Bundestag verurteilt Völkermord an den Armeniern

Berlin (epd). Der Bundestag hat trotz massiver Kritik der Türkei den Völkermord an den Armeniern vor 90 Jahren verurteilt und dazu mit den Stimmen aller Fraktionen einen Antrag verabschiedet. Das Parlament verneige sich im Gedenken an die Opfer von Gewalt, Mord und Vertreibung und beklage die Taten der damaligen Regierung der Jungtürken, heißt es in dem am Donnerstag ohne Debatte beschlossenen Antrag. Er war auf Initiative der CDU/CSU-Fraktion zustande gekommen.

Entgegen der ursprünglichen Fassung wird in der Begründung des Antrags der Begriff Völkermord verwendet. Da die Türkei den Genozid, dem in den Jahren 1915/1916 rund 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen, bis heute leugnet, wollte die Union auf den Terminus verzichten, um die Türkei nicht zu provozieren. In der Antragsbegründung heißt es jetzt, dass zahlreiche Historiker und Parlamente die Vertreibung und Vernichtung als Völkermord bezeichnet hätten.

Die Fraktionen rufen Türken und Armenier zur Versöhnung auf und würdigen die Fortschritte bei der historischen Aufarbeitung in der Türkei. Allerdings wird bemängelt, dass eine umfassende öffentliche Debatte über das Thema in der Türkei nach wie vor unterdrückt wird und eine Armenier-Konferenz der Universität in Istanbul von der Regierung abgesagt wurde.

Der Bundestag wolle alle Deutschen und Türken ehren, die sich für die Rettung von Armeniern eingesetzt hätten, heißt es weiter in dem Antrag. Besonders wird der evangelische Pfarrer Johannes Lepsius erwähnt, der damals unermüdlich für die Armenier kämpfte und ihr Leiden dokumentierte.

Ebenso verweist der Bundestag auf die Verstrickung des Deutschen Reiches in den Völkermord. Als Verbündeter des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg wusste die Reichsregierung von den Massakern, griff aber nicht ein. Dieses Kapitel der Geschichte sei auch in Deutschland bislang nicht befriedigend aufgearbeitet.

Der türkische Außenminister Abdullah Gül hatte die Entschließung des Bundestags im Vorfeld scharf kritisiert. Ein Land auf so billige Art und Weise zu beschuldigen, sei erschreckend. Die Türkei empfinde die Debatte als große Ungerechtigkeit, sagte Gül im MDR.

16. Juni 2005