Taufe mit Meerwasser

Pastorin tauft Kinder am Ostseestrand

Von Katrin Juhl (epd)
Kiel (epd). Die kleine Lilly brüllt Herz zerreißend, als Pastorin Sigrun König (36) das kühle Ostseewasser auf ihren flaumigen Scheitel gießt. Sie ist gerade ein Jahr alt geworden und ganz in rosa Rüschen gepackt. Ihre Familie steht knietief im Wasser am Strand von "Kalifornien", einem Ostseebad bei Kiel. Jeden Sonntag tauft Pastorin König hier während der Sommermonate kleine und große Kinder. "In diesem Jahr habe ich 50 Taufen zugesagt. Mehr schaffe ich einfach nicht."

An Buhne 24 in Kalifornien baut die Pastorin mit dem grau melierten Lockenkopf sonntags ihren Strand-Altar auf: Ein schlichtes Holzkreuz, vier Taufkerzen und ein weißes Altartuch. Davor steht sie feierlich im schwarzen Talar mit bunter Stola - aber barfuß. Mit ihrer Gitarre sorgt sie für Stimmung. "Zum Lobe Gottes ist alles erlaubt", spornt sie die Besucher an. "Hauptsache, man macht den Mund auf." Ihre hohe kräftige Stimme hallt über den Strand. Einige der Strandbesucher summen mit.

Die Gottesdienstbesucher sitzen auf Bierzeltbänken, die die Strandranger kostenlos angeschleppt haben. Rund 90 Erwachsene und gut ein Dutzend Kinder sind gekommen. Drumherum im Sand spielen Kleinkinder mit Eimer und Förmchen. Touristen sitzen in Badehosen auf Strandlaken und lesen Zeitung. Möwen kreischen und regelmäßig platscht es, wenn wieder einer baden geht.

Zur Taufe zieht Sigrun König den Talar aus, bevor sie ins Wasser geht. Im kurzen grauen Kleid spricht sie den Taufspruch und schöpft drei Hände voll Wasser, das sie den Kindern über den Kopf gießt. "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes." Beide werden ziemlich nass. Eltern und Paten stehen drum herum und beantworten die Tauffrage: "Ja, mit Gottes Hilfe." Die Röcke der Frauen sind gerafft, die Anzugshosen der Herren akkurat gekrempelt.

Im vorigen Jahr waren es 28 Ostsee-Täuflinge, dieses Jahr kann sich die Urlauber-Pastorin vor Anmeldungen kaum retten. Unter Theologen ist eine Taufe mit Salzwasser umstritten. "Ein Kollege ist der Meinung, Meerwasser ist kein Wasser des Lebens", erzählt die Pastorin. Sie selbst sieht das anders, und die nordelbische Kirche steht hinter ihr. Wichtig ist ihr, dass die Menschen die Taufe als Sakrament ernst nehmen. "Wenn ich das Gefühl habe, die wollen nur was Witziges machen, lehne ich ab."

Den Eltern gefällt die Taufe sichtlich. Es sei so natürlich und nicht so steif wie in der Kirche, sagt Lillys Vater. Mit acht und elf Jahren gehören Svenja und Philip Kugel zu den älteren Täuflingen. Ihre Eltern sind eigens von Syke bei Bremen angereist. "Wir fühlen uns dem Meer unheimlich verbunden. Das wollten wir unseren Kindern mitgeben", sagt die Mutter. Und auch Philip hat seine Taufe gefallen: "Das war echt cool."

15. Juli 2005