Lockerung der Stammzellforschung von Bischof Huber befürwortet

München (epd). Wenige Tage vor der Stammzell-Debatte im Bundestag hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, sein Eintreten für eine Lockerung der Stammzellgesetzes verteidigt. "Ich setze mich für den Lebensschutz ein, akzeptiere aber eine Stichtagsverschiebung", sagte der Berliner Bischof in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe).

Die Position einer grundsätzlichen Ablehnung jeglicher Forschung an embryonalen Stammzellen, wie sie die katholische Kirche und einige evangelische Landesbischöfe vertreten, sei zwar leichter zu begründen, könne aber verantwortbare Lösungen verhindern, sagte Huber. Zugleich widersprach er einer uneingeschränkten Stammzellforschung und lehnte eine Streichung des Stichtages ab.

Huber verwies auf das Stammzellgesetz von 2002. Dieser Kompromiss habe dazu beigetragen, den strengen Maßstab des deutschen Embryonenschutzgesetzes zu erhalten. Bisher dürfen deutsche Forscher nur an embryonalen Stammzelllinien forschen, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) setzt sich für eine einmalige Verschiebung dieses Stichtages ein. Dafür wurde sie aus der katholischen Kirche heftig kritisiert. Der Bundestag will am Donnerstag über eine Lockerung des Stammzellgesetzes beraten.

Eine Freigabe der ethisch umstrittenen Stammzellforschung werde gerade dann wahrscheinlicher, wenn diese Forschung kategorisch abgelehnt werde, argumentierte der EKD-Ratsvorsitzende. Eine zu starre Ablehnungshaltung könnte einer viel weiter gehenden Liberalisierung Vorschub leisten. "Man kennt die Kirchenposition, nickt respektvoll - und entscheidet anders", erläuterte Huber eine mögliche Reaktion der Politik. Vor dieser Schwierigkeit stehe die katholische Kirche bei der Empfängnisverhütung, der Aidsbekämpfung oder der Abtreibung. Eine allzu starre Haltung könne dazu führen, dass selbst die eigenen Gläubigen diesen Argumenten nicht mehr folgten.

In der schwierigen Frage der Stammzellgewinnung aus überzähligen Embryonen sind Bischof Huber zufolge für Christen unterschiedliche Haltungen möglich: "Es kann nicht die eine Position als christlich, die andere als unchristlich dargestellt werden." Er sehe sich in der evangelischen Tradition, die danach frage, was konkret dem Leben dienen könne. Bedenken der Forschungsgegner, eine Stichtagsverlegung ziehe die nächste nach sich, hielt der Ratsvorsitzende entgegen, von einem Automatismus könne keine Rede sein. Die EKD-Synode habe klargestellt, dass es nur um eine einmalige Verschiebung gehen könne. "Auch mir wäre es lieber, wir bräuchten diese Forschung nicht", bekannte Huber. Er sieht überdies Grund zur Hoffnung, dass die Forschung an embryonalen Stammzellen bald überflüssig werde.

11. Februar 2008

Das Interview des EKD-Ratsvorsitzenden im Wortlaut