Kirchentag endet mit Appell für eine bessere Welt

Kritik an Wirtschaftsordnung – Aufruf zu Veränderung – Mehr als 100.000 Teilnehmer

Mit einem eindringlichen Appell, sich tatkräftig für eine gerechtere Welt einzusetzen, ist am Sonntag in Hannover der 30. Deutsche Evangelische Kirchentag zu Ende gegangen. Bei dem von rund 105.000 Menschen besuchten Schlussgottesdienst auf dem Schützenplatz forderte Kirchentagspräsident Eckhard Nagel dazu auf, die Vision für eine bessere Welt nicht aufzugeben. „Lasst uns gemeinsam aufbrechen in eine gerechtere Welt“, rief Nagel den Gottesdienstbesuchern zu. Notwendig sei eine „Globalisierung der Herzen“, um etwas gegen den Skandal der Armut auf der Welt zu tun.

Der katholische niederländische Theologe Huub Oosterhuis sagte in seiner Predigt, eine Kirche, die sich evangelisch nenne, müsse an der biblischen Vision einer „neuen Welt“ festhalten. Der bestehenden Wirtschaftsordnung auf der Welt zuzustimmen wäre Zynismus. Die herrschende Ideologie des freien Marktes sei schamlos. Sie zerrütte immer mehr die öffentliche Moral und höhle die Gewissen immer mehr aus. Man dürfe sich nicht damit abfinden, dass die gegenwärtige Welt „mit ihren ausgefeilten Techniken der Ausbeutung und Erniedrigung und Schmerz“ die einzig mögliche sei.

Oosterhuis rief die evangelischen Christen dazu auf, sich für eine gerechte Wirtschaftsordnung einzusetzen. Gerecht sei eine Ökonomie, wenn sie auf die Verbesserung der Lebensumstände der Ärmsten auf dieser Welt ausgerichtet sei. Der tatkräftige Kampf gegen Armut, Kindersterblichkeit oder Aids sei das, was man Liebe nenne. Oosterhuis forderte die evangelische Kirche auf, sich in diesem Sinne von Traditionen jüdischen Glaubens inspirieren zu lassen. Dort gehe es um die Verantwortung für diese Erde und nicht um Engel-Erfahrungen, Esoterik und Jenseits-Szenarien.
Kirchentagspräsident Eckhard Nagel sagte, die Kirche müsse wieder politischer werden, um christliche Werte im Alltag durchzusetzen. Sie müsse bewegt sein von „Mut und Bereitschaft zu Protest, zu Protest für Gottes Wahrheit im alltäglichen Leben“. Dazu gehöre allerdings auch der Verzicht auf starre Bilder und unfehlbare Antworten sowie die Einsicht in die eigenen Grenzen. Absolute Antworten gebe es nicht. Auf dem Kirchentag in Hannover, so lobte Nagel, sei eine „neue Kultur des Fragens und Nachdenkens“ entstanden. Und die Botschaft sei klar: „Jeder kann etwas verändern.“

29. Mai 2005
Nachrichtenredaktion Kirchentag