Kirchen werben für angemessenen Umgang mit Gesundheit und Krankheit

Berlin (epd). Die Kirchen rücken in ihrer diesjährigen "Woche für das Leben" das Thema Gesundheit und Krankheit in den Mittelpunkt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, warnen gemeinsam vor einer Überbewertung der Gesundheit als Glücksversprechen und Voraussetzung für ein gelingendes Leben. Die Aktionswoche, die am 5. April in Würzburg eröffnet wird, trägt den Titel "Gesundheit - höchstes Gut?".

Es sei normal, dass Menschen krank würden, so Huber. Es dürfe nicht dazu kommen, dass allein Gesunde und Leistungsstarke akzeptiert würden, während sich gebrechliche oder behinderte Menschen rechtfertigen müssten, betont Zollitsch. Mit der "Woche für das Leben" setzen sich die christlichen Kirchen für den Schutz des Lebens in allen Phasen und für alle Menschen ein.

Heute sei die Sorge um die eigene Gesundheit ähnlich stark ausgeprägt wie früher die Sorge der Menschen um ihr Seelenheil. Von Ärzten werde erwartet, dass sie Krankheiten heilen, im erschreckendsten Fall, dass sie Patienten von unheilbaren Leiden "erlösen". Leid und Vergänglichkeit gehörten aber zur Natur des Menschen. Mit Blick auf die Debatten über Sterbehilfe und Heilungsversprechen durch die Genforschung sei das Thema der diesjährigen "Woche für das Leben" hochaktuell, so Huber.

Nach Zollitschs Worten geht es den Kirchen nicht darum, "Fitnessangebote oder Wellnesshotel argwöhnisch zu beäugen". Doch wollten die Kirchen die übertriebenen Ansprüche thematisieren, die viele Menschen an ihr Aussehen, ihre Fitness und ihr Wohlbefinden stellten.

Nach der Eröffnung in Würzburg beteiligen sich bundesweit Kirchengemeinden, kirchliche Einrichtungen und Verbände mit Aktionen und Veranstaltungen an der "Woche für das Leben". Auch in den kommenden beiden Jahren geht es unter dem Motto "Gesund oder krank - von Gott geliebt" um das Thema Gesundheit. 2009 wollen die Kirchen nach der Akzeptanz von behinderten und kranken Menschen fragen, 2010 nach der gerechten Verteilung der Ressourcen im Gesundheitswesen. In den vergangenen drei Jahren hatten sich die Kirchen dem Thema Familie und Kinder gewidmet.

01. April 2008

Woche für das Leben 2008


"Immer auch selbst angefragt"

Das Gesundheitswesen ist erstmals Thema der "Woche für das Leben"

Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Das Gesundheitswesen wird in diesem Jahr wieder mehr ins Zentrum der Politik rücken. 2009 sollen der Krankenkassen-Einheitsbeitrag und der Gesundheitsfonds kommen, beides beschlossen im Rahmen der vorigen Gesundheitsreform, beides heftig umstritten. Insofern haben die Kirchen das Thema ihrer "Woche für das Leben" gut gewählt: Um Gesundheit soll es gehen, in diesem und in den kommenden beiden Jahren. Das Leitthema lautet: "Gesund oder krank - von Gott geliebt".

Wenn die Kirchen am 5. April in Würzburg die "Woche für das Leben" mit einem ökumenischen Gottesdienst eröffnen, werden sie zunächst eine Frage stellen: "Gesundheit - höchstes Gut?" Es geht ihnen dabei, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, um eine "heilsame Relativierung" der Glücksversprechen der Wellness- und Gesundheitsindustrie. Gesundheit und Fitness dürften nicht zum Religionsersatz werden.

Nichts gegen Wellnesshotels, beschwichtigte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, vor Journalisten in Berlin, und Huber bekannte, im Urlaub auch in der Sauna gewesen zu sein. Selbst Klöster und kirchliche Tagungshäuser sind schließlich längst in das Wohlfühl-Geschäft eingestiegen. Wenn aber die Sorge um körperliche Leistungsfähigkeit und gutes Aussehen übertrieben werde, so Zollitsch, "gerät die Akzeptanz für alle, die diesem Bild nicht entsprechen, in Gefahr."

Mit ihrer "Woche für das Leben" thematisieren die Kirchen seit 1991 den Wert des Lebens in jeder Phase, von der Schwangerschaft bis zum Tod, unabhängig von Behinderungen, Gebrechen oder Krankheiten. Initiator war die katholische Kirche mit einer Woche zum Schutz des ungeborenen Kindes, 1994 schlossen sich die Protestanten der Initiative an.

"'Hauptsache gesund' - wie sehr ich diesen Satz hasse!", berichtet Eva Leitlinger, eine Frau mit angeborenem Herzfehler, die sechs, teils lebensbedrohliche Herzoperationen überstanden hat. Sie empfindet sich "mit meiner Behinderung als viel glücklicher und zufriedener als die meisten körperlich Gesunden." Der inzwischen 69-jährige Henning Scherf, früherer Bürgermeister von Bremen, nennt als seine Vorbilder ältere Menschen, die "die nachlassenden Kräfte als verbleibende Chance schätzen" gelernt haben.

Anhand solcher persönlichen Darstellungen, biblischer Texte und der christlichen Tradition des Umgangs mit Kranken werden Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen vom 5. bis zum 12. April quer durch die Republik dazu einladen, über den inflationär gebrauchten Begriff der Gesundheit nachzudenken und eine eigene Position zu finden. In den beiden kommenden Jahren soll es um den Umgang der Gesellschaft mit behinderten und kranken Menschen gehen sowie um die gerechte Verteilung der Ressourcen im Gesundheitswesen.

Denn dass sich die Kirchen der Debatte um die Finanzierung des Gesundheitswesens nicht entziehen können, ist klar. Als Träger Hunderter Krankenhäuser und Pflegeheime, mit ihren Schulen für Pflegeberufe und ambulanten Diensten sind sie selbst Akteure im Gesundheitswesen. Die Abrechung nach Pauschalen etwa und steigende Kosten hätten "ungeheure Auswirkungen" auch auf kirchliche Krankenhäuser, sagte Huber. Der christliche Anspruch, kranke Menschen ganzheitlich zu versorgen, müsse gleichwohl aufrecht erhalten werden.

Zollitsch betonte, "wir kämpfen gegen ein Zwei-Klassen-System in der Gesundheitsversorgung: Keiner darf abgewiesen werden". Doch stießen die Kirchen in der Praxis ständig an Grenzen, etwa bei der medizinischen Versorgung illegal in Deutschland lebender Ausländer. Wenn sie also mit ihrer "Woche für das Leben" in den nächsten drei Jahren den Gesundheitssektor unter dem Aspekt der Menschenwürde in den Blick nähmen, so Zollitsch, "dann sind wir immer auch selbst angefragt".

01. April 2008