Experten fordern bessere Versorgung von Schmerzpatienten

Kusch-Vorstoß zur Legalisierung aktiver Sterbehilfe kritisiert

Bremen (epd). Experten haben zu Beginn des 30. Deutschen Schmerzkongresses in Bremen eine bessere Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen gefordert. Über Jahre andauernde Schmerzen seien gesellschaftlich ein "gravierendes Problem", sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes, Michael Zenz, am Mittwoch vor Journalisten. Betroffen sind nach seinen Worten bundesweit etwa acht Millionen Menschen. Trotz jährlicher Folgekosten in Höhe von etwa 25 Milliarden Euro werde die Schmerztherapie von den Kassen jedoch "lausig bezahlt".

Bei dem Kongress diskutieren bis Samstag mehr als 2.000 Wissenschaftler, Mediziner und Pflegekräfte über neue Therapien bei chronischen Schmerzen. Besonders bei alten Menschen seien chronische Schmerzen "Volkskrankheit Nummer eins", betonte Zenz. Doch für niedergelassene Ärzte wie für Kliniken sei die Behandlung ein Zuschussgeschäft. "Das muss dringend geändert werden", sagte der Mediziner und forderte mehr Geld für Diagnose und Therapie. Im Studium sei das Thema keine Pflicht, in der Weiterbildung von Internisten und Allgemeinmedizinern komme es nicht vor.

Vor diesem Hintergrund sei der Vorstoß des Hamburger Justizsenators Roger Kusch (CDU) für eine aktive Sterbehilfe "unerträglich", kritisierte Zenz. Die Qualität der Versorgung sei schlecht, weil zu wenig gelernt werde. Auch deshalb leide jeder chronische Patient durchschnittlich zehn Jahre an seinen Schmerzen und besuche in dieser Zeit zwischen fünf und 15 Ärzten, ohne dass ihm geholfen werde. Hausärzte seien oft überfordert, falsche und überzogene Therapien kosteten den Sozialstaat viel Geld und schadeten den Betroffenen.

Kongresspräsident Michael Strumpf betonte, der Kampf gegen chronische Schmerzen erfordere die Zusammenarbeit von Medizinern, Psychologen und Pflegekräften. "Zur erfolgreichen Therapie gehören nicht nur die Pille, die Spritze, die Massage oder der Psychologe, sondern von allem etwas." Migräne, Kopf- oder Rückenschmerzen hätten nicht nur biologische, sondern auch psychosoziale Ursachen. Zu den Warnzeichen gehöre neben beruflichen Problemen auch der Medikamentenmissbrauch.

Der Patient müsse dazu bereit sein, selbst gegen den Schmerz zu kämpfen und sein Leben wieder in den Griff zu kriegen, betonte Strumpf. Wer als Schmerzpatient beispielsweise das Rauchen aufgebe, könne damit rechnen, dass sich sein Befinden verbessere. "In einigen Fällen sogar ebenso gut wie durch Medikamente", sagte der Internist und Psychotherapeut Winfried Häuser vom Zentrum für Schmerztherapie am Klinikum Saarbrücken.

Organisatoren der viertägigen Jahrestagung in Bremen sind die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Erstmals soll eine repräsentative Studie über das Thema Kopfschmerz in Deutschland vorgestellt werden. Das Treffen endet mit einem öffentlichen Patientenforum zu Migräne, Spannungskopfschmerz und Rückenschmerzen.

19. Oktober 2005