Publizistin Carola Stern im Alter von 80 Jahren gestorben

Berlin/Köln (epd). Die Publizistin, Schriftstellerin und Mitbegründerin der deutschen Sektion von amnesty international, Carola Stern, ist tot. Sie starb am Donnerstagabend im Alter von 80 Jahren in Berlin nach kurzer schwerer Krankheit, wie ihr Verlag Kiepenheuer & Witsch am Freitag in Köln mitteilte. Vertreter aus Politik, Kultur und Medien würdigten Sterns Lebensleistung. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bezeichnete sie als eine "bedeutende Chronistin ihrer Zeit".

Carola Stern war 1925 unter dem bürgerlichen Namen Erika Assmus auf Usedom geboren worden. Nach einer Jugend in der Hitler-Zeit arbeitete sie als Lehrerin in der sowjetischen Besetzungszone. Angeheuert vom amerikanischen Geheimdienst CIA, besuchte sie zu Spionagezwecken die SED-Parteihochschule in Kleinmachnow. Unmittelbar nach ihrer Enttarnung flüchtete sie in den Westen und wandte sich zunächst der DDR-Forschung zu. Schließlich kehrte sie der Wissenschaft den Rücken, um unter dem Pseudonym "Carola Stern" als Journalistin zu arbeiten.

Im Westdeutschland der 60er und 70er Jahre machte Stern publizistisch Karriere. Die Linksliberale engagierte sich ebenso für Willy Brandts Ostpolitik wie für die Gleichberechtigung. Sie war von 1970 bis 1985 in der Redaktionsgruppe Kommentare und Feature beim Hörfunk des Westdeutschen Rundfunks (WDR) tätig. In dieser Zeit zählte sie zu den wenigen Frauen, die im ersten Programm der ARD Kommentare sprachen.

Kulturstaatsminister Neumann erklärte, Sterns Lebensweg mit dem Verlust der Heimat und der Suche nach politischer Orientierung sei beispielhaft für viele ihrer Zeitgenossen gewesen. WDR-Intendant Fritz Pleiten sagte, Stern habe "für den politischen Journalismus Maßstäbe gesetzt". Sie habe über einen scharfen politischen Verstand, Engagement und Einfühlungsvermögen verfügt. Ihre Kommentare hätten eine "ungewöhnlich persönlich Note" gehabt. Mit ihrem Tod sei die demokratische Öffentlichkeit in Deutschland ärmer geworden.

Die deutsche Sektion von amnesty international zeigte sich von der Todesnachricht bestürzt. Man sei in tiefer Trauer um die Mitbegründerin der Organisation, sagte Generalsekretärin Barbara Lochbihler. Carola Stern sei ein "Vorbild an Entschlossenheit und persönlichem Engagement" gewesen.

Im Mai 2005 hatte Stern noch am evangelischen Kirchentag in Hannover teilgenommen, wo sie über Heimat und Globalisierung sprach. Zu ihren erfolgreichsten Büchern zählte die Autobiografie "Doppelleben" mit dem Bekenntnis, in der Nachkriegszeit im Auftrag der CIA in die SED eingetreten zu sein. 2004 wurde das Buch von Gabriela Sperl und Thomas Schadt verfilmt. Schadt, künstlerischer Direktor der Filmakademie Baden-Württemberg, erklärte, es sei "ein großer Verlust, dass diese streitbare Stimme jetzt für immer verstummt ist".

21. Januar 2006