Kirche feiert Diakonie-Gründer Johann Hinrich Wichern

Berlin (epd). Evangelische Kirche und Diakonie haben am Freitag in Berlin im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das "Wichernjahr 2008" eröffnet. Die Diakonie erinnert damit an ihren Gründervater Johann Hinrich Wichern, der vor 200 Jahren in Hamburg geboren wurde. Die Diakonie leiste bis heute einen wesentlichen Beitrag zum deutschen Sozialstaat, sagte Merkel. In den Einrichtungen werde mit "Leidenschaft, Überzeugung und der Kraft, die aus dem Glauben erwächst" gearbeitet.

Die Kanzlerin betonte vor Gästen aus Politik, Gesellschaft und Wohlfahrtsverbänden aus dem In- und Ausland: "Bildung ist die beste Sozialpolitik". Wichern habe sich in seiner Zeit der jungen Generation zugewandt und Erfolg gehabt. Der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881) hatte im Zeitalter der Industrialisierung sein Leben dem Kampf gegen Verelendung und den "sittlichen Verfall" von Jugendlichen aus Armutsfamilien gewidmet.

Mit Blick auf die Debatte um benachteiligte Jugendliche sagte Merkel, auch heute sei es eine zentrale Aufgabe, die Vermittlung von Werten und Wissen in eine Balance zu bringen. Dies gelte insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Mit ihrer Bildungsoffensive strebe die Bundesregierung an, jedem Menschen unabhängig von seiner Herkunft den beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen. Auf den aktuellen Streit über den Umgang mit jugendlichen Straftätern und die Integrationspolitik ging die Kanzlerin nicht ein.

Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik würdigte Wichern als "Pionier der Zivilgesellschaft". Sein Verdienst sei es, dass er bürgerschaftlichem Engagement in christlichen Gemeinden und in konfessionslosen sozialen Initiativen den Weg gebahnt habe. Die Arbeit freier Wohlfahrtsverbände sei wichtig für eine Demokratie. Sie zeige, dass Gestaltungschancen als "zivilgesellschaftliche Herausforderung" angenommen würden.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, nannte Wichern einen "Unternehmer aus christlichem Glauben". Er rief die diakonischen Werke und Einrichtungen auf, ihr christliches Profil zu schärfen: "Wir brauchen noch etwas anderes als gute Gesetze und professionelle Dienstleistungen. Wir brauchen den Zusammenklang von Glaube und Liebe", sagte Huber. Wichern habe Kinder aus Armutsfamilien von der Straße geholt, ihnen etwas zu essen gegeben und eine Heimat bieten wollen.

Wichern hatte 1833 in Hamburg mit Spendengeldern ein "Rettungshaus" mit Schule und Internat für Kinder und Jugendliche aus Armenvierteln gegründet. Es war die Geburtsstätte der Evangelischen Stiftung "Das Rauhe Haus", in dem heute mehr als 1.300 Kinder und Jugendliche sowie über 2.000 Schüler und Studenten betreut werden.

Das Diakonische Werk ist der Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bundesweit unterhält die Diakonie rund 27.000 Einrichtungen: Kindergärten, Krankenhäuser, Behinderteneinrichtungen, Pflegedienste und Beratungsstellen. Mit rund 430.000 Beschäftigten ist die Diakonie einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Weitere 400.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich für den Wohlfahrtsverband.

Bis zum Jahresende soll bundesweit mit Veranstaltungen und Festen an den Pionier der evangelischen Sozialarbeit erinnert werden, der auch im preußischen Staatsdienst tätig war und dort unter anderem eine Gefängnisreform versuchte. Am Vorabend von Wicherns 200. Geburtstag, am 20. April, ist ein Festgottesdienst in Hamburg geplant. Bundespräsident Horst Köhler wird im Oktober mit einem Festakt auf der diesjährigen Diakonischen Konferenz in Hamburg das "Wichernjahr 2008" abschließen.

01. Februar 2008

Grußwort des EKD-Ratsvorsitzenden

Das Wichern-Jahr im Internet