Gottesdienst auf dem Autoscooter

Neue Schaustellerpastorin übernimmt Seelsorge auf Volksfesten

Von Dieter Sell

Hannover/Verden (epd). Auf der Fahrbahn des Autoscooters bekennen etwa 300 Christen im Chor ihren Glauben. Und während die Posaunisten einen herzerwärmenden Choral schmettern, werden an der Losbude ein paar Schritte entfernt die Hauptgewinne ins rechte Licht gerückt. Alltag für die evangelische Schaustellerseelsorgerin Regina Hallmann auf der «Domweih» in Verden bei Bremen. Das Volksfest in der Reiterstadt an der Aller im Juni war der erste größere Auftritt der Theologin, die am Dienstag in Hannover offiziell in ihr Amt eingeführt wurde - in einem Festzelt beim «größten Schützenfest der Welt».

Inzwischen hat die agile 45-Jährige in Hildesheim die erste Taufe in einem Fahrgeschäft absolviert. Ihren Altar, oft nur ein Klapptisch, schmückt ein Tuch mit dem Motto der drei hauptamtlichen Schaustellerseelsorger in der Evangelischen Kirche in Deutschland: «Die Welt ist unser Feld» lautet der Wahlspruch, unter dem bundesweit etwa 6.300 Zirkus- und Schaustellerfamilien mit etwa 23.000 Familienangehörigen besucht werden. Dazu gehören noch einmal etwa 25.000 Saisonangestellte, die meist aus Polen und anderen östlichen Ländern kommen.

Hallmann hat nicht nur Theologie in München, Göttingen und Marburg studiert. Sie ist auch ausgebildete Puppenspielerin und weiß deshalb nur zu gut von der wirtschaftlich schwierigen Situation des reisenden Volkes, dem sie nun mit Caravan und Klappaltar auf den Jahrmärkten folgt. Ihre neunjährige Zeit als Gemeindepastorin in München hat sie hinter sich gelassen. «Ich wollte weg aus der braven Vorortgemeinde», beschreibt sie ihren Willen zur Veränderung.

Manchmal rutscht ihr noch ein «Grüß Gott» heraus, denn obwohl Hallmann in Bonn-Beuel geboren ist, wuchs sie in München auf. Sie hatte schon immer ein Faible für ungewöhnliche Arbeitsgebiete, wie nicht nur ihre Liebe zur Puppenspielerei, sondern auch ihr früherer Einsatz als Gefängnisseelsorgerin beweisen. Die Arbeit mit Schaustellern ist für sie ein passender Anschluss: «In der Bibel liegt die Verheißung schließlich auch auf dem Volk, das unterwegs ist.»

Auf der Domweih in Verden feiert Hallmann nicht nur Gottesdienst. Sie soll auch den neuen Scooter einweihen. Gottes Segen ist den Eigentümern wichtig. Nachdem sie den Betreibern die Hand aufgelegt hat, übergibt sie dem bewegten Geschäftsführer Mike Ahrend eine Kerze, die ihn an diesen Tag erinnern soll. Nachdem dann die Kollekte zwischen mächtigen Lautsprechern und schrill-bunten Malereien eingesammelt ist, singt sie mit der Gemeinde noch einen Wunsch, der für sie Programm ist: «Möge die Straße uns zusammenführen.»

06. Juli 2004