KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen eröffnet Häftlingsküche als Museum

Oranienburg (epd). In der ehemaligen Häftlingsküche des KZ Sachsenhausen wird an diesem Donnerstag die neue Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers eröffnet. Die Dokumentation stellt anhand von 51 zentralen Ereignissen zwischen 1936 und 1945 die Entwicklung des NS-Lagers vor, das am 22. April 1945 von der Roten Armee befreit wurde.

Die neue "Kernausstellung" sei der Höhepunkt des dezentralen Konzepts mit weiteren Themen-Ausstellungen in der Gedenkstätte, erklärte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, am Mittwoch in Oranienburg. Die Dokumentation mit vergleichsweise "wenig Text" und einem neuen halbstündigen Film zur Einführung diene insbesondere der Vermittlung von Grundkenntnissen. Mit der neuen Ausstellung stelle die Stiftung auch den 15-jährigen Prozess der Neugestaltung der Gedenkstätte zur Diskussion.

Erstmals präsentiert wird dabei auch das Totenbuch des Lagers mit den Namen von mehr als 20.000 identifizierten Opfern. Zur Eröffnung am Donnerstag werden neben der luxemburgischen EU-Kommissarin Viviane Reding auch Überlebende des KZ erwartet. Die jetzt realisierte Überblicksausstellung zur Geschichte des KZ ist die elfte von insgesamt 13 geplanten dezentralen Dauerausstellungen.

Die 1936 und 1937 errichtete Häftlingsküche wurde dafür mit rund 3,25 Millionen Euro denkmalgerecht saniert. Erstmals werden damit auch die historischen Kellerräume mit Wandmalereien aus der Zeit des NS-Konzentrationslagers und des späteren sowjetischen Speziallagers für Besucher zugänglich gemacht.

In der Ausstellung werden neben Fotos, die ein norwegischer Häftling aus dem Lager geschmuggelt hat, auch SS-Terrorinstrumente wie Galgen und Leichenkarre gezeigt. Didaktische Medien wie Schaubilder, Karten und ein Modell des KZ ergänzen die Dokumentation. An das Museum sind ein Filmvorführraum und ein Lernzentrum mit 14 Computerarbeitsplätzen angeschlossen.

Das KZ Sachsenhausen wurde als Modell-Lager der SS im Jahr der Olympischen Spiele 1936 errichtet. Bis 1945 waren mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende kamen durch Hunger oder Krankheiten um oder wurden ermordet.

17. April 2008


"Es gibt einen Weg zur Freiheit, aber nur durch den Schornstein"

KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen eröffnet neue Kernausstellung

Von Yvonne Jennerjahn (epd)

Oranienburg (epd). Die Asche von Robert Ziebold wurde in einer Wandnische im Keller gefunden. Die Blechurne war mit Zeitungen und Schutt in der ehemaligen Häftlingsküche des KZ Sachsenhausen beim Umbau zur Mahn- und Gedenkstätte in der DDR als Füllmaterial vermauert worden. Nun wurde das Gebäude erneut umgestaltet, bei den Bauarbeiten hat man die Asche des NS-Opfers entdeckt. Der Urnendeckel mit dem Namen des Ermordeten wird künftig am Fundort zu sehen sein: An diesem Donnerstag wird das "Museum Häftlingsküche" mit der neuen Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers eröffnet.

Als "Kernausstellung" bezeichnet der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, das neue Museum. Es ist die elfte Dauerausstellung, die seit der 1994 begonnenen Neugestaltung der Gedenkstätte eröffnet wird. Auf 300 Quadratmetern wird knapp und überschaubar die gesamte Geschichte des Konzentrationslagers dokumentiert, das 1936 im Jahr der Olympischen Spiele von Berlin als Modell-KZ der SS errichtet wurde. Mehr als 200.000 Menschen waren hier bis 1945 inhaftiert, Zehntausende starben an den unmenschlichen Bedingungen oder wurden von der SS ermordet.

"Die Häftlingsküche ist eines der wichtigen zentralen Gebäude des Konzentrationslagers gewesen", betont Morsch. 300 Inhaftierte waren hier ständig im Einsatz. Im Schälkeller mussten sie unter kaum vorstellbaren Bedingungen arbeiten, der Raum war feucht, die Menschen standen mit den Füßen im Wasser. Nahrungsmittel minderer Qualität wurden hier verarbeitet, halbfaule Kartoffeln für wässrige Suppen. Wer heimlich versuchte, davon zu nehmen, wurde von der SS bis zur Bewusstlosigkeit in einen Wassertrog getaucht.

Trotzdem versuchten die Häftlinge, den großen Kellerraum etwas schöner zu gestalten. Geduldet von den Aufsehern bemalten sie die Wände. Die verschiedenen Schichten der Wandbilder sind jetzt freigelegt worden, Teile davon werden geschützt hinter Glas in der Ausstellung gezeigt: eine Seenlandschaft, später übermalt mit Blumengirlanden - und zuletzt als oberste Schicht Gemüsekarikaturen, die aus der Zeit des sowjetischen Lagers 1945 bis 1950 stammen.

Übergroße Fotos fassen die Ausstellung im Erdgeschoss ein. Ein Bild ist dabei, auf dem SS-Männer einen Häftling demütigen. Davor steht als eines der Originalexponate ein hölzerner Prügelbock, Folterinstrument der SS. "Es gibt einen Weg zur Freiheit", beginnt auf einem anderen Foto ein Spruch auf der Außenwand einer KZ-Baracke. Häftlinge stehen davor. Gehorsam, Fleiß, Sauberkeit und anderes zählt der "Sinnspruch" von SS-Führer Heinrich Himmler auf. "SS-Leute wiesen die Zugänge auf den Spruch hin, zeigten auf den Schornstein des Krematoriums und sagten: ,Es gibt einen Weg zur Freiheit, der nur durch diesen Schornstein geht.'" So erinnert sich im Begleittext Harry Naujoks, bis 1942 politischer Häftling in Sachsenhausen.

51 Ereignisse vermitteln in der Dokumentation exemplarisch die Geschichte des Konzentrationslagers von 1936 bis 1945. Eine Tafel benennt die Täter vor Ort, die Vitrine dazu zeigt ein graviertes Zigarettenetui aus vergoldetem Silber, das Mitglieder des Kommandostabes ihrem SS-Standartenführer 1938 zum Geburtstag schenkten. Daneben wird an die Ausweitung des NS-Terrors gegen immer mehr Menschen im selben Jahr erinnert: Sinti und Roma, die sogenannten Asozialen, jüdische Männer, die bei den Pogromen im November 1938 verhaftet und nach Sachsenhausen verschleppt wurden.

Mit einem Totenbuch wird am Ende der Dokumentation den Opfern des KZ Sachsenhausen ein Denkmal gesetzt. Die Namen von 20.500 Menschen sind darin verzeichnet. "Ein Bruchteil der Toten", sagt Morsch. Doch die anderen sind nicht bekannt. Robert Ziebold ist einer von denen, die beim Namen genannt werden: Als Zeuge Jehovas war er in Sachsenhausen inhaftiert. Weil er sich aus religiösen Gründen weigerte, vor Himmler aufzustehen, wurde er auf dessen persönliche Anordnung hin im Januar 1940 erschossen. Seine Asche wird am Freitag am Bestattungsort der Gedenkstätte im Massengrab am ersten Krematorium des KZ beigesetzt.

Die Ausstellung "Das Konzentrationslager Sachsenhausen 1936-1945. Ereignisse und Entwicklungen" ist ab Freitag täglich außer montags von 8.30 bis 18 Uhr zu sehen.

17. April 2008

Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten