Tacheles-Kongress zum Umgang der Medien mit Gewalt

Die Evangelische Radio- und Fernsehkirche im NDR lädt zum Tacheles-Medienkongress ein, um den journalistischen Umgang mit Schreckensbildern zu diskutieren. Jüngstes Beispiel für den Bruch von Tabus sei der weltweite Wettlauf der Medien um die härtesten und schnellsten Bilder von der Geiselnahme im russischen Beslan gewesen.

Als die Schule im russischen Beslan gestürmt wurde und Einsatzhelfer um das Leben verletzter Kinder rangen, gingen Fernsehsender weltweit live auf Sendung. “Mich hat erschreckt, wie sich Kamerateams auf Sanitäter und Schwerverletzte stürzten, um den Schrecken hautnah einzufangen, sich den Helfern sogar in den Weg stellten”, rügt der Leiter der Evangelischen Radio- und Fernsehkirche im NDR, Pastor Jan Dieckmann.

Beim Bemühen um die härtesten und schnellsten Bilder würden Journalisten jede Distanz verlieren. Wütende Angehörige schlugen in ihrer Verzweiflung auf Fotografen und Kameraleute ein. “Die Betroffenen haben gespürt, wie ihr Leid zu einer Ware wurde”, sagt Dieckmann. “Einige Reporter standen vor der Kamera, während nur wenige Meter entfernt Kugeln einschlugen. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass wir im Fernsehen live den Tod eines Reporters erleben.” Noch während der Befreiung der Geiseln lieferten sich die privaten Fernsehsender RTL und N24 per Pressemitteilung eine Auseinandersetzung darüber, wer als erster Bilder vom blutigen Ende der Geiselnahme ausgestrahlt hatte – beide hatten bereits wenige Minuten nach dem Sturm der Beslaner Schule live berichtet.

Die evangelische Radio- und Fernsehkirche im NDR will die Debatte über journalistische Ethik im Umgang mit Gewalt vertiefen. Gemeinsam mit der evangelischen Phoenix-Talkshow Tacheles – Talk am roten Tisch, der Zeitschrift Chrismon und der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) geht es bei einem Medienkongress am 2. und 3. November in Hannover um das Thema: “Medien und das Spiel mit dem Tabu – sind wir hungrig auf Gewalt?”

Teilnehmen werden Journalisten wie der NDR-Programmdirektor Fernsehen, Volker Herres, die SAT.1-Moderatorin Astrid Frohloff und der RTL-Moderator Markus Lanz; Medienverantwortliche wie der frühere RTL-Chef Helmut Thoma sowie Experten wie der Kriminologe Prof. Dr. Christian Pfeiffer und der Medienforscher Prof. Dr. Jo Groebel.