Jerusalem: Schwierige Mission in unruhigen Jahren

Der scheidende Jerusalemer Propst Reyer blickt zurück

Von Norbert Röhl (epd)

Jerusalem (epd). Sein Amtsantritt in Jerusalem vor fünf Jahren war für den Propst Martin Reyer nicht nur der Eintritt in eine neue Umwelt. "Das Leben nahm mich neu an der Hand", sagt Reyer im Rückblick. Am Sonntag wurde der scheidende Propst in der Jerusalemer Erlöserkirche verabschiedet. Als er 2001 nach Jerusalem kam, waren die Intifada-Unruhen in den Palästinensergebieten schon nicht mehr neu, sondern Routine eines oft brutalen Alltags. "Es ist schwer, sich zwischen den Fronten nicht vereinnahmen zu lassen, aber es geht", sagt der Theologe, der in die württembergische Landeskirche zurückkehrt.

Dabei ist schon der seltene Titel Propst nicht unwichtig: Er macht ihn zum Vertreter des Auslandsbischofs der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Jerusalem, somit auch unabhängiger von den lokalen Kirchen. Deren Bischöfe sind meist Palästinenser und stehen vor der schwierigen Aufgabe, ihre palästinensischen Gemeinden durch den Alltag der israelischen Besatzung zu manövrieren. Hinzu kommt der Druck einer zusehends radikaler wirkenden muslimischen Umwelt. "Wir sind doppelt Minderheit", sagen palästinensische Christen.

Für die deutschsprachige evangelische Erlösergemeinde ist es besonders schwer, zwischen Israelis und Palästinensern den eigenen Weg zu finden. Wie problematisch dies ist, zeigt schon die Sperranlage, die sich langsam zwischen die Völker schiebt, aber auch ganze Dörfer und eben auch Gemeinden abtrennt. Propst Reyer kannte die Probleme über erste Kontakte aus früheren Jahren zur palästinensischen Seite. Gerade darum aber verteidigte er die häufig umstrittene Unabhängigkeit der deutschen Gemeinde in Jerusalem.

Die Einladung zur Kranzniederlegung am Holocaust-Gedenktag gehört für Reyer zu den Höhepunkten seiner Amtszeit. Dass er bei dieser Zeremonie seine Amtskette mit Kreuz trug, war keineswegs selbstverständlich: "Aber es sollte klar sein, dass ich als Christ komme."

Ganz ohne Probleme geht auch im Bereich christlicher Ökumene der Heiligen Stadt nicht alles ab, umso mehr zählen die kleinen Erfolge. Der Abt des Dormitioklosters auf dem Zionsberg zählt mittlerweile zum engen Freundeskreis, der Generator der Grabeskirche brummt leise auf dem Vorplatz der Propstei, da sonst kein Platz zu finden war. Die religiöse Vielfalt auf so engem Raum gehört zu den spannendsten Erfahrungen: "Alles hat seine Berechtigung, ohne dass dadurch alles dogmatisch relativiert würde. Wie ein bunter Blumenstrauß."

Auch sein Nachfolger wird es nicht leicht haben. Pastor Uwe Gräbe aus Oldenburg, der im Mai als Jerusalemer Propst eingeführt wird, kennt die Mischung aus Frust und Freude im Heiligen Land aus Studienjahren. Nach mehreren Studienaufenthalten in Bethlehem promovierte er über Fragen palästinensischer Theologie.

13. März 2006