EKD würdigt früheren Ratsvorsitzenden Kruse zum 75. Geburtstag

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat ihren früheren Ratsvorsitzenden, den Berliner Altbischof Martin Kruse, zu seinem 75. Geburtstag an diesem Mittwoch gewürdigt. Er könne sich bei wichtigen Anlässen auf Kruses kirchenpolitische Erfahrung und theologische Kompetenz stützen, erklärte Kruses Nachfolger in diesem Amt, Wolfgang Huber, am Dienstag in Hannover. Kruse trete nach wie vor als «umsichtiger und sensibler Berater und Kommentator des kirchlichen Zeitgeschehens in Erscheinung».

Die EKD dankte Altbischof Kruse zudem für seinen anhaltenden ehrenamtlichen Einsatz. In seiner Zeit als EKD-Ratsvorsitzender von 1985 bis 1991 habe Kruse zwischen polarisierenden Positionen vermittelt. Als Mitglied des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) habe er sich zudem nachdrücklich für den weltweiten Dialog zwischen den Kirchen eingesetzt.

Unter dem Vorsitz Kruses wurden mit der Demokratie-Denkschrift 1985 und der Wirtschafts-Denkschrift 1991 zwei grundlegende Texte der EKD verabschiedet. Kruse hatte 1977 von Kurt Scharf das Bischofsamt zunächst für die Westregion der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg übernommen. 1991 kam der Ostteil der wiedervereinten Landeskirche hinzu. Im April 1994 übergab er das Bischofsamt an den damaligen Heidelberger Theologieprofessor Wolfgang Huber. Kruse wurde am 21. April 1929 im niedersächsischen Lauenberg geboren und wuchs im Emsland auf.

20. April 2004

Engagierter Mittler in Kirche und Gesellschaft

Der Berliner Altbischof Martin Kruse vollendet am Mittwoch sein 75. Lebensjahr

Von Hans-Jürgen Röder

Berlin (epd). Der Streit war vorprogrammiert, als im Sommer 1997 über 100 kleine und große Spendenaktionen ins Leben gerufen wurden, um den vom Hochwasser betroffenen Menschen an Oder und Neiße zu helfen. Und so überraschte es nicht, dass die brandenburgische Landesregierung bei der Suche nach einem glaubwürdigen Vermittler für ihren Spendenrat ausgerechnet auf den Berliner Altbischof Martin Kruse stieß. Denn Kruse, der an diesem Mittwoch 75 Jahre alt wird, hat in seiner 17-jährigen Amtszeit als Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg oft genug seine besondere Gabe unter Beweis stellen müssen, zwischen streitenden Parteien zu vermitteln.

Schon bei seiner Amtseinführung 1977, die von studentischem Protest begleitet war, bekam er hautnah zu spüren, was ihn damals in der geteilten Stadt erwartete: Eine zerstrittene und polarisierte Kirche, die damit zugleich ein getreues Abbild der gesellschaftlichen Konflikte bot. Vorlesungsboykott und Hungerstreik an der kircheneigenen Fachhochschule, mit dem die Studierenden Studien- und Ausbildungsreformen anmahnten, waren dafür nur ein Beispiel.

Auch die Arbeit der evangelischen Akademie und des Berliner Predigerseminars sowie Kirchenbesetzungen gehörten schon in den ersten Monaten seiner Amtszeit zu den Konflikten, in denen sich Kruse als ehrlicher Makler zwischen den Fronten bewähren musste. Dabei kam ihm nicht nur sein freundlich-gütiger Umgang, sondern auch die Fähigkeit zugute, auf Menschen zuzugehen.

An innerkirchlichen Konflikten war auch in den Jahren danach kein Mangel. Immer wieder musste er Wogen glätten helfen und in inner- wie außerkirchlichen Flügelkämpfen vermitteln. Kruses 17 Amtsjahre waren von der innerstädtischen und innerdeutschen Grenze geprägt. Mit ihm war zwar erstmals ein Bischof für die Westregion der Berlin-brandenburgischen Kirche berufen worden. Doch als Nachfolger von Kurt Scharf fühlte er sich für die gesamte Landeskirche verantwortlich. Nach deren Ordnung war er ausdrücklich verpflichtet, zu seinem Ost-Berliner Amtskollegen brüderliche Verbindung zu halten.

Auch zu den Gemeinden in Ost-Berlin und der Mark Brandenburg hat Kruse immer wieder den Kontakt gesucht - bei touristischen Reisen mit Tagespassierschein oder mit Dienstvisum. Mehr als einmal stieß er bei den DDR-Behörden auf Argwohn. Das kirchliche Beharren auf Einheit auch über die deutsch-deutsche Grenze hinweg blieb der SED-Führung in all den Jahren ein Dorn im Auge. Besonders zu spüren bekam Kruse dies in seiner sechsjährigen Amtszeit als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Vieles von dem, was Kruse an Kontakten über die Mauer hinweg suchte, blieb aus politischer Rücksicht vor der Öffentlichkeit verborgen. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte der öffentlich geführte Briefwechsel mit seinem Ost-Berliner Amtsbruder Gottfried Forck zum 25. Jahrestag des Mauerbaus im Frühsommer 1986. «Unser Gebet, unser Nachdenken und Tun» sei auf eine Zukunft gerichtet, «in der eine Mauer nicht mehr sein wird», schrieb er damals - geradezu prophetisch - über die Sperranlagen hinweg.

Dennoch hat er sich kaum vorstellen können, dass noch in seiner Amtszeit die Mauer fällt und dass er einmal als Bischof der gesamten Landeskirche aus dem Amt scheiden wird. Damit verbunden war allerdings die für ihn größte Herausforderung. Denn so schwierig, wie sich bis heute der Einigungsprozess zwischen Ost und West in Politik und Gesellschaft vollzieht, so mühevoll war es auch bei den Kirchen.

20. April 2004