Mel Gibsons Film "Die Passion Christi" startet in den USA

Von Konrad Ege

Washington (epd). Dieser Film verlangt viel vom Zuschauer: «Die Passion Christi» zeigt fast zwei Stunden lang Folter, Verhöhnung, zerfetzte Haut, Blut, Blut und noch mehr Blut. In Mel Gibsons Film über das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz spritzt Blut auf die Auspeitscher bei der Geißelung. Es fließt Blut auf den römischen Soldaten unter dem Kreuz nach dem Lanzenstich in die Brust des Leichnams. Dann: das blutverschmierte Gesicht der Mutter Maria, nachdem sie ihrem gekreuzigen Sohn die Füße geküsst hat.

In den USA startet «The Passion of the Christ» an diesem Mittwoch in angeblich 2.800 Kinos: sehr viel für eine unabhängige Produktion und noch dazu mit einem religiösen Thema. Schon lange vor seinem Start löste der Film über die letzten zwölf Stunden im Leben Jesu heftige Kontroversen aus. Es gab Kritik an der religiösen Einstellung Gibsons, der einer fundamentalistischen katholischen Sekte angehört. Vorwürfe wurden laut, dass der Film wie die mittelalterlichen Passionsspiele historische und politische Umstände ignoriere und «den Juden» pauschal die Schuld am Tod Jesu zuschreibe.

Ein Viertel der interviewten US-Amerikaner hätten kürzlich «die Juden» in einer Umfrage für die Kreuzigung verantwortlich gemacht, berichtete der jüdische Bürgerrechtsverband Anti-Defamation League diese Woche. Nachzu einhellig begrüßt wird der Film von evangelikalen Kirchenleuten, die seit Wochen zu Vorab-Vorführungen eingeladen werden. Der Film bleibe den Evangelien treu und biete eine außerordentliche Chance für die Verkündigung. Er werde «Menschen zusammenbringen» und nicht Hass säen, erklärte Regisseur Gibson. Er habe das Leiden Jesu so realistisch wie möglich dargestellt.

Und «realistisch» ist sie, die gnadenlose Brutalität der Kreuzigung. Der Kreuzweg ist zum Teil aus der Perspektive des taumelnden und fallenden Jesus gedreht. Jesus-Darsteller Jim Caviezel musste sich bei den dreimonatigen Dreharbeiten im italienischen Matera täglich bis zu acht Stunden lang Makeup auflegen lassen, um den Körper des gefolterten Jesus darzustellen.

Caviezel räumte im christlichen Fernsehsender CBN ein, es sei schwer, die Geißelungsszene in Nahaufnahme anzuschauen, erklärt das aber theologisch: Die Zuschauer wendeten sich ab, weil sie in Wirklichkeit ihre eigenen Sünden sähen. «Durch seine Wunden sind wir gerettet.» Dieses Zitat aus dem biblischen Buch Jesaja steht im Vorspann. Es fasst die Botschaft des Filmes zusammen.

«The Passion of the Christ» beginnt mit Jesus und den schlafenden Jüngern im Garten Gethsemane und Judas' Verrat, und endet mit dem Tod am Kreuz. Es folgen Szenen, die die Auferstehung erahnen lassen. Kurze Rückblenden unterbrechen den Leidensweg - Jesus als Kind, die Bergpredigt, das letzte Abendmahl. Gesprochen wird Lateinisch und Aramäisch. Die Untertitel übersetzen nicht alles. Die auch den Schauspielern fremden Sprachen lassen Dialoge hölzern erscheinen. Die johlende jüdische Menge, die die Kreuzigung fordert, klingt wegen der fremden Sprache um so bedrohlicher. Statthalter Pontius Pilatus erscheint als fast sympathische Figur, die Jesus nur widerwillig und aus Angst vor den Juden zum Tod verurteilt.

Manchmal weiß Gibson nicht, wann Schluss sein sollte mit der Gewalt. Das Einschlagen der Nägel in Jesu Hände, der geschundene Körper am Kreuz und die Zertrümmerung der Beine der mit Jesus Gekreuzigten reichen nicht: Es müssen auch noch Geier auf den Kreuzen landen und in die noch lebenden Opfer hacken. «Fast pornografisch» seien die Gewaltdarstellungen, schrieb das Fachblatt «Hollywood Reporter». Und es wird nie klar, warum und für wen dieser Jesus von Nazareth so gefährlich war, dass er hingerichtet werden musste, was so viele Menschen fasziniert hat an diesem Zimmermann aus Galiläa.

Für Mel Gibson ist «The Passion of the Christ» offensichtlich eine Herzens- und Glaubenssache. Er hat rund 30 Millionen Dollar in die Produktion gesteckt. Allem Anschein nach dürfte sich der Film zumindest finanziell auszahlen: Der Kartenvorverkauf allein habe bereits acht Millionen Dollar gebracht, berichtete CBN. Und evangelikale Kirchen im ganzen Land haben ganze Kinos gemietet oder tausende Tickets gekauft. In Deutschland soll der Film am Gründonnerstag, dem 8. April, in die Kinos kommen.

24. Februar 2004


Portrait Mel Gibson:

Mann mit zwei Gesichtern - Der Schauspieler und Regisseur Mel Gibson

Von Rudolf Worschech

Frankfurt a.M. (epd). Als vor zwei Jahren die erste Nachricht bekannt wurde, dass Mel Gibson die letzten zwölf Stunden im Leben Jesu Christi auf die Leinwand bringen wollte, herrschte Irritation. Ausgerechnet Mel Gibson? Gibson war bis dahin eine der Ikonen des Action- und Blockbuster-Kinos.

Der am 3. Januar 1956 in New York geborene Schauspieler, dessen Eltern 1968 nach Australien auswanderten, wurde 1979 international bekannt mit dem Endzeitfilm «Mad Max», in dem er einen Gesetzeshüter in einer brutalen Zukunftswelt spielte. Zwei Fortsetzungen fand das Wüstenepos, die letzte 1985. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Gibson schon in Hollywood, wo er 1984 in Mark Rydells «Menschen am Fluss» debütierte.

Auch in den USA machte den attraktiven Schauspieler mit den blauen Augen die Rolle in einem Actionfilm bekannt. In «Zwei stahlharte Profis» gab er 1987 den Polizisten Martin Riggs, einen Vietnam-Heimkehrer, der als lebende Kampfmaschine den Kampf mit dem organisierten Verbrechen aufnimmt: Die «Rambo»-Ähnlichkeiten lagen auf der Hand.

Gibson hat nie vor eindimensionalen Rollen zurückgescheckt, und als er sich schon mit «Der Passion Christi» beschäftigte, kam sein «Wir waren Helden» in die Kinos, eine unreflektierte Glorifizierung des amerikanischen Krieges in Vietnam.

Heute ist bekannt, dass Gibsons Beschäftigung mit der Passionsgeschichte viel mit seiner eigenen Biographie zu tun hat. Gibson, Vater von sieben Kindern, gilt als strenggläubiger Katholik und gehört einer sektenähnlichen Glaubensgemeinschaft an. Ursprünglich wollte er Priester werden und besuchte in Sydney die «St. Leo's Christian Brother School».

Doch gleichzeitig hatte Gibson ein Faible für unbequeme Projekte. Er wirkte mit in Peter Weirs beeindruckendem Antikriegsfilm «Gallipoli» (1981) und spielte ein Jahr später, wieder unter Weirs Regie, einen desillusionierten Journalisten während der Indonesien-Krise. In Wim Wenders' skurrilem «The Million Dollar Hotel» (2000) ermittelte er als ebenso skurriler FBI-Agent in einem heruntergekommenen Hotel, und in «Was Frauen wollen» (2001) gelang ihm die Wandlung vom Macho zum Softie.

Vor der «Passion Christi» hatte Gibson schon zweimal Regie geführt. In «Der Mann ohne Gesicht» (1993) spielte er einen Lehrer mit entstelltem Gesicht, der als Einsiedler lebt, und in dem mit fünf «Oscars» ausgezeichneten «Braveheart» (1995) verkörperte er den schottischen Freiheitshelden William Wallace, der im 13. Jahrhundert für die Unabhängigkeit von England kämpfte.