Kirche ist wieder im Kommen - Mehr als 500.000 evangelische Eintritte in zehn Jahren

B e r l i n (idea) – In der religiösen Landschaft Deutschlands haben New Age, fernöstliche Spiritualität und Esoterik ihren Höhepunkt überschritten. Zugleich gibt es Anzeichen für ein neues Interesse an Kirche. Diese Einschätzung äußert der badische Oberkirchenrat Michael Nüchtern (Karlsruhe) im Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin. Er verweist unter anderem auf die große öffentliche Aufmerksamkeit für zwei kirchliche Ereignisse: die Weihe der wieder aufgebauten evangelischen Dresdner Frauenkirche am 30. Oktober und den katholischen Weltjugendtag im August in Köln. Auch in Umfragen werde die Entwicklung deutlich. So habe das Institut für Demoskopie Allensbach die Bürger gefragt „Wie gut passt die Kirche in die heutige Zeit?“ Auf einer Skala von 1 (paßt überhaupt nicht) bis 10 (passt sehr gut) habe die evangelische Kirche in diesem Jahr den Wert 5,6 erreicht. 1992 habe der Wert noch bei 4,5 gelegen. Die Online-Umfrage „Perspektive – Deutschland“ habe ergeben, dass die Zahl derer, die der evangelischen Kirche kein Vertrauen entgegenbringen, zwischen 2002 und 2004 von 15 auf 12 Prozent gesunken sei. Nüchtern zufolge wächst unter vielen Ausgetretenen das Bedürfnis, wieder zur Kirche zu gehören. So seien in den vergangenen zehn Jahren zwischen 500.000 und 600.000 Personen in eine Landeskirche eingetreten. „Das sind weit mehr als die größten Freikirchen oder Sondergemeinschaften an Mitgliedern haben“, so der Theologe. Kirche stelle sich für die Eintretenden „als ein vielfach mit Sinn gefüllter Raum dar“.

Renaissance für Amtshandlungen und Kirchenmusik

Laut Nüchtern haben kirchliche Amtshandlungen, Kirchenmusik und Kirchenräume in den vergangenen zehn Jahren „eine erstaunliche Renaissance der Wertschätzung und der Beachtung erlebt“. Sie seien Kulturgut, offen für Formen privater Religiosität und zugleich Ausdruck kirchlichen Glaubenzeugnisses. Nach Ansicht des Oberkirchenrats beruht das neue Interesse darauf, „dass Kirche immer weniger als etwas wahrgenommen wird, von dem man sich ‚befreien’ muss“. Dagegen scheine sie „als Zeichen von kultureller Identität und Beheimatung genauso wahrgenommen zu werden wie als Verdichtung von Werten, dass das Leben mehr ist als Konsum und Entertainment“.

30. November 2005