EKD-Ratsvorsitzender fordert Neuausrichtung des Bildungsbegriffs

Berlin (epd). Anlässlich der Debatten um die Bildungsmisere hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, eine Neuausrichtung des Bildungsbegriffs gefordert. Zu einer umfassenden Bildung gehöre auch die Fähigkeit, ethisch verantwortlich zu handeln, sagte Huber am Montag auf einem Bildungskongress der EKD in Berlin. «In einer Schule, die dieser Vorstellung gerecht würde, wäre Ethik so wichtig wie Englisch, Religion so wichtig wie Mathematik, Geschichte so wichtig wie Informatik», so Huber.

Gerade in Zeiten einer sich ständig verändernden Welt drohten dem Menschen Sinn- und Orientierungsverluste, sagte der Berliner Bischof. Angesichts der politischen Entwicklung und der wissenschaftlichen Fortschritte könne auf das Potenzial der Religion nicht verzichtet werden: «Religion gehört zur allgemeinen Bildung.» Das eigentlich Erschreckende an der PISA-Studie sei die aufgezeigte Ungerechtigkeit im Bildungsbereich gewesen. «Dass das Ziel einer durchgreifenden Chancengerechtigkeit immer noch in weiter Ferne steht, ist ein Skandal», sagte er.

Der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz, rief dazu auf, sich mehr auf die Qualität des vermittelten Wissens in Schulen zu konzentrieren. Die Debatte, dass Schüler zu wenig wüssten, führe zu nichts. Auch sei es falsch zu glauben, dass heute das meiste Wissen zu schnell veralte. «Es gibt genug konstantes, kulturell fest verankertes Wissen, das an allen Schulen vermittelt werden kann», sagte er. Heute sei es wichtiger denn je, gemeinsames Grundwissen zu schaffen.

Der Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin, Robert Leicht, hob die wichtige Rolle der Kirchen bei der Bildungsarbeit hervor. Zwanzig Prozent der Schulen in Deutschland seien privat, davon wiederum werden 80 % von Kirchen getragen. Dort wurden bei internationalen Schulvergleichen die landesweit besten Ergebnisse erzielt, sagte er. Allerdings müsse die evangelische Kirche sich fragen, ob sie die Debatte vielleicht zu «bildungsbürgerlich» geführt habe. Sie müsse nun mehr darauf achten, was «ganz unten» versäumt worden sei.

03. Mai 2004