Gottes Wort auch per SMS - Die Herrnhuter Losungen erscheinen 2005

Von Marius Zippe (epd)

Dresden (epd). Im Herrnhuter Vogtshof in Sachsen stehen alle Ausgaben des christlichen Langzeit-Bestsellers wohlgeordnet in einem Bücherschrank. In den oberen Regalen thronen schwere alte Wälzer, weiter unten reihen sich schmalere und jüngere Bände. Jedes Buch steht für einen oder mehrere gebundene Jahrgänge der "Herrnhuter Losungen", die seit 1731 von der freikirchlichen Brüdergemeine herausgegeben werden.

Die genaue Höhe der Auflage ist unbekannt. Im deutschsprachigen Raum liege sie bei etwa einer Million, sagt Martin Theile vom Direktorium der Brüderunität. Doch mittlerweile werden die Bibelsprüche in 50 Sprachen übersetzt. Mit einem Festwochenende sollen vom 15. bis 17. Oktober im ostsächsischen Herrnhut gleich zwei Jubiläen des meistgelesenen ökumenischen Andachtsbuches der Welt gefeiert werden. Die bereits im Buchhandel erhältliche Ausgabe der Losungen für 2005 ist der 275. Jahrgang. Außerdem fällt auf den 16. Oktober die 100.000ste Tageslosung.

Als "Erfinder" der Losungen gilt der Gründer der Brüdergemeine, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760). Zur Ermunterung der Gläubigen gab er bereits ab 1728 christliche Tagessprüche aus. Nach drei Jahren beschloss er die Herausgabe eines Losungen-Buches, das mit der weltweiten Missionstätigkeit der Herrnhuter auch über die Grenze der so genannten Gemeine bekannt wurde.

Ihre heutige Form mit jeweils einem in enger Beziehung stehenden Bibelvers aus Altem und Neuem Testament sowie einem Text aus Liederzeilen, Gebeten oder Meditationen haben die Losungen erst im 20. Jahrhundert erhalten. Die Verse werden bei Gottesdiensten, Andachten oder anderen christlichen Feiern gelesen. Weit verbreitet unter Christen ist die Lektüre aber auch am häuslichen Frühstückstisch.

Ein bekennender langjähriger Leser am frühen Morgen ist der sächsische Altbischof Volker Kreß. "Mit der Lektüre beginnt der Tag für mich auf eine schöne und schlichte Weise", sagt er. Die Faszination der Losungen sieht Martin Theile in ihrer Kürze und Prägnanz. Gerade bei den Jüngeren komme das Bibellesen in "kleinen Portionen" gut an, sagt er. Für viele Menschen sei das Andachtsbuch auch ein notwendiger Gegenpol zu den Informationen aus den Medien.

Die Entstehung eines Jahrgangs folgt einem strengen Ritual. Einmal im Jahr treffen sich im historischen Sitzungssaal des Herrnhuter Vogtshofes, dem Sitz des Direktoriums, ausgewählte Mitglieder der Gemeine. Auf dem Tisch steht eine Silberschale mit etwa 1.100 nummerierten Kärtchen. Jeder Nummer ist ein Bibelspruch aus dem Alten Testament zugeordnet. Für jeden Tag des übernächsten Jahres wird eine Nummer und damit eine Losung gezogen. In weiteren Schritten werden den gelosten Versen die beiden anderen Texte zugeordnet.

Kaum übersehbar ist die Vielfalt der Losungen. Das Büchlein erscheint in den meisten europäischen Staaten, aber auch in vielen afrikanischen Ländern, in China, Japan, Indien und Indonesien. Die Andachten gibt es auch als Abreiß- und Terminkalender, als CD-Rom und als Bildschirmschoner für Computer. Und seit Anfang Oktober kommt Gottes Wort für jeden Tag - so der Untertitel der Losungen - auch per SMS auf das Handy.