Was verbindet Schüler in Deutschland mit der "Dritten Welt"?

Verein startet bundesweite neue Schülerzeitung für Entwicklungspolitik

Von Jutta Wagemann (epd)

Berlin (epd). Sie hat noch keinen Namen. Es fehlt noch Geld. Der Vertrieb ist noch nicht geklärt. Doch die Macher sind von ihrer Idee begeistert. "Etwas Einzigartiges", schwärmt der 20-jährige Philippe Gröschel. "Es gibt nichts Vergleichbares für diese Zielgruppe", sagt Stephan Reimers, 61 Jahre. Der Abiturient und der Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe sind im Vorstand des neuen "Vereins für entwicklungspolitische Bildung". Er wurde mit nur einem Ziel gegründet: eine bundesweite Schülerzeitung für Entwicklungspolitik auf die Beine zu stellen.

Reimers, der zugleich der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesregierung ist, hat sich eine gewaltige Aufgabe vorgenommen. Die neue Schülerzeitung, die Anfang kommenden Jahres erstmals erscheinen soll, soll zwei Projektideen miteinander verbinden, die Reimers einst als Leiter der Diakonie in Hamburg realisierte.

Die Obdachlosenzeitung "Hinz und Kunzt" und das Hamburger Spendenparlament sollen gewissermaßen zusammengefügt werden. "Hinz und Kunzt" gibt Obdachlosen und anderen Beschäftigung. Ein Teil des Erlöses von jedem Heft dürfen die wohnungslosen Verkäufer für sich behalten. Im Hamburger Spendenparlament versammeln sich Bürger, die nicht nur für wohltätige Zwecke Geld geben wollen, sondern demokratisch mitbestimmen, welches Projekt gefördert wird.

Auf Schüler übertragen heißt das: Schüler aus ganz Deutschland gestalten gemeinsam mit professionellen Journalisten eine Zeitschrift, die dreimal im Jahr erscheinen soll. Sie kostet zwei Euro pro Exemplar und soll nach Möglichkeit an allen 30.000 Schulen verkauft werden. 1,20 Euro gehen an entwicklungspolitische oder soziale Projekte. In Spendenparlamenten an den Schulen und über das Internet bestimmen die Schüler, welche Projekte gefördert werden sollen. Werden mindestens 50 Zeitungen verkauft, darf auch ein soziales Projekt am Ort der Schule unterstützt werden.

"Die Kirchen stehen bei entwicklungspolitischen Fragen der Politik immer als Einforderer gegenüber", sagt Reimers. "Daher wäre es so hilfreich, wenn wichtige Teile der Bevölkerung unsere Forderungen unterstützten." Doch gerade in der jungen Generation schwindet nach Reimers Beobachtung das Interesse an Entwicklungsländern. Die Zeitschrift soll für eine stärkere Identifikation sorgen.

Philippe Gröschel teilt diese Einschätzung. Entwicklungspolitik stehe nicht im Rampenlicht. Die Zeitschriften, die es bereits gebe zur Entwicklungspolitik, sprächen nur Menschen an, die selbst vom Fach seien. Der Ulmer Abiturient, der bis 2006 dem Landesschülerbeirat in Baden-Württemberg angehört, ist dennoch zuversichtlich, dass die Zeitschrift auf Interesse stoßen wird.

Entscheidend ist für ihn, dass die Schüler selbst mitmachen dürfen. Sie müssen ihre Schulleiter von der Zeitschrift überzeugen, sie in der Pause verkaufen, die Spendenparlamente organisieren, Texte schreiben. "An wohltätigen Projekten sind alle Schülervertretungen interessiert", ist Gröschels Erfahrung seit der Tsunami-Katastrophe. Zig Schulen organisierten Partnerschaften mit den betroffenen Ländern.

Herausgegeben wird die Zeitschrift von dem neu gegründeten "Verein für entwicklungspolitische Bildung". Ein paar finanzkräftige Sponsoren sind auch schon gefunden. "Aber noch nicht genug", betont Reimers. Der Verein wird durch einen Beirat unterstützt, dem Landerschülervertretungen, Entwicklungsorganisationen und auch die katholische Kirche angehören.

Noch befallen Reimers hin und wieder leise Zweifel, ob es gelingt, die Zeitschrift an Tausenden von Schulen zu verkaufen. Doch die Schülervertreter, mit denen er sich bislang getroffen hat, haben ihn begeistert. Sehr wach und sehr clever haben sie mit ihm diskutiert. "Ich weiß, eine Zeitschrift über Popmusik würde auch funktionieren." Doch mit seinem Engagement für die Entwicklungspolitik hat er offensichtlich die Schüler angesteckt.

27. Juli 2005