Sudan: Zwischen Misstrauen und Hoffnung

Auf seiner Reise durch den Sudan erlebt der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber ein zerrissenes Land

Von Marc Engelhardt (epd)

Khartum (epd). Der scharfe Wind bläst rote Erde durch das offene Fenster im Behandlungszimmer von Kendiende Mabuor. Der Arzt wischt den Staub vom Tisch, während er dem Besucher aus Deutschland die Lehmhütten in einem der Elendsviertel von Khartum zeigt. «Hier leben mehr als 80.000 Menschen, fast alle Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Südsudan.» Vor der Tür warten die Patienten. Viele von ihnen, so Mabuor, kommen von weit her in das von den Kirchen getragene Hospital, weil sie den staatlichen Krankenhäusern nicht trauen.

Vom Misstrauen gegenüber der Regierung hört der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, auf seiner Reise durch den Sudan immer wieder. Fast elf Monate nach Unterzeichnung des Abkommens, das den mehr als zwanzigjährigen Bürgerkrieg zwischen dem mehrheitlich islamischen Norden und dem überwiegend christlichen Süden offiziell beendet hat, ist vom versprochenen Aufbruch in eine gemeinsame Zukunft wenig zu spüren. Die Kirchen fühlen sich nach wie vor verfolgt.

«Die Unterdrückung der christlichen Minderheit geht weiter», urteilt Mark Akec, der amtierende Generalsekretär der Sudanesischen Kirchenkonferenz. Während die islamische Regierung von Präsident Omar Hassan el Baschir die Kirchen im Süden notgedrungen akzeptiere, würden im Rest des Landes die Daumenschrauben umso fester angezogen. So spreche Baschirs Lager inzwischen offen darüber, in Khartum die islamische Scharia auch für Christen beizubehalten - obwohl der Friedensvertrag dies untersagt. Am Plan, die Scharia aufs ganze Land auszudehnen, hatte sich der Bürgerkrieg erst entzündet.

Andere Vertreter der zwölf Kirchen, die im Sudanesischen Kirchenrat zusammen geschlossen sind, berichten von willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und der Brandstiftung in einer lutherischen Kirche. «Baschir möchte die Christen aus dem Norden vertreiben, und zwar mit allen Mitteln», warnt der Kirchenrats-Vorsitzende Musa Kodi.

Davon wären auch gut zwei Millionen Flüchtlinge betroffen, die wie Mabuors Patienten im tristen Armengürtel rund um Khartum leben. Viele von ihnen würden gerne zurück in die Heimat, trauen sich aber wegen anhaltender Gefechte und der unklaren Lage nicht. «In dieser Situation werden die Kirchen als Halt benötigt», sagt Kodi. Eine Botschaft, die auch Huber teilt: «Die Kirchen haben im Friedensprozess eine wichtige Rolle gespielt, jetzt geht es darum, dass wir zur Versöhnung und zur Heilung der entstandenen Wunden beitragen.»

Die gibt es auf beiden Seiten: Die mehr als vier Millionen Christen im Land, rund zwölf Prozent der Bevölkerung, standen im Bürgerkrieg unter Generalverdacht, Separatisten und Sympathisanten der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) zu sein. Auf der anderen Seite wurden viele der überwiegend gemäßigten Muslimen im Land nach dem Putsch Baschirs im Juni 1989 für dessen radikale Politik mitverantwortlich gemacht.

Hinzu kommen die Menschenrechtsverletzungen in anderen Teilen des größten Landes Afrikas. Nicht nur in Darfur, wo bislang zwei Millionen Menschen vertrieben und bis zu 180.000 ums Leben gekommen sein sollen, auch im Osten des Landes brodelt es. Für die Kirchen sieht Huber hier eine weitere Aufgabe. «Wir müssen die Erfahrungen aus dem Friedensprozess für den Süden nutzen, um die Gewalt zu beenden und diese Konflikte zu lösen», fordert der Ratsvorsitzende.

24. November 2005

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