Pakistan: Brücken bauen zwischen Christen und Muslimen

Eine Organisation in Pakistan wirbt für Toleranz - Auch Kirchen helfen Erdbeben-Opfern

Von Andreas Gorzewski

Bonn (epd). Bischof Samuel Azariah und der muslimische Gelehrte Qazi Abdul Qadir Khamoosh sehen sich als Brückenbauer. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gründeten sie in Pakistan die «Internationale muslimisch-christliche Föderation». Ziel der Initiative ist, für Toleranz zu werben und den «Missbrauch der Religion» zu bekämpfen. Als Gäste des Evangelischen Entwicklungsdienstes in Bonn besuchen die beiden zurzeit Deutschland.

Überschattet wird ihre Reise vom schweren Erdbeben in Nordpakistan. Die Katastrophe lasse die Menschen zusammenrücken, berichten Khamoosh und Azariah. Hunderttausende Obdachlose sind auf Hilfe angewiesen. Auch die pakistanischen Kirchengemeinden helfen den Erdbeben-Opfern mit Zelten, Wasser und Lebensmitteln, schildert der protestantische Bischof Azariah: «Gemeinsames Leid bringt die Leute immer zusammen.»

Vom Frieden unter den Religionen ist Pakistan aber noch weit entfernt. Terroristen verübten mehrere Attentate auf Kirchen und christliche Schulen, bei denen viele Menschen starben. Auch unter den Muslimen bekämpfen sich Sunniten und Angehörige der schiitischen Minderheit gegenseitig. «Unglücklicherweise dauert die Gewalt zwischen Muslimen und Nichtmuslimen und innerhalb des Islam an», sagt Khamoosh.

Der Vorsitzende der Föderation von muslimischen, christlichen und politischen Organisationen, will die Kluft zwischen den Glaubensgemeinschaften überbrücken. «Es gibt eine kleine Gruppe, die die Religion als Geisel genommen hat», beklagt Kamoosh die Gewalt von Extremisten, die im Namen der Religion agieren. Dies geschehe unter den Muslimen in Pakistan genauso wie unter den Hindus in Indien oder unter den Christen in Nordirland. «Die breite Gesellschaft will in Frieden leben», ist er überzeugt.

Der 11. September 2001 war ein Wendepunkt. Durch die Terroranschläge in den USA und den anschließenden Krieg gegen den Terror - auch im Nachbarland Afghanistan - hätten sich die Konflikte in Pakistan verschärft, sagt Bischof Azariah. Er leitet die United Church of Pakistan, in der mehrere protestantische Kirchen vereint sind. Mutiges Engagement für Verständigung sei noch notwendiger geworden.

«Wir haben Höhen und Tiefen erlebt», beschreibt Azariah die Position der Christen. Rund vier Millionen Menschen, knapp drei Prozent der 140 Millionen Pakistaner, bekennen sich zum Christentum. Von vielen Muslimen werden sie misstrauisch als mögliche Verbündete des Westens betrachtet, ausgegrenzt und diskriminiert. «Für den einfachen Muslim ist die Kirche ein Ergebnis des Kolonialismus», erklärt Azariah - und fügt hinzu: «Wir sind Christen, aber wir sind auch Pakistaner.»

Einen herben Rückschlag im Ringen um Anerkennung erlebten die pakistanischen Christen, als der erste christliche Kricket-Nationalspieler Yusuf Yuhanna öffentlich zum Islam übertrat. Kricket ist Nationalsport in der ehemaligen britischen Kolonie. Sein Übertritt sei ein psychologischer Rückschlag gewesen, sagt Azariah. Der Sportler war eine Identifikationsfigur für die Christen.

Ein Religionswechsel vom Islam zum Christentum kommt dagegen nur selten vor. Dem frisch getauften Christen drohen Strafen und soziale Ächtung. Khamoosh ist trotz aller Probleme in seinem Streben nach Toleranz optimistisch: «Unser andauernder Einsatz wird im Laufe der Zeit erfolgreich sein.» Beharrlich bringt die interreligiöse Föderation immer wieder Politiker und andere Menschen aller Bevölkerungsgruppen und Religionen zu Gesprächen zusammen.

Am kommenden Freitag wird die Delegation auch mit dem Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Rolf Koppe, im Kirchenamt der EKD in Hannover zusammentreffen.

12. Oktober 2005