Bischof Huber: Aufnahmekapazität der EU nicht überfordern

Brüssel (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat vor einer Überforderung der Menschen durch eine zu rasche Aufnahme der Türkei in die EU gewarnt. Wenige Wochen nach der Osterweiterung der Europäischen Union sei der Zeitpunkt für eine Türkei-Debatte denkbar ungeeignet, sagte der Berliner Bischof am Dienstag vor Journalisten in Brüssel. Mit dem Beitritt von zehn neuen Staaten sei die EU für einige Zeit gut ausgelastet. Sowohl die kollektive Aufnahmekapazität der EU, als auch die individuelle Aufnahmefähigkeit der Menschen seien begrenzt.

Bei seinem ersten Besuch als Ratsvorsitzender wollte Huber am Dienstag in Brüssel mit Kommissionspräsident Romano Prodi sowie den deutschen EU-Kommissaren Günter Verheugen und Michaele Schreyer zusammentreffen. Themen der Gespräche sind die künftige EU-Verfassung, die europäische Sicherheits- und Verteidigungsstrategie sowie die mögliche Mitgliedschaft der Türkei.

Es gebe keine Gründe, einen Beitritt der Türkei zur EU prinzipiell auszuschließen, ergänzte Huber. Zugleich verwies er jedoch auf Probleme des Kandidatenlandes, die noch nicht gelöst seien. Dazu gehöre die Religionsfreiheit. Die spezielle türkische Version des Laizismus habe eine Ungleichbehandlung der Religionen zu Folge, die nicht zu akzeptieren sei. Zudem müsse die Türkei eine offene und selbstkritische Debatte über den Genozid an den Armeniern zulassen. Als nicht europatauglich bezeichnete der Ratsvorsitzende alle Spielarten des Islamismus.

Skeptisch äußerte sich der Berliner Bischof zu Forderungen nach einer Volksabstimmung über die künftige EU-Verfassung. Der Verfassungsvertrag sei wegen seiner Komplexität nicht referendumsfähig, sagte er. Huber erinnerte daran, dass es in Deutschland keine Volksabstimmung über die Grundgesetz-Revision nach der Wiedervereinigung gegeben habe. Deshalb wäre es sehr merkwürdig, wenn nun ein Referendum über die europäische Verfassung stattfinden
würde.

25. Mai 2004