Heikles Terrain - Der Umgang mit homosexuellen Geistlichen

Von Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Bereits nachdem das Vatikan-Dokument zum Umgang mit homosexuellen Priesterkandidaten vorab durchgesickert war, reagierten Schwulen-Organisationen und linksliberale Politiker mit Empörung. Auch nach der offiziellen Veröffentlichung am Dienstag provozierte die harte Haltung zum Umgang mit schwulen Priesteranwärtern scharfe Reaktionen. Das Vatikan-Papier komme einer "theologischen Verteufelung der Homosexuellen gleich", urteilte der Grünen-Politiker Volker Beck in einem Gastkommentar in der Zeitung "Die Welt".

Ob und unter welchen Regeln homosexuelle Prägung und kirchliches Amt vereinbar sind, dieser Frage stellt sich nicht nur die katholische Kirche. Auch in anderen Kirchen ist der Umgang mit homosexuellen Geistlichen ein heikles Terrain.

Für Dauerstreit und regelmäßige Krisen sorgt die homosexuelle Prägung von Geistlichen bei den Anglikanern. Noch 1998 lehnten die anglikanischen Bischöfe mit deutlicher Mehrheit die Zulassung von Homosexuellen zum Priesteramt ab: 565 Bischöfe unterstützten damals diesen Kurs, knapp 70 favorisierten ein liberalere Position. Seither wird der innerkirchliche Streit in der weltweiten Gemeinschaft der 70 Millionen Anglikaner von Spaltungstendenzen überschattet. Im November 2003 kulminierte der Konflikt, nachdem der bekennende Homosexuelle Gene Robinson zum Bischof der US-Diözese New Hampshire avancierte.

Ökumenische Reaktionen blieben nicht aus. Die Russische Orthodoxe Kirche brach ihre Kontakte zu den Anglikanern in den USA ab. Die christliche Kirche habe Homosexualität stets als schwere Sünde gewertet, begründete das Moskauer Patriarchat diesen Schritt. Die "antichristliche" und "gotteslästerliche" Position der US-Anglikaner machten eine weitere Zusammenarbeit unmöglich. Diese restriktive Ablehnung von Homosexualität durch die orthodoxen Kirchen sorgt auch immer wieder für Kontroversen im Weltkirchenrat.

Einen anderen Weg als Rom geht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). In der 1996 unter dem Titel "Mit Spannungen leben" präsentierten Orientierungshilfe zum Thema Homosexualität und Kirche schließt die evangelische Kirche bekennende Homosexuelle nicht generell als ungeeignet vom Pfarramt aus. Vielmehr wird darin die Zulassung homosexuell geprägter Menschen zum Pfarramt "nach gründlicher Prüfung" in Einzelfällen empfohlen.

Als Voraussetzung dafür gilt, dass die Betroffenen ihre homosexuelle Lebensweise verantwortlich gestalten. Zudem müssten bestimmte "Verträglichkeitskriterien" eingehalten, indem schwule oder lesbische Pfarramtsinhaber Intimität und Taktgefühl wahren. Zu dieser in der evangelischen Kirche kaum noch strittigen Linie gehört auch die Erwartung, dass homosexuelle Pfarrer die "Begrenztheit" der eigenen Lebensform anerkennen und ihre gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht als gleichrangig gegenüber der Ehe propagieren.

Über der öffentlichen Aufregung, die das Vatikanpapier in westlichen Ländern auslöst, wird leicht übersehen, dass die strikte Haltung in anderen Teilen der katholischen Weltkirche gewiss Beifall finden dürfte. Etwa in Osteuropa oder in Afrika, wo das Phänomen Homosexualität mitunter für wahre Phobien sorgt.

29. November 2005

Orientierungshilfe der EKD "Mit Spannungen leben"