Post an den Weihnachtsmann: "Wie viele Rentiere hast Du?"

Der Weihnachtsmann in Himmelsthür erhält täglich 2.000 Briefe

Von Michael Grau

Hildesheim (epd). Fine aus Osnabrück ist sechs Jahre alt und möchte zu Weihnachten unbedingt einen Holzdegen bekommen. «Weil wir dann besser Muskeltiere spielen können», lässt sie in ihrem Brief den Weihnachtsmann wissen. «Meine Schwester Jule und Mama brauchen auch einen Holzdegen, denn wir sind die drei Muskeltiere.» Solche Briefe erhält Karlheinz Dünker (61) derzeit in Massen. Der pensionierte Postbeamte ist der Weihnachtsmann im «Himmlischen Postamt Himmelsthür» in Hildesheim, einem von sieben weihnachtlichen Postämtern in Deutschland.

Rund 2.000 Briefe an den Weihnachtsmann oder ans Christkind gehen jeden Tag in seinem Büro ein, das nicht direkt im Stadtteil Himmelsthür, sondern neben dem Hauptpostamt liegt. Sie kommen aus ganz Deutschland, einige auch aus Ländern wie Polen, Frankreich, Kanada oder Japan. Leon wünscht sich eine Ritterburg, Amelie ein Schmink-Set. Und Lukas fragt, ob sich seine Meerschweinchen auch etwas wünschen dürfen, denn sie mögen so gerne Möhren und Heu.

Viele Kinder legen Bilder vom Weihnachtsmann und seinen Rentieren oder selbstgebastelte Sterne bei. «Toll, Dein Bild», schreibt der Weihnachtsmann dann per Hand auf den Antwortbrief. «Es wäre doch schade, wenn der Weihnachtsmann so etwas Schönes ignorieren würde», sagt Dünker. Antwort sollen alle Kinder erhalten. Damit der Weihnachtsmann das schafft, helfen ihm seine «Engel»: Claudia, Sabine, Annette, Ulrike und Mariele - Frauen zwischen 20 und 42. Sie adressieren die Umschläge per Hand und legen eine Geschichte vom Weihnachtsmann hinein.

Alle Antworten werden mit Weihnachtsmarken und Sonderstempeln versehen. Rund 50.000 werden es dieses Jahr wieder sein, schätzt Dünker. Oft schreiben dem Weihnachtsmann ganze Schulklassen oder Kindergarten-Gruppen. «Hast Du eine Familie?», wollen die Kinder dann wissen. «Wie viele Rentiere hast Du? Wie alt warst Du, als Du das erste Mal Geschenke verteilt hast?»

Der Weihnachtsmann bekommt aber auch tiefe Einblicke in das deutsche Familienleben. «Ich wünsche mir, dass Papa wieder zu uns zieht», hat die achtjährige Frauke geschrieben. Einmal war unter einem solchen Kinderbrief in blauer Erwachsenenschrift zu lesen: «Papa gehört nicht zur Familie.» Erwachsene wenden sich auch direkt an den Weihnachtsmann. So erzählt die 58-jährige Elisabeth aus Köln vom abgerissenen Kontakt zu ihren Kindern.

«Wir zwischen Himmel und Erde fühlen mit Dir», antwortet der Weihnachtsmann dann kurz. Viel mehr kann er bei der Flut der Briefe nicht schreiben. «Ich bin kein Psychologe und kein Pädagoge. Aber für die Absender ist es wichtig zu wissen, dass es der Weihnachtsmann wirklich gelesen hat.» 1973 hat Dünker im Weihnachtsmann-Team angefangen. Inzwischen identifiziert er sich so sehr mit der Rolle, dass er sich Briefe übers Wochenende mit nach Hause nimmt. «Man wird in die Rolle richtig hineingezogen.»

Nur in einem Fall kann der Weihnachtsmann nichts machen: wenn der Absender auf dem Umschlag fehlt. «Dann glauben die Eltern nicht an den Weihnachtsmann. Sonst hätten sie aufgepasst, dass die Kinder auch wirklich Antwort bekommen.»

16. Dezember 2004