Ökumene: Studienprojekt soll Kirchen näher zusammen bringen

Bischof Huber: Hoffnung auf neuen Impuls - Schwerpunkt Kultur und Religion

Tübingen/Rom (epd). Die evangelische und katholische Kirche wollen sich über ein gemeinsames Studienprojekt näher kommen. Dieses könne der ökumenischen Theologie einen neuen Impuls geben, erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, am Montag in Tübingen. Anlass war die Vorstellung des Projekts "Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre". Daran beteiligt sind die Universität Tübingen und die Päpstliche Lateran-Universität in Rom. Die Studie wird am Mittwoch auch in Rom vorgestellt.

In dem neuen ökumenischen Forschungsprojekt soll vor allem der kulturelle Aspekt - die Beheimatung und kulturelle Prägung der Christen unterschiedlicher Konfession - berücksichtigt werden. Es wird die These erhoben, dass die römisch-katholische und die reformatorische Theologie unterschiedliche Kulturen darstellen. Römisch-katholische Theologen sollen verstärkt lutherisch und lutherische Theologen mehr aus römisch-katholischer Sicht denken. Beheimatung und kulturelle Prägung reichten weiter als theologische Denkansätze, so der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hermann Barth.

In den Streitfragen wie gemeinsames Abendmahl sowie gegenseitige Anerkennung der Ämter oder gar der Kirchen kommt man zurzeit in den Kirchenleitungen nicht weiter. Die bisherigen Bestrebungen nach theologischer Annäherung und Übereinstimmung der Kirchen sind nach Ansicht von Ökumene-Experten an ihrem Ende angekommen. Zudem haben Protestanten und Katholiken unterschiedliche Ökumene-Modelle entwickelt. Das neue Projekt soll daher vor allem das gegenseitige Verständnis zwischen den Konfessionen fördern.

Beide Seiten müssten einen Sinn "für die innere Stimmigkeit des theologischen Denkens der jeweils anderen Seite entwickeln", so Huber: "In der Spiritualität und im Gottesdienstverständnis, in der Theologie und im Verständnis der Moderne gibt es Gemeinsamkeiten zwischen der römisch-katholischen und den evangelischen Kirchen, die wir mitunter erst im Dialog mit einem dritten Partner wahrnehmen." Die kulturelle Nähe zwischen reformatorischem und römisch-katholischem Geist sei bemerkenswert, so der Berliner Bischof.

Seit sieben Jahren arbeitet an der Päpstlichen Lateran-Universität Rom eine internationale und interkonfessionelle Forschungsgruppe zu fundamentaltheologischen Themen. Ziel sei dabei nicht, eine gemeinsame katholisch-evangelische Fundamentaltheologie zu finden, die beide Lehren verschmilzt, sondern eine vertiefte gegenseitige Erfassung der beiden Traditionen. Das Projekt wird verantwortet von den evangelischen Theologen Eilert Herms und Christoph Schwöbel (beide Tübingen) sowie Wilfried Härle (Heidelberg) und den katholischen Theologen Guiseppe Lorizio und Lubomir Zak (beide Rom).

Buchhinweis: Hrsg. v. Eilert Herms u. Lubomir Zak, Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre. Theologische Studien, 2008, 610 Seiten, ISBN 978-3-16-149603-5 (fadengeheftete Broschüre ¤ 49) oder ISBN 978-3-16-149592-2, Leinen, 89 Euro

07. April 2008

EKD-Pressemitteilung

Grußwort des EKD-Ratsvorsitzenden


Impuls gegen die ökumenische Stagnation

Katholische und protestantische Theologen spüren Wahrheit der anderen Konfession nach

Von Anne Käfer (epd)

Tübingen (epd). Bischof Wolfgang Huber ist hoffungsvoll: Ein wissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen und der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom könne "die gemeinsame Geschichte der Konfessionen zum Leuchten bringen". Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland erhofft sich davon "neue Impulse gegen die Stagnation".

Was profilierte Protestanten und Katholiken gleichermaßen am Montag in Tübingen begrüßten, ist das nunmehr in Buchform vorliegende Zwischenergebnis eines katholisch-evangelischen Forschungsprojekts. "Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre" lautet der wenig spektakuläre Titel. Bemerkenswert daran ist, dass dabei katholische Wissenschaftler lutherische Grundsatztexte auslegen und evangelische Theologen katholische Dokumente.

Der Leiter der Forschungsgruppe, Theologieprofessor Eilert Herms, unterstrich, das Projekt gehe auf die Initiative von der wissenschaftlichen Theologie und nicht der Kirchenleitungen zurück. Das interkonfessionelle Team versuche, unter der alleinigen Autorität der Wahrheit "die wahre Natur der Sache" in den reformatorischen und römisch-katholischen Grundsatztexten auszumachen. Themen sind beispielsweise "Offenbarung", "Wahrheit", "Glaubenskonstitution", "Kirche" oder "Anthropologie".

Der Tübinger Prorektor Herbert Müther sieht in dem beispielhaften wissenschaftlichen Ansatz sogar die Chance, daraus erfolgversprechende Projekte für den interreligiösen und interkulturellen Dialog ableiten zu können. Kardinal Camillo Ruini, Großkanzler der Päpstlichen Lateran-Universität, stellt die "methodische Empathie" - das Einfühlen in die jeweils andere Denkweise - als Erfolgsrezept des Projekts heraus.

Auch der Braunschweiger evangelische Bischof Friedrich Weber, Ökumene-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, lobt diese Herangehensweise. Sie erlaube es, eine Position nicht in Abgrenzung zu formulieren, sondern die Lehrtexte der anderen Seite verstehen zu wollen.

Diesem Konzept kommt aus Sicht von Wissenschaftlern und Kirchenrepräsentanten "aktuelle kirchliche Relevanz" zu. So könne Fremdheit vermindert werden und Nähe wachsen. Die Forschungsgruppe sei das Wagnis des Dialogs in einer Zeit eingegangen, in der viel von Stillstand im Miteinander der Kirchen die Rede sei. Aus diesem wissenschaftlichen Ansatz erhoffen sich die Kirchen ein vertieftes Verständnis für die Motive der ökumenischen Partner. "Für die Differenzen ebenso wie für die Gemeinsamkeiten", so Bischof Huber.

08. April 2008