100 Jahre Christuskirche in London

Zum Festgottesdienst kommt auch ein Nachfahre des Kaisers - Deutsche evangelische Kirche in London besteht seit 100 Jahren

Von Barbara Driessen

London (epd). Auf den ersten Blick wirkt die evangelische Christuskirchen-Gemeinde nicht ungewöhnlich: Im November fand ein Laternenumzug statt, und in der Weihnachtszeit ist Basteln für Kinder, Liedersingen und ein Krippenspiel geplant. Fast könnte man meinen, es handele sich um eine ganz normale deutsche Gemeinde irgendwo in Deutschland. Doch die Christus-Kirche liegt mitten in der Londoner Innenstadt. Seit vielen Jahrzehnten bietet sie deutschen Protestanten ein spirituelles Zuhause fernab der Heimat. Am ersten Adventswochenende feiert sie nun ihr 100-jähriges Bestehen.

Am 27. November 1904 wurde die Christus-Kirche im eleganten Londoner Stadtviertel Knightsbridge feierlich eingeweiht. Anwesend waren, so vermeldet das noch erhaltene Kirchenbuch stolz, als Vertreter Seiner Majestät des Deutschen Kaisers Graf Bernstorff und vom hiesigen königlichen Hause Prinz Christian von Schleswig-Holstein. Gebaut und finanziert wurde das imposante Gebäude von der deutschen Adelsfamilie von Schröder, die in London lebte.

Doch die Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde in London geht noch sehr viel weiter zurück. Ihr Beginn fällt in das Jahr 1683, als Georg von Dänemark die englische Thronfolgerin Anne heiratete und seinen deutschen lutherischen Hofprediger mit nach London brachte. In der Königlichen Hofkapelle im Londoner St. James-Palast, wo heute Prinz Charles residiert, versammelte sich fortan eine deutsche Gemeinde zu den Gottesdiensten.

Ab 1708 war die Kapelle offiziell als Deutsche Hofkapelle bekannt. Mit der Thronbesteigung Georgs I. von Hannover 1714 kam viel deutsches Hofpersonal nach London, so dass die ohnehin schon zu «enge fallende Kapelle mit Leuten noch mehr angefüllet» wurde, heißt es in zeitgenössischen Schilderungen.

Erst 1901 verlor die Gemeinde den Segen des britischen Königshauses: Nach dem Tod seiner Mutter Königin Viktoria setzte der neue König Edward VII. die Deutschen im buchstäblichen Sinne vor die Tür: Zu sehr hatte sich Edward über seinen vorlauten Neffen geärgert, den deutschen Kaiser Wilhelm II., der heftig gegen Großbritannien aufrüstete.

Und so blieb der deutschen Gemeinde nichts anderes übrig, als sich nach einer neuen Bleibe umzusehen. Nachdem sie drei Jahre in einem Aushilfsquartier zu Gast war, zog die Gemeinde schließlich 1904 in die Christus-Kirche ein. Kaiser Wilhelm II. ließ es sich nicht nehmen, für das Abendmahl Kreuz und Altarleuchter zu spenden, in die sein Name eingraviert war.

Von 1933 bis 1935 war auch der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurde, Pastor in London. Unter seiner Federführung stellten sich die Pastoren der deutschen Gemeinden in England bei einem Treffen in der Christuskirche gegen Hitler und die Reichskirche. So konnten die deutschen Gemeinden in England zu einem Zufluchtsort für Christen und Juden werden.

Heute gehören noch rund 150 deutsche Familien der Christuskirchen-Gemeinde an. Pastor Wolfgang Kruse (48) leitet die Kirche zusammen mit seiner Frau Anne-Kathrin (47), die ebenfalls Pastorin ist. Zusammen mit ihren beiden Kindern freuen sie sich auf das anstehende Jubiläum. «Wir haben allerlei geplant», erzählt er.

Das Ereignis wird mit einem Empfang in der Deutschen Botschaft und einem großen Orgelkonzert gewürdigt. Die Predigt im Festgottesdienst am Sonntag wird der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Rolf Koppe, halten. Zu den erwarteten Gästen gehören auch Prinz Michael von Kent und Georg Friedrich Prinz von Preußen als Nachfahre des deutschen Kaisers.

25. November 2004