ZDF: "Kanzel der Moderne" feiert Jubiläum

«Kanzel der Moderne» - Seit 25 Jahren überträgt das ZDF Fernsehgottesdienste

Von Stephan Cezanne

Frankfurt a.M. (epd). Deutschlands größte Kirchengemeinde sitzt jeden Sonntagmorgen vor dem Bildschirm: Seit 25 Jahren überträgt das ZDF regelmäßig Fernsehgottesdienste. Bis zu eine Million Menschen nehmen jeweils um 9.30 Uhr auf dem Sofa oder Sessel an einer christlichen Feier teil. Viele zünden zur «Fernsehkirche» zu Hause Kerzen an, lesen in der Bibel und singen die Lieder mit. Die Gottesdienste sind «das einzige Programmangebot im ZDF, das seit der Einführung des Privatfernsehens seine Zuschauerzahlen mehr als verdoppeln konnte», bilanziert das Zweite Deutsche Fernsehen die Erfolgsgeschichte.

Für einige Zuschauer sind die Fernsehgottesdienste die letzte Brücke zur Kirche geworden, erklären die Leiter der ZDF-Redaktion Kirche und Leben, Michaela Pilters und Reinold Hartmann. Viele können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst in die Gottesdienste ihrer Heimatkirchen gehen, für andere sei es der erste Kontakt mit christlicher Liturgie, «weil sie sich scheuen, eine Kirche zu betreten».

Weit mehr als 1.000 evangelische und katholische Gemeinden, aber auch protestantische Freikirchen und Kirchen aus orthodoxer Tradition haben sich laut ZDF in der Vergangenheit beteiligt. Daran erinnert am Vorabend des ersten Advent (27. November) eine Live-Sendung aus dem Zollernhof in Berlin. Zu Gast sind dabei der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, und ZDF-Intendant Markus Schächter.

Für den EKD-Rundfunkbeauftragten Bernd Merz ist die Zusammenarbeit zwischen Kirchen und ZDF ein Glücksfall. Dieses Erfolgsmodell soll auch in Zukunft fortgeführt werden, sagte Merz dem epd. Die TV-Gottesdienste seien als «Kanzel der Moderne» ein wichtiger Beitrag zur Sonntagskultur. Sein katholischer Kollege Ulrich Fischer betont den ökumenischen Beitrag der Sendungen. «Denn viele der Zuschauer sehen gleichermaßen evangelische wie katholische Gottesdienste», so der ZDF-Beauftragte der Bischofskonferenz.

Während die Verantwortung für Verkündigung, Predigt und Liturgie bei den Kirchen liegt, übernehmen die Sender die Kosten und die technische Logistik. Jeder Übertragung geht ein erheblicher Planungsaufwand vom «Drehbuch» bis zur Generalprobe voraus. Nach jedem Gottesdienst rufen mehrere hundert bis zu tausend Zuschauer an. Geregelt sind die Übertragungen im ZDF-Staatsvertrag, nach dem den Kirchen Sendezeiten zur Übertragung von Gottesdiensten zustehen.

Die Übertragungsorte sind ein Querschnitt des Alltags der katholischen und evangelischen Gemeinden, so das ZDF. Zudem zeigten die TV-Gottesdienste, dass die Feier nicht an einen Kirchenraum gebunden ist. Beispiele seien ein Gottesdienst mit Papst Johannes Paul II. aus dem Olympiastadion Berlin, am Volkstrauertag 2002 aus Sarajevo mit deutschen SFOR-Soldaten oder in der Nähe des berüchtigten «Ballermann»-Strandes auf Mallorca zum Thema Körperkult.

Die Einführung regelmäßiger Gottesdienste geschah «auf eigenen Wunsch des ZDF und zunächst sogar gegen den Widerstand der Kirchen, die eine Konkurrenz befürchteten», sagte ZDF-Intendant Schächter in einem Interview. Im deutschsprachigen Raum sei das ZDF der einzige Sender, der dieses Angebot macht. Schächter: «Darauf können wir stolz sein.»

25. November 2004