Nächstenliebe mit Skalpell und Tropenhelm

Das Deutsche Institut für Ärztliche Mission wird 100 Jahre alt

Von Rainer Lang (epd)

Tübingen (epd). Einen Monat lang haben sie in Tübingen die Schulbank gedrückt: Mehr als 20 Pflegekräfte, Hebammen und Ärzte sind Ende vergangenen Jahres im Deutschen Institut für Ärztliche Mission (Difäm) für ihren Einsatz in Übersee geschult worden. Auf dem Stundenplan stand Tropenmedizin, von Malaria über Aids bis zur Geburtshilfe unter schwierigen Bedingungen in armen Ländern. Das Institut gehört heute zu den führenden deutschen Einrichtungen der medizinischen Entwicklungshilfe.

Für Seminarleiterin Gabi Hettler ist Tropenmedizin vor allem «Medizin der Armut». Sie verweist darauf, dass jährlich allein zehn Millionen Kinder an armutsbedingten und behandelbaren Krankheiten wie Malaria oder Masern sterben. «Gesundheit in der Einen Welt» lautet das Motto des Instituts, das in diesem Jahr an seine Gründung vor 100 Jahren erinnert. Das Jubiläumsjahr wird am Donnerstag mit der Eröffnung einer Ausstellung eröffnet. Die zum Institut gehörende Tropenklinik, das Paul-Lechler-Krankenhaus, feiert zugleich das 90-jährige Bestehen.

Entwicklungshelfer in Übersee mussten und müssen manche Widrigkeiten bestehen. So schrieb der Arzt Alex Fritz aus dem Missionskrankenhaus im Hochland der indonesischen Insel Sumatra in den 50er Jahren über einen Wirbelsturm: «Da flog plötzlich das Wellblechdach weg und ich stand im Freien. Ich habe dann weiter operiert.»

Missionare in Afrika, Asien und Lateinamerika erfuhren schon vor mehr als hundert Jahren häufig leidvoll, wie schlimm Krankheiten Malaria, Tuberkulose wüteten. Die Epidemien bedrohten Europäer und Einheimische. Mancher Missionar baute zuerst einmal eine Gesundheitsstation auf. In Europa wurden deshalb immer mehr Missionsärzte ausgebildet. Ende des 19. Jahrhunderts waren weltweit schon 770 Missionsmediziner im Einsatz.

In Deutschland fand die Ärztliche Mission dagegen damals nur wenig Unterstützung. Das änderte sich erst mit dem Stuttgarter Industriellen Paul Lechler. Als der sozial engagierte Protestant, der unter anderem ehrenamtlich in der Stuttgarter Armenpflege arbeitete, 1898 den Missionsarzt der Basler Mission, Georg-Eugen Liebendörfer, traf, entschloss er sich, die ärztliche Mission zu fördern. Liebendörfer hatte ihm vom Elend in Indien erzählt.

Acht Jahre später, am 15. November 1906, gründete Lechler das in Tübingen angesiedelte Deutsche Institut für Ärztliche Mission. Ziel war damals, das ausreisende Personal der Missionsgesellschaften auf ihren Auslandsaufenthalt vorzubereiten und in Tropenmedizin auszubilden. 1916 wurde das «Tropengenesungsheim» für kranke Rückkehrer eröffnet.

Längst sind daraus international anerkannte Einrichtungen geworden. So berät die Tropenklinik, mit 101 Betten zweitgrößtes Krankenhaus für Tropenmedizin in Deutschland, jährlich mehr als 2.500 Menschen. Ziel des Difäm ist aber vor allem die Gesundheitsversorgung benachteiligter Menschen in armen Ländern. Schwerpunkte sind die Bekämpfung von Tuberkulose, Malaria, Lepra und Aids. Pro Jahr stehen rund drei Millionen Euro aus Spenden und Projektmitteln bereit.

Auf Initiative des Instituts ist in Deutschland das «Aktionsbündnis gegen Aids» von Entwicklungs- und Gesundheitsorganisationen entstanden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arzneimittelhilfe, die seit 1959 Medikamente, medizinisches Gerät und Material im Wert von 70 Millionen Euro verschickt hat. Informationen im Internet: www.difaem.de oder www.tropenklinik.de

10. Januar 2006