Evangelischer Theologe Trutz Rendtorff wird 75

Der Glaube darf keine Privatsache sein - Vermittler zwischen Kirche und Gesellschaft

Von Achim Schmid

München (epd). Der evangelische Theologe Trutz Rendtorff wirkt als Wissenschaftler, Autor und Mitglied vieler kirchlicher Spitzengremien weit über Universität und Kirche hinaus. Der gebürtige Schweriner, der an diesem Dienstag (24. Januar) 75 Jahre alt wird, hat lange Jahre die «Kammer für öffentliche Verantwortung» der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geleitet. Der frühere Theologieprofessor prägte entscheidend die großen «Denkschriften», mit denen die Protestanten ihr Verhältnis zu Politik und Staat beschreiben.

Trutz Rendtorff stammt aus einer alten Theologen-Familie, die bis in die Generation seines Urgroßvaters zurückreicht. Er selbst hätte sich aber auch einen anderen Berufsweg vorstellen können, sagte Rendtorff in einem Fernseh-Interview. Altphilologie oder Kunstgeschichte an einer Schule zu unterrichten, hätte ihn ebenfalls gereizt. Ausschlaggebend für die Berufswahl war dann doch das Elternhaus und vor allem seine persönlichen Erfahrungen in der Nazi-Zeit.

Sein Vater, der der «Bekennenden Kirche» nahe stand, sei von den Nazis ständig bedrängt worden. Durch diese Erfahrungen habe er gelernt, dass es «etwas aufrecht zu erhalten galt, dass es etwas gab, wofür man sich einsetzen musste», bilanziert der Theologe. Die öffentliche Verantwortung der Kirche für Demokratie und Gesellschaft zog sich nach den Erfahrungen mit einem totalitären System wie ein roter Faden durch das gesamte Leben des Münchner Hochschullehrers.

Wegen ihres christlichen Menschenbildes hätten die Kirchen nicht dulden dürfen, dass durch die Nazis die Grundrechte außer Kraft gesetzt und die Rasse zu einem Unterscheidungskriterium zwischen Menschen werden konnte, so Rendtorff in einem Vortrag. Der Glaube dürfe keine «Privatsache» sein, ist er überzeugt.

Über die Theologie hinaus hat sich Rendtorff, dessen Wort vor allem in ethischen Fragen Gewicht hat, auch anderen wissenschaftlichen Feldern geöffnet. Als erster protestantischer Theologe wurde er 1993 in den Senat der Max-Planck-Gesellschaft berufen. In den ethischen Auseinandersetzung mit der beginnenden Gentechnik tritt der Sozialethiker nicht für eine starre Abgrenzung der Kirche, sondern für eine kritische Begleitung ein.

Nach dem ersten Klon-Versuch, bei dem Mitte der 1990er Jahre das Schaf «Dolly» entstanden war, vertrat Rendtorff die Auffassung, dass auch geklonte Lebewesen eine eigene Würde hätten. Das von ihm mit aufgebaute kirchliche Institut «Technik-Theologie-Naturwissenschaft» an der Universität München begleitet seit Jahren den Dialog zwischen Kirche und Wissenschaft.

In einzelnen ethischen Fragen konnte der liberale Theologe auch dezidiert konservative Positionen einnehmen. In der Debatte um die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sagte Rendtorff, homosexuelle Partnerschaft sei unvereinbar mit dem Pfarrerberuf. Zur Entspannung von hochgeistiger Theologie findet der Vater dreier erwachsener Töchter und Großvater mehrerer Enkel bei James-Bond-Filmen, bei Loriot und Otto - als passionierter Sportler früher auch auf Skipisten und auf Tennisplätzen.

23. Januar 2006