründet. Der ÖRK-Zentralausschuss, das zweithöchste Leitungsgremium des Kirchenbundes zwischen den Vollversammlungen, tagt bis 2. September in Genf. Im Zentrum steht dabei das Motto «Dem Leben dienen». Auf der Tagung soll zudem weiter nach einem Ausgleich zwischen den orthodoxen und protestantischen Mitgliedskirchen gesucht werden.