Proteste gegen Mitternachtsshopping am Gründonnerstag

Frankfurt a.M. (epd). Gegen das von zwei hessischen Einkaufscentern in Kassel und dem Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim geplante Mitternachtsshopping am Gründonnerstag mehren sich die Proteste. "Die Ladenöffnung in den späten Abendstunden mit Unterhaltungsmusik und Feuerwerk überschreitet nicht nur die Grenze der Achtung vor den religiösen Gefühlen von uns Christen, sondern sie verletzt auch den Geist des hessischen Sonn- und Feiertagsschutzgesetzes", erklärte am Freitag der Vorsitzende des Katholikenrates im Bistum Fulda, Richard Pfeifer.

Der Katholikenrat habe bei den beiden Centermanagern und beim Kaufhaus-Betreiber ECE in Hamburg dagegen protestiert, so die bischöfliche Pressestelle. In Limburg haben Kirchen ebenso gegen Ladenöffnungszeiten bis Mitternacht an Gründonnerstag protestiert. Auch in den unter dem ECE-Management befindlichen Centern in Magdeburg und Erfurt wird ein Mitternachtsshopping am Gründonnerstag angeboten.

Die Dekanin des evangelischen Stadtkirchenkreises Kassel, Barbara Heinrich, kündigte an, dass am kommenden Sonntag in den Kirchen, die zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Kassel gehörten, 16.000 Protest-Postkarten ausliegen werden. "Wir wollen damit klar machen, dass die Empörung nicht nur die Meinung von kirchenleitenden Leuten ist", sagte sie. Der evangelische Kirchenkreis Homberg/Efze wollte zudem am Freitag dem "dez"-Centermanager Martin Görz eine Unterschriftenliste überreichen, mit der empörte Bürger ihren Unmut über das Vorhaben ausdrücken.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte sich kritisch und im Hinblick auf ein geplantes Feuerwerk in Kassel mit Unverständnis geäußert. Während Centermanagerin Brigitte Schmitt aus Bergen-Enkheim am Mittwoch andeutete, dass nach den Protesten auf ein Feuerwerk verzichtet werden könne, will das Kasseler Center bei dem angekündigten Programm bleiben. "Wir haben schließlich vom Ordnungsamt die Genehmigung dazu erhalten", erklärte Centermanager Martin Görz. Religiöse Gefühle wolle man mit der Aktion nicht verletzten.

14. März 2008


Zum Thema ein Interview des Bischofs der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. März

Im Gespräch: Bischof Martin Hein

"Ein Art von Neuheidentum"

In zwei Einkaufszentren in Frankfurt und Kassel sollen am Gründonnerstag lange Einkaufsnächte stattfinden. Der Frankfurter Stadtteil, in dem das Hessen-Center liegt, und Kassel gehören zur Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Deren Bischof protestiert heftig.

FRAGE: Erfasst Sie heiliger Zorn, wenn Sie derzeit an das Hessen-Center in Frankfurt denken?

ANTWORT: Das wäre übertrieben, aber ich bin schon sehr verärgert über die Pläne des Hessen-Centers und des "dez" in Kassel, am Gründonnerstag ein "Mitternachtsshopping" anzubieten und ein Feuerwerk abzubrennen. Das ist eine bewusste Attacke auf die religiöse Kultur in Deutschland. Hier fallen um des Kommerzes willen die letzten Schranken.

FRAGE: Und wenn die Aktionen vor Mitternacht zu Ende sind? Das hessische Feiertagsgesetz schützt den Karfreitag von 0 Uhr an, nicht den Gründonnerstag.

ANTWORT: Wer so argumentiert, wird vielleicht dem Buchstaben des Gesetzes gerecht, aber nicht dessen Geist. Viele Christen haben den Wunsch, sich an diesem Abend auf den Karfreitag vorzubereiten.

FRAGE: Den Nichtchristen dürfte das gleichgültig sein.

ANTWORT: Immerhin gehören zwei Drittel der Deutschen einer christlichen Kirche an. Die kulturelle Prägung durch das Christentum ist noch vorhanden. Besonders in Kassel, wo ich meinen Dienstsitz habe, sehe ich, dass ganz viele Menschen gegen die Pläne des dortigen Einkaufszentrums protestieren. Kein Mensch muss am Gründonnerstag bis 24 Uhr einkaufen. Einkaufszentren können ihr "Erlebnisshopping" auch bis 20 Uhr anbieten. Die Pläne der beiden Einkaufszentren zeigen, wo auch kurz vor einem sensiblen Feiertag das Herz der Manager hängt: an klingenden Kassen.

FRAGE: Das heißt, Sie sind vor allem gegen die längere Öffnungszeit?

ANTWORT: Nein, auch gegen das Feuerwerk. Beides macht deutlich, dass die Erfahrung, die Gründonnerstag und Karfreitag prägen, nämlich die von Tod und Trauer, einfach vergessen wird. Wer dazu einlädt, sich fröhlich auf Karfreitag einzustimmen, tut so, als sei dieser Tag schon Teil des Osterfestes. Das ist eine Art von Neuheidentum.

FRAGE: Nun geraten - zumindest in Städten wie Frankfurt - Christen immer mehr in eine Minderheit.

ANTWORT: Das ist doch kein Argument für solche Veranstaltungen. Hier geht es um die kulturelle Prägung unseres Landes, und die ist nun einmal christlich. In einem islamischen Land käme vor muslimischen Feiertagen kein Mensch auf solche Ideen.

FRAGE: Rufen Sie die Christen Ihrer Landeskirche zum Einkaufsboykott am Gründonnerstag auf?

ANTWORT: Das ist nicht nötig, denn die evangelischen Christen in meinem Kirchengebiet wissen, was nötig ist. Die öffentlichen Reaktionen, zumindest in Kassel, zeigen mir deutlich, dass die Aktion dem Ruf des dortigen Einkaufszentrums geschadet hat.

FRAGE: Sie beklagen, dass das Bewusstsein für den Wert christlicher Feiertage in der Gesellschaft nicht stark genug sei. Welche Fehler hat die Kirche gemacht, dass es dazu kam?

ANTWORT: Wir haben nicht laut genug protestiert, als der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft wurde. Die Evangelische Kirche in Deutschland arbeitet derzeit daran, den Sinn christlicher Feiertage wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen. Die Arbeitsruhe ist ein wichtiger Teil, aber eben nur ein Teil davon. Hinzu kommt, was das Grundgesetz "seelische Erhebung" nennt, die Beziehung zu Gott. Ohne religiöse Bindung wird der Mensch orientierungslos. Der Karfreitag und in seiner Vorbereitung der Gründonnerstag sagen, dass sich jeder seinem Versagen stellen und aus der Gnade Christi leben kann. Das gilt auch für die Gesellschaft als ganze. Wir müssen unser Leben nicht selbst konstruieren. Wer um Schuld, Versagen und Leid einen großen Bogen macht - und das tun die Veranstaltungen in den Einkaufszentren -, bringt sich um diese Erfahrung. Unsere Gesellschaft ist eben keine reine Spaßgesellschaft.

Die Fragen stellte Stefan Toepfer.