Tagung "Fußball unterm Hakenkreuz"

NS-Vergangenheit des DFB: Kein Schuldbekenntnis, aber weitere Schritte zur Aufarbeitung

Von Rainer Lang (epd)

Bad Boll (epd). Für einen Moment drängte die Fußball-Gegenwart die Vergangenheit völlig in den Hintergrund: Beim Symposium "Fußball unterm Hakenkreuz" des Deutschen Fußballbundes (DFB) und der Evangelischen Akademie Bad Boll stand die Verquickung des deutschen Fußballs in das verbrecherische Nazi-Regime auf dem Programm. Aber als in den Nachrichten die Entscheidung der Torhüterfrage in der Nationalmannschaft verkündet wurde, gab es kein Halten mehr.

DFB-Präsident Theo Zwanziger, umringt von Kameras und Mikrofonen, sollte eine aktuelle Stellungnahme abgeben. Es gebe für ihn wichtigere Dinge als die Frage, wer am 9. Juni im Tor der Nationalmannschaft stehe, beschied er die Journalisten und führte wieder zum eigentlichen Thema zurück. Prominente Politiker wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Wissenschaftler, Kirchenvertretern und Sportfunktionäre waren zur DFB-Tagung am Freitag und Samstag nach Bad Boll gekommen.

Viele Gerüchte schwirrten im Vorfeld der Tagung umher. Die Rede war davon, dass sich selbst das britische Boulevardblatt "The Sun" angekündigt habe, um vielleicht vor der WM das Bild vom hässlichen Deutschen zu zeichnen. Es war auch die Rede davon, dass Theo Zwanziger auf der Tagung ein umfassendes Schuldbekenntnis abgeben werde. Nichts davon ist eingetroffen.

Theo Zwanziger hat viel von der Verantwortung des DFB als dem weltweit größten Sportfachverband gesprochen, der sich auch seiner lange verdrängten Vergangenheit stellen müsse. Die Erkenntnisse einer im Jahr 2000 in Auftrag gegebenen und im Herbst veröffentlichten Studie des Historikers Nils Havemann (Mainz) wolle man "nutzbringend für die Gesellschaft einbringen", sagte er.

Einen positiven Ausblick gab Zwanziger am Ende der zwei Tage. Zwar sei der DFB mit der Aufarbeitung der Vergangenheit erst in der Mitte angelangt. Aber man sei doch einen kleinen Schritt weiter gekommen, "die Demokratie in unserem Land zu stärken". Er fühle sich bestätigt darin, dass man beim DFB nicht ständig im Büßerhemd herumlaufen müsse, sondern sich selbstbewusst zeigen könne.

Besonders gefreut hat Zwanziger, dass der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, dem DFB gegenüber Respekt für seinen Mut zur Aufarbeitung der Vergangenheit ausgedrückt und die Unterstützung der jüdischen Gemeinde zugesagt hat. Trotz seiner Kritik an rassistischen und antisemitischen Vorfällen in den Stadien sieht Kramer viele ermutigende Zeichen.

Eine lange und beeindruckende Liste der Aktionen und Kampagnen in den Stadien seit 1990 hat der DFB bei der Tagung vorgestellt. Hinsichtlich des Vorwurfs, dass die Aufarbeitung sehr spät gekommen ist, sieht sich der Verband nicht in der Schusslinie. Bei Banken und Unternehmen sei es genauso, hieß es, selbst in den Kirchen, wie der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer einräumte.

Nicht unwidersprochen blieb dagegen die Äußerung des evangelischen Theologen und früheren Beauftragte für die Stasi-Akten, Joachim Gauck, der sagte, dass er nach der Lektüre von Havemanns Studie den Einruck habe, dass der DFB richtig große Schweinereien nicht begangen habe. Havemann sprach dagegen von einem "vernichtenden" Urteil im Blick auf den Ausschluss von Juden und das Stillschweigen bei deren Ermordung. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer am Ende, dass auch der DFB das nationalsozialistische Regime gestützt und seine Freiräume zu wenig genutzt habe.

Als Konsequenz aus den Lehren der Vergangenheit forderte der Präsident des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, wie auch Havemann, Sportler und Verbände sollten die Achtung der Menschenrechte stärker einfordern. Immer wieder wurde in Bad Boll auch die Integrationskraft und Vorbildfunktion des Fußballs heute betont.

Zumindest für großes Medien-Interesse hat die Tagung gesorgt und an der Evangelischen Akademie fast einen Rekord gebrochen. Nach deren Angaben waren 42 Journalisten angemeldet. Nur einmal waren es bisher mehr: 1968 zur Zeit der Studentenrevolte bei einer Tagung mit dem Studentenführer Rudi Dutschke, als 44 kamen.

10. April 2006