Bischof Huber warnt vor Vertrauensschwund in die Wirtschaft

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, hat vor einer Erosion des Vertrauens in die Wirtschaft gewarnt. Vertrauen in wirtschaftliches Handeln sei für die Unternehmen ebenso wichtiges Kapital wie Geld, sagte Huber am Montag im Deutschlandradio Kultur. Der Verlust des Vertrauens in der Öffentlichkeit habe nicht nur schwerwiegende Folgen für das politische System, sondern auch für die Wirtschaft.

Mit Blick auf die zunehmenden Unterschiede in der Entwicklung von Spitzengehältern und normalen Arbeitnehmereinkommen sagte Huber, die Gehälter von Spitzenmanagern seien in großen Schritten weit über die Teuerungsrate hinaus gestiegen, während viele Arbeitnehmer sich mit sinkenden Reallöhnen abfinden mussten. "Das ist eine Diskrepanz, die kann man niemanden erklären", sagte der Berliner Bischof.

Huber unterstrich, dass deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb von den Standortbedingungen in Deutschland profitierten. Dazu zählten der Ausbildungsstand der Mitarbeiter und die soziale Sicherheit im Land. "Man darf eben deswegen auch nicht die Gesetze der Globalisierung zu einem Instrument machen, um im eigenen Land die Bedingungen auszuhöhlen, von denen der eigene Erfolg in Wahrheit abhängt", warnte der Ratsvorsitzende.

17. März 2008

Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden "Soziale Verantwortung und unternehmerisches Handeln – eine evangelische Perspektive"


Das Interview im Wortlaut:

Bischof Huber: Diskrepanz der Gehälter ist nicht mehr zu erklären

EKD-Vorsitzender kritisiert Einkommensentwicklung

Moderation: Marie Sagenschneider

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat vor einer Erosion des Vertrauens in die Wirtschaft gewarnt. Während die Gehälter der Spitzenmanager in großen Schritten gestiegen seien, müssten sich Arbeitnehmer mit Reallohneinbußen abfinden.

Marie Sagenschneider: Ich verlange gerade von Unternehmern das höchste Maß an Verantwortungsgefühl, so sprach einst Ludwig Erhardt, der Vater der sozialen Marktwirtschaft, allerdings zu seinen Zeiten herrschten noch ganze andere Verhältnisse. Die Deutschland AG war noch intakt, Globalisierung fast noch ein Fremdwort. Und heute? Heute hat das Ansehen von Managern ziemlich gelitten, zu hohe Gehälter, zu hohe Abfindungen, zu viele Entlassungen, zu viel Shareholder Value, um nur einige Begriffe der bekannten Debatte zu nennen. Marktwirtschaft und Ethik, Unternehmer in der Verantwortung, so überschreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung ihr zweites Werteforum, das am Abend in Berlin stattfindet, und mit auf dem Podium wird Bischof Wolfgang Huber sitzen, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Herr Huber, ich grüße Sie!

Wolfgang Huber: Ich grüße Sie auch, Frau Sagenschneider!

Sagenschneider: Haben Sie eigentlich den Eindruck, dass sich die Unternehmer in weiten Teilen ihrer Verantwortung noch bewusst sind, also gibt es nur einige schwarze Schafe, oder ist die Herde inzwischen doch schon größer, als es verträglich ist für eine Gesellschaft?

Huber: Man muss, glaube ich, beides feststellen. Es gibt eine neue Diskussion über Unternehmens- und Unternehmerethik. Und es gibt ein großes Interesse auch von Unternehmern daran, deutlich zu machen, dass die Gewissenlosigkeit, die ihnen vielfach unterstellt wird, die Sachlage nicht richtig trifft. Es gibt auch Menschen, die eigentümerorientierten Unternehmen arbeiten, die sagen, das, was über die Manager großer internationaler Konzerne gesagt wird, trifft für uns nicht zu. Aber Tatsache ist, dass wir Entwicklungen haben, für die dann die Globalisierung in Anspruch genommen wird, die über das Maß des bisher Vorstellbaren weit hinausgehen.

Sagenschneider: Niklas Luhmann hat mal gesagt, mit der Wirtschaftsethik verhalte es sich so, wie mit dem Ungeheuer von Loch Ness. Es wird viel über sie geredet, obwohl niemand so genau weiß, ob es sie gibt. Worin besteht denn dann diese Verantwortung, jetzt nicht nur auf die Unternehmen selbst bezogen, sondern eben auch auf die Gesellschaft?

Huber: Ja, Niklas Luhmann hat insofern recht gehabt, dass es gar nicht um eine besondere Ethik geht, einer Ethik, die sich unterscheidet von anderen Ethiken, sondern es geht um die Frage, welche Prinzipien unbedingt auch im Bereich der Wirtschaft angewandt werden müssen. Und zu diesen Prinzipien, die unbedingt angewandt werden müssen, gehört Fairness, gehört von daher auch eine klare Absage an Korruption, gehört Redlichkeit. Der redliche Kaufmann, der ehrbare Kaufmann ist ein ethisches Modell, das (…) in der Wirtschaft entwickelt worden ist. Und es geht darum, dass vollkommen klar ist, Berufung auf die Gesetze des Marktes hebeln die Orientierung sowohl am staatlichen Gesetz als auch am Respekt vor den Menschen, mit denen man Handel treibt oder den man als Arbeitnehmer beschäftigt, nicht aus. Das sind elementare Grundsätze, die jetzt wieder in Erinnerung gerufen werden müssen. Und es geht auch nicht an, dass Unternehmen versuchen, durch dann auch hochtrabend bezeichnete Konzepte wie Corporate Citizenship ein Image sich zuzulegen, das dann nicht gedeckt wird durch das, was tagtäglich im Verhältnis zu den eigenen Arbeitern oder Kunden geschieht.

Sagenschneider: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Huber, schließt das dann auch mit ein, dass man die Diskrepanz in der Entwicklung der Gehälter mit berücksichtigt?

Huber: Die Diskrepanz in der Entwicklung der Gehälter ist ein großes Thema, und zwar sowohl in absoluten Zahlen als auch im Blick auf die Tatsache, dass in den letzten Jahren die Gehälter von Spitzenmanagern in großen Schritten weit über die Teuerungsrate hinaus angestiegen sind Jahr für Jahr, während viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich damit abfinden mussten, dass ihr Reallohn gesunken ist, weil die Teuerungsrate nicht ausgeglichen worden ist. Das ist eine Diskrepanz, die kann man niemanden erklären. Gerechtigkeit bedeutet ja nicht absolute Gleichheit. Aber der große Rechtsphilosoph John Rawls hat ganz zu Recht gesagt, man muss denen, die am Ende der Skala sind, erklären können, welchen Sinn es hat, was die Spitzenverdiener bekommen.

Sagenschneider: Das, was wir jetzt hier zulande erleben, würden Sie da von einer Vertrauenskrise sprechen?

Huber: Ich beschwöre Menschen in wirtschaftlicher Verantwortung gegenwärtig, dass sie einsehen, das Vertrauen für wirtschaftliches Handeln genauso wichtiges Kapital ist wie Geld. Und ich mache sie bei jeder Gelegenheit, die ich habe, darauf aufmerksam, dass die Vertrauenserosion, die wir gegenwärtig erleben, sowohl gefährliche Folgen für unser politisches System, aber auch gefährliche Folgen für die Wirtschaft selbst hat.

Sagenschneider: Ist denn dieses Vertrauen wiederherzustellen, denn gerade mit Blick auf die Globalisierung, da weiß man ja, hier gelten viel schärfere Gesetze, und zwar Gesetze, die oft so etwas wie regionale Verbundenheit und damit ein Verhaftetsein in einem Betrieb in einer bestimmten Gruppe auch von Menschen, denen man gegenüber man sich ja direkt verantworten muss, dass diese Gesetze mehr oder weniger außer Kraft gesetzt sind?

Huber: Das glaube ich nicht, dass das richtig ist, denn man muss sich doch klar machen, die Unternehmen, die in der Globalisierung von der Weltmarktverflechtung Deutschlands profitieren und das sind viele, die tun das ja auch deswegen, weil sie in Deutschland vom Ausbildungsstand der Mitarbeiter und von der sozialen Sicherheit, die im Lande herrscht, her gesehen, gute Voraussetzungen haben, sodass sie überhaupt im Export so stark sein können, wie sie sind. Daran sieht man, dass die Verwurzelung in der eigenen Region und die internationale Aktivität zusammengehören und unter gar keinen Umständen gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Man darf eben deswegen auch nicht die Gesetze der Globalisierung zu einem Instrument machen, um im eigenen Land die Bedingungen auszuhöhlen, von denen der eigenen Erfolg in Wahrheit abhängt.

Sagenschneider: In einem Interview mit dem "Rheinsicher Merkur" wurde kürzlich dem Theologen Eberhard Schockenhoff folgende Frage gestellt. Wer handelt eigentlich verwerflicher, ein Arbeitsloser, der schwarzarbeitet oder ein Wirtschaftsboss, der Steuern hinterzieht? Und Herr Schockenhoff sagt, eindeutig der Wirtschaftsboss, denn der hat mehr Vorbildfunktion. Stimmen Sie dem zu?

Huber: Also aus folgenden Gründen muss man das sagen. Erstens, weil der Wirtschaftsboss Vorbildfunktion hat und weil jemand, der ein so starkes öffentliches Amt mit weitreichenden Wirkungen hat, auch öffentliche Tugend ernst nehmen muss, und zweitens, weil der faktische Schaden, den der Wirtschaftboss auslöst, um so viel höher ist, als der Schaden, den ein schwarzarbeitender Arbeitsloser auch im schlimmsten Fall auszulösen vermag. Insofern ist die Begründung von Schockenhoff eindeutig richtig. Bloß muss man gleichzeitig sagen, es gibt bestimmte Formen von Selbstgerechtigkeit, die sich niemand leisten sollte, der an der Diskussion beteiligt ist. Man kann, wenn man über Steuerhinterziehung redet, nicht von dem Faktum absehen, dass mehr als 50 Prozent der Deutschen Steuerhinterziehung für ein Kavaliersdelikt halten. Insofern zeigen von der Hand, mit deren einem Finger wir gerade auf Herrn Zumwinkel zeigen, natürlich drei Finger auf jeden von uns zurück.

Quelle: DeutschlandRadio Kultur vom 17. März 2008