Gottesdienst zur Konstituierung des Bundestags

Kirchen rufen Politik zu weiteren Reformen auf

Berlin (epd). Zum Beginn der neuen Legislaturperiode des Bundestags haben die beiden großen Kirchen die Politiker aufgerufen, in ihrer Reformbereitschaft nicht nachzulassen. Das Vertrauen in den Sinn und die Kraft von Reformen müsse gestärkt werden, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, am Dienstag in einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Französischen Friedrichstadtkirche anlässlich der konstituierenden Sitzung des Bundestags.

Es gehe in diesen Zeiten besonders darum, die großen Wandlungen und Herausforderungen mutig wahrzunehmen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, in dem Gottesdienst. Der rechte Zeitpunkt für Reformen dürfe nicht verpasst werden. Dabei solle die Politik auch die «fundamentalen Verschiebungen im globalen Gefüge von Völkern und Volkswirtschaften im Auge behalten».

Huber wies auf die Verantwortung der Politiker hin. Die Zeit des Wahlkampfs sei zu Ende, jetzt gehe es um die gemeinsame Arbeit um der Menschen willen. An der Verantwortung für das Wohl der Menschen und für den Frieden hätten alle teil, unabhängig wer die Regierung und wer die Opposition stelle.

Auch wenn es manchmal nötig sei, Grenzen zu ziehen, um Frieden zu ermöglichen, müssten Grenzen ihre tödliche Gewalt verlieren. Der Ratsvorsitzende bezeichnete das Flüchtlingsdrama in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Marokko als bedrückend. Dort seien Menschen nicht nur zurückgewiesen, sondern getötet worden. «Wir wollen Europa eine Seele geben, aber in Ceuta und Melilla hat Europa ein Stück seiner Seele verloren», so Huber.

Lehmann rief dazu auf, sich von geistigen und ethischen Grundentscheidungen leiten zu lassen, nicht von den von außen kommenden Zwängen. Der Zweifel wachse, ob die säkularen Normen allein ausreichten.

An dem Gottesdienst nahmen neben zahlreichen Bundestagsabgeordneten und scheidenden wie künftigen Ministern die Spitzen aller Verfassungsorgane teil: Bundespräsident Horst Köhler, der scheidende Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sowie seine designierte Nachfolgerin Angela Merkel (CDU), der ebenfalls scheidende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und sein designierter Nachfolger Norbert Lammert (CDU) sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier.

18. Oktober 2005

Predigt des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Huber

Begrüßung und Hinführung des DBK-Vorsitzenden, Kardinal Lehmann