Pastor Ulrich Pohl wird neuer Bethel-Chef

Ein Pragmatiker ohne ideologische Scheuklappen

Bielefeld (epd). Offensiv auf andere zugehen, Gespräche suchen und dabei kontroverse Debatten nicht scheuen: Beim neuen Bethel-Chef Ulrich Pohl, der am 1. Februar in Bielefeld an die Spitze der größten diakonischen Behinderteneinrichtung Europas rückt, wird Kommunikation groß geschrieben. Die von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel müssen in die Öffentlichkeit, davon ist der 50-jährige Theologe überzeugt. Der Umgang mit Behinderten sollte am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft Gesprächsthema sein.

Gute Kontakte und Lobbyarbeit werden nützlich sein, um angesichts zunehmender Kürzungen öffentlicher Mittel für den Erhalt hochwertiger Betreuung von behinderten und benachteiligten Menschen zu streiten. Der Pragmatiker Pohl will dies ohne ideologische Scheuklappen diskutieren. "Wir müssen von den Menschen her denken, die Hilfe brauchen", sagt er.

Deshalb hält er es für wichtig, ambulante Angebote weiter auszubauen, ohne die stationären Einrichtungen aufzugeben. "Es wäre illusorisch zu sagen: Wir schaffen alle Heime ab", betont der Pastor. Er erwartet, dass Angebote zwischen den stationären und ambulanten Bereichen künftig eine größere Rolle spielen. Dabei müsse der Bedarf das Kriterium sein.

Mitarbeiter aus seiner Umgebung bescheinigen dem künftigen Vorstandsvorsitzenden die Fähigkeit, unvoreingenommen auf Menschen zuzugehen - seien es Bethel-Bewohner oder die Bundeskanzlerin. Das bringe er aus seiner 15-jährigen Dienstzeit als Pfarrer und Superintendent in der lippischen Stadt Lage mit, vermutet Pohl. In dem gebürtigen Essener verbinden sich zudem die Offenherzigkeit und Kontaktfreude des Ruhrgebiets mit der Bodenhaftung der ländlichen Lipper Region.

Dass der neue Bethel-Chef einen starken Akzent auf die Wirkung nach außen setzt, ist kein Zufall. Pohl leitete seit 2001 die Kommunikationszentrale der von Bodelschwinghschen Anstalten, den "Dankort". Dort werden unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit, die weltweite Kontaktpflege und das Spendensammeln koordiniert. Stolz verweist Pohl auf 400.000 Freunde Bethels, die durch die Kontaktpflege des "Dankorts" regelmäßig die Arbeit der Einrichtung unterstützten.

Eine der größten Herausforderungen des diakonischen Großunternehmens sieht Pohl darin, auch in Zukunft genügend junge Menschen für soziale Berufe an sich zu binden. "Wir brauchen viel Kreativität, und wir brauchen qualifizierte Menschen", betont er. Dazu zählen auch Juristen und IT-Spezialisten. "Das ist nicht zum Nulltarif zu haben, wenn man das Angebot menschenwürdig gestalten will", stellt der neue Bethel-Chef fest.

Dabei weiß er ein starkes Argument auf seiner Seite. Bethel biete mit dem Einsatz für behinderte und benachteiligte Menschen etwas, das mehr wiege als Geld und Karriere. Wer sich auf diese Arbeit einlasse, erfahre auch einen Lebenssinn. Für die diakonische Identität ist deshalb nach Überzeugung des Theologen der christliche Glaube unverzichtbar. "Bethel gehört vom Wesen her zu Kirche und Diakonie", unterstreicht Pohl.

Dass sich eine diakonische Einrichtung mit über 17.000 Plätzen und etwa 15.000 Mitarbeitern auch den Gesetzen der Ökonomie beugen muss, ist Pohl bewusst. So wirbt er einerseits dafür, dass Arbeit im sozialen Bereich angemessen bezahlt werden müsse. Andererseits weiß er auch, dass die Arbeit refinanziert werden muss. "Wir müssen die Arbeit so tun, dass sie nicht defizitär geleistet wird", beschreibt er den Spagat in einem Unternehmen mit diakonischem Anspruch.

Von Holger Spierig (epd)

29. Januar 2008

v. Bodelschwinghsche Anstalten Bethel