Bischof Huber nennt Jugendweihen in Schulen "nicht akzeptabel"

Leipzig (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat die Ausrichtung von Jugendweihefeiern in schulischen Räumen als «Praxis aus der DDR-Zeit» kritisiert. Er könne nicht akzeptieren, wenn es weiterhin Schulen gebe, in denen die Jugendweihe klassenweise organisiert werde, sagte er der Leipziger Volkszeitung (Samstagausgabe).

Die Jugendweihe sei eine «weltanschauliche Veranstaltung, die nicht ins Klassenzimmer gehört», betonte der Berliner Bischof. Die Präsenz von Kirche in Schulen sei hingegen gesellschaftlich bedeutend und habe mit Zwangsmissionierung nichts zu tun.

Vertreter ostdeutscher Jugendweiheverbände hätten die Kritik zurückgewiesen, berichtete die Zeitung. Mit 26.500 Anmeldungen und 500 Feiern hätten sich in Sachsen zwei Drittel der Achtklässler für die Jugendweihe entschieden, so der sächsische Jugendweiheverband.

In Thüringen wird dem Bericht zufolge dem Landesverband der Zugang zu Schulen durch eine Entscheidung des Kultusministerium verwehrt. Dort gehe darum die Initiative für Jugendweihe-Feiern in schulischen Räumen von Elternvertretern aus.

27. März 2004


Nachfolgend das Interview im Wortlaut:

"Kirchenpräsenz in Schulen ist keine Zwangsmissionierung"

Berlin. Ende 2003 gelang ihm der Sprung an die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): Wolfgang Huber. Der 61-jährige Theologieprofessor gilt als anerkannter Analytiker, der keine Berührungsängste zu Streitthemen wie Zuwanderung oder Genforschung hat.

Frage: Die Hundert-Tage-Schonfrist seit ihrer Wahl ist vorbei. Haben sich die Kritiker schon gemeldet?

Wolfgang Huber: Die ersten Kritiken gab es schon innerhalb der ersten hundert Tage. Die Wahl fiel ja zusammen mit der Tätervolk-Rede des Bundestagsabgeordneten Hohmann, wo auch von mir Antworten gefragt waren. Ich verstehe aber Kritik als notwendiges Element in einem Dialog. Der EKD-Vorsitz ist für mich ein ausgesprochen dialogisches Amt.

Es gibt aber auch Stimmen, die ihnen Ihr telegenes Auftreten und Sendungsbewusstsein neiden. Darf ein Christ nach Karriere streben?

Mich bestimmt das biblische Gleichnis von den anvertrauten Pfunden, den so genannten Talenten. Da wird gesagt, wer seine anvertrauten Talente vergräbt, wird hinterher vom Hausherrn, der sie ihm auf Zeit anvertraut hat, sehr kritisch betrachtet. Ich habe es immer so verstanden, dass man Gaben, die einem anvertraut sind, für eine gemeinsame Aufgabe einsetzen muss.

Sie kennen als Landesbischof das Problem leerer Kirchen. Haben die Menschen hier vergessen, dass sie Gott vergessen haben?

Es ist zunächst ein großes Geschenk, dass christliche Gemeinden in der DDR durchgehalten und ihren Beitrag zur Wende geleistet haben. Viele Gemeinden haben auch heute eine erstaunliche Ausstrahlungskraft. Doch insgesamt können wir die verbreitete Gottvergessenheit nur überwinden, indem wir als einladende, offene Kirche erkennbar sind.

Zum Beispiel wenn Kirche Schule macht, dann ist sie überaus gefragt?

Kirchliches Schulwesen ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Ich freue mich beispielsweise sehr über den Erfolg des evangelischen Schulzentrums in Leipzig. Aber genauso bedeutend ist die Präsenz von Kirche auch im staatlichen Schulwesen. Evangelische Kirche steht für die Verbindung von Glauben und Bildung. Wir müssen jungen Menschen Bildungsangebote machen, die sie dazu befähigen, selbst zu entscheiden, wie sie zum Glauben stehen.

In Sachsen gab es Streit um den Bezug auf christliche Tradition im Schulgesetz. Ist am Vorwurf der Zwangsmissionierung was dran?

Laut einer EKD-Untersuchung vom letzten Jahr wird auch von religiös Ungebundenen erwartet, dass Kirche einen wichtigen Beitrag zur Wertorientierung von Menschen leistet. So gesehen ist es doch gut, wenn ein Schulgesetz oder ein anderer Verständigungstext sagt: Ja, diesen Beitrag wollen wir leisten. Die Präsenz von Kirche in Schulen hat mit Zwangsmissionierung nichts zu tun.

Im Osten gibt es weiter eine große Dominanz der Jugendweihe gegenüber der Konfirmation. Hoffen Sie noch auf eine Trendwende?

Ich kann es nicht akzeptieren, wenn es weiterhin Schulen gibt, in denen die Jugendweihe klassenweise organisiert wird. Das ist eine Praxis, die aus der DDR-Zeit stammt. Die Jugendweihe ist aber eine weltanschauliche Veranstaltung, die nicht in die Klassenzimmer gehört. Schule ist kein geeigneter Organisationsrahmen dafür. Natürlich wünsche ich mir, dass der Anteil der Jugendlichen wächst, die von sich aus Zugang zum Glauben finden. Das ist aber ein Weg, der in freier Entscheidung gegangen wird. Dafür brauchen wir einen langen Atem.

Ein Thema für junge Menschen ist derzeit der Mel-Gibson-Film "Die Passion Christi". Bietet das Epos einen Zugang zum Glauben?

Nein, wer sich mit der Leidensgeschichte Jesu beschäftigen will, dem rate ich, die Evangelien zu lesen oder Bachs Passionsmusiken zu hören. Mel Gibsons "Passion Christi" ist ein gewaltiger, aber auch gewalttätiger Film. Es gibt eindrucksvolle Bilder - wie das Schlussbild mit Maria und dem vom Kreuz abgenommenen Jesus. Aber der Film ist im Kern unerträglich gewalttätig. Der Sinn des Todes Jesu wird überhaupt nicht deutlich durch die Isolierung auf die letzten zwölf Stunden in seinem Leben.

Viel diskutiert wurde auch über den ersten ökumenischen Kirchentag 2003. Wird es einen weiteren unter ihrem EKD-Vorsitz geben?

Ich hoffe, dass es bis zum Ende meiner Amtszeit 2009 eine Fortsetzung dieser zukunftsweisenden Entwicklung gibt. Es mehren sich die Stimmen, die sich das sehr wünschen.

Interview: Olaf Majer

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 27. März 2004