EKD würdigt Heino Falcke zum 75. Geburtstag

Hannover/Erfurt (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den früheren Erfurter Propst Heino Falcke am Mittwoch zum 75. Geburtstag gewürdigt. Falcke sei einer der wichtigsten Vordenker der Kirche in Ostdeutschland gewesen, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber in Hannover. Seine mutige Stimme habe weit über die Grenzen der DDR hinaus Gehör gefunden.

In der Diskussion um den Standort der evangelischen Kirche in der DDR habe Falcke maßgeblich dazu beigetragen, die Wende von der «kritischen Distanz» zur «kritischen Solidarität» herbeizuführen, fügte Huber hinzu. Falcke zählt zu den profiliertesten Theologen in Ostdeutschland und war Vordenker der kirchlichen Friedensbewegung.

12. Mai 2004


Porträt:

Vordenker für einen friedlichen Wandel in der DDR

Der frühere Erfurter Propst Heino Falcke wird 75 Jahre alt

Von Hans-Jürgen Röder

Erfurt (epd). Ein Volkstribun ist er sicherlich nicht. Doch hat Heino Falcke deutsch-deutsche Geschichte geschrieben. An diesem Mittwoch (12. Mai) vollendet der langjährige Erfurter Propst, dem Kirchen und Friedensbewegung in Ost und West entscheidende Denk- und Handlungsimpulse verdanken, in der Thüringer Landeshauptstadt sein 75. Lebensjahr.

Nicht nur Staat und Kirche, auch sich selbst hat es Falcke nie leicht gemacht. In einem Schlüsselreferat zum Selbstverständnis der DDR-Kirchen mutete er 1972 nicht nur den Christen seine «Hoffnung auf eine verbesserliche Kirche» zu, sondern auch der SED die «engagierte Hoffnung» auf einen «verbesserlichen Sozialismus». Damit forderte er zwar nichts anderes, als die SED selbst immer wieder propagierte. Dennoch ließen die zarten Anklänge an die Prager Reformsozialisten bei der Ost-Berliner Parteiführung sofort alle Alarmglocken läuten.

Für die SED war er damit auf Jahre zum Staatsfeind abgestempelt. Doch das hat den engagierten Pazifisten, der am 12. Mai 1929 in Riesenburg (Westpreußen) geboren wurde, nicht davon abgehalten, die Christen im Land immer wieder zu Mitarbeit in «kritischer Solidarität» mit der DDR-Gesellschaft zu ermuntern.

1973 übernahm er das Erfurter Propstamt, doch hat er den Kontakt zur Basis nie verloren. Vor allem die Friedens- und Umweltgruppen ermutigte Falcke zur Mitarbeit in Kirche und Gesellschaft. Wiederholt hervorgetreten ist Falcke zudem als brillanter Redner auf Kirchentagen und großen Friedenstreffen. Dabei warnte er nicht nur die beiden großen Militärblöcke vor einer Fortsetzung ihres Rüstungswettlaufs, sondern appellierte auch an die Friedensbewegung in Ost und West, das Engagement der jeweils anderen Seite nicht für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Ähnlich unkonventionell argumentierte er Anfang der 80er Jahre, als es darum ging, die weltweite Christenheit zum gemeinsamen Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung zu ermuntern. Auf sein Drängen brachten DDR-Teilnehmer der Weltkirchenkonferenz 1983 in Vancouver den Vorschlag für ein Friedenskonzil aller christlichen Kirchen ein - eine Anregung, die von dem Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer stammte.

Der neuerliche Anstoß durch Falcke sollte mehr Erfolg haben. Auf DDR-Ebene kam 1988 die erste Ökumenische Versammlung zustande, die ihre Arbeit bereits ein gutes Jahr später mit zwölf Grundsatztexten beendete. Ihre theologische Grundlegung mit dem Ruf zur Umkehr und ihren drei «vorrangigen Optionen» für die Armen, für Gewaltfreiheit und für den Schutz allen Lebens tragen Falckes Handschrift.

«Auch der in der DDR existierende Sozialismus bedarf einer Umgestaltung», heißt es in einem der Texte, die bereits wesentliche Forderungen der im Herbst 1989 entstehenden Oppositionsgruppen enthalten. Dem Dresdner Treffen folgten entsprechende Versammlungen auf europäischer Ebene in Basel und auf Weltebene im südkoreanischen Seoul - allerdings ohne die erhoffte Ausstrahlung.

Allen Angeboten zum Trotz hat sich Falcke nach der Wende einen Wechsel in die Politik versagt - ähnlich wie zuvor schon den wiederholten Bitten nach Übernahme eines Bischofsamtes. Auch nach seinem Ruhestand 1994 ist er sich und seinem Engagement treu geblieben - sei es als einer der Initiatoren der «Erfurter Erklärung», die angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich eine grundlegende Erneuerung der Politik forderte, sei es bei den großen Demonstrationen gegen den Irakkrieg vor gut einem Jahr oder beim Disput über gesellschaftliche Ursachen für die Bluttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im April 2002.